Drängelei auf der B 31-neu und Herumfuchteln mit einer Schreckschusspistole kommen einem 20-Jährigen Mann teuer zu stehen: Das Amtsgericht Stockach verurteilte den Autofahrer aus Stockach zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro, also insgesamt 2700 Euro. Zudem muss er den Führerschein für weitere elf Monate abgeben.
Was im Mai 2020 passiert ist
Laut der Staatsanwältin soll der Angeklagte im Mai 2020 zwischen Überlingen und Stockach zunächst ein Auto mit zwei Insassen während einem Überholvorgang dicht aufgefahren sein. Er soll die Lichthupe benutzt haben, so dass der Fahrer sich gezwungen sah, auf die rechte Spur zu wechseln. Zudem habe der Fahrer, nachdem der Beschuldigte ebenfalls die Spur gewechselt hat, stark bremsen müssen.
Kurz darauf sei der Angeklagte auf ein zweites Auto mit Lichthupe dicht aufgefahren und habe zudem den 21-jährigen Fahrer und seinen 19-jährigen Beifahrer mit einer täuschend echt aussehenden Schreckschusspistole beim Drängeln und dem folgenden Überholen bedroht. Die Anklage lautete daher in beiden Fällen auf Nötigung (Paragraf 240 Strafgesetzbuch). Der Angeklagte machte vor Gericht zunächst keine Angaben zu dem Vorfall.
Drängelei und Lichthupe
Der Fahrer des ersten Autos gab an, dass er gerade zwei bis vier Autos überholt habe, als er mit der Lichthupe darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass er „sich verziehen“ solle. Sobald er konnte, habe er auf die rechte Spur gewechselt. Dadurch, dass andere ebenfalls nach dem Überholen die Spur wechselte, habe er stark abbremsen müssen, um den Sicherheitsabstand wiederherzustellen.
Sein Beifahrer konnte sich an den Bremsvorgang nicht mehr ganz erinnern, aber war sich ziemlich sicher, dass sein Kumpel bremsen musste. Im rechten Außenspiegel habe auch er eine Lichthupe wahrgenommen.
Plötzlich war eine Waffe im Rückspiegel zu sehen
Der 21-jährige Fahrer des zweiten Autos sagte aus, dass er die Drängelei bereits 200 bis 300 Meter hinter dem Fahrzeug im Innenspiegel beobachten konnte. Er sei gerade selbst am Überholen gewesen, als der Beschuldigte mit seinem Auto hinter ihm gewesen sei. Auf Nachfrage von Richterin Julia Elsner sagte er, dass es vielleicht maximal fünf Meter Abstand zwischen den Fahrzeugen gewesen seien. „Als ich die Waffe gesehen habe, bin ich sofort auf die andere Spur, als eine Lücke frei war“, fügte er an. Sein Beifahrer habe die Polizei gerufen und sie hätten anschließend den Beschuldigten verfolgt.
Der Beifahrer bestätigte die Aussage. „Auf mich wurde noch nie eine Waffe gerichtet und möchte es auch nicht mehr erleben“, sagte er. Dem Fahrer war keine Lichthupe aufgefallen, während der Beifahrer sie gesehen hatte.
Handy statt Pistole?
Ein Polizeibeamter vom Polizeirevier Stockach war ebenfalls vor Gericht geladen. Bei der Anschrift des Angeklagten seien die Polizisten und eine Streife des Verkehrsdiensts Mühlhausen-Ehingen mit gezogener Pistole zum Auto gelaufen. Der 20-Jährige habe anschließend aus seiner Wohnung hinunter gerufen und sei rausgekommen. Er habe eingeräumt, dass er mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen war, und gab auch zu, eine Schreckschusspistole und einen kleinen Waffenschein zu besitzen.
„Er hat gesagt, es sei nicht die Waffe, sondern sein Handy gewesen, das er in der Hand hatte“, so der Beamte. Zudem habe der Mann eine Gegenanzeige wegen Nötigung erstatten wollen. Die Zeugen aus dem zweiten Auto seien aufgebracht und erschüttert gewesen.
Dem Jugendgerichtshelfer fiel es schwer, eine Einschätzung abzugeben. So etwas sei bei ihm als Gutachter noch nie vorgekommen. Er sah beim Angeklagten keine Entwicklungsstörungen, weil er bereits einen eigenen Haushalt führe und Familie habe. Deshalb empfahl er dem Gericht, das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Richterin Julia Elsner regte daraufhin an, die erste Tat nach Paragraf 154 Absatz 2 der Strafprozessordnung einzustellen. Dies geschah auch unter Zustimmung aller Beteiligten.
Anwalt spricht für den Angeklagten
Nach einer Beratung mit seinem Mandanten gab der Verteidiger eine Erklärung ab: An die erste Drängelei könne der 20-Jährige sich nicht mehr erinnern. Bei der zweiten Drängelei habe der Geschädigte bewusst die Geschwindigkeit reduziert, sodass der Angeklagte auch bremsen haben müssen. „Er ließ sich provozieren und dazu verleiten, die Waffe rüberzuzeigen“, so der Verteidiger.
„Wir sind hier nicht im Wilden Westen“
„Die Jungs haben nicht ohne Grund die Polizei gerufen“, begann die Staatsanwältin ihr Plädoyer. „Wir sind hier nicht im Wilden Westen, wo jeder seine Waffe präsentiert“, fuhr sie fort. Selbst wenn der Fahrer des zweiten Autos nur seinen Fuß vom Gas genommen haben sollte, rechtfertige das die Handlung nicht. Sie folgte der Empfehlung der Jugendgerichtshilfe und beantragte eine Geldstrafe in einer Höhe von 140 Tagessätzen zu je 30 Euro (4200 Euro) und eine Führerscheinsperre von weiteren elf Monaten.
Der Mann war noch nie straffällig
„Bei manchem sind wir uns einig, bei manchen nicht“, sagte der Verteidiger in seinem Schlussvortrag. Sein Mandant habe sehr impulsiv gehandelt, weshalb dieses Verhalten noch jugendtypisch sein könnte. Sollte das Gericht Jugendstrafrecht anwenden, dann halte er Arbeitsauflagen und einen Verkehrserziehungskurs für angemessen – falls Erwachsenenstrafrecht, dann müsse unbedingt ein Eintrag ins Führungszeugnis vermieden werden.
„Er ist noch nie straffällig geworden und braucht in seinem Job ein sauberes Führungszeugnis“, sagte der Anwalt. Deshalb beantragte er eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro (2700 Euro) und bei der Führerscheinsperre folgte er der Staatsanwältin.
Das Urteil
Richterin Julia Elsner orientierte sich in ihrem Urteil am Antrag des Verteidigers. Die erste Tat habe sie eingestellt, da es widersprüchliche Angaben gegeben habe. Selbst ohne das späte Geständnis hätte sie ihn verurteilt, weil sie die Zeugen für glaubhaft hielt. „Die Waffe hat er gansterrappermäßig gehalten. Das hat der Beifahrer im zweiten Auto eindrücklich geschildert“, begründete sie die Entscheidung.
Die mutmaßliche Geschwindigkeitsreduzierung des anderen Fahrzeugs halte sie für nicht vorsätzlich. Eine Entwicklungsverzögerung sah sie ebenfalls nicht, weshalb sie das Erwachsenenstrafrecht anwandte.