Autos sollen aus der Stadt heraus: Darin sind sich alle einig. Nur wo soll der Verkehr fließen, wenn die innerstädtischen Wege entlastet werden sollen? Darüber gehen die Ansichten naturgemäß auseinander. Denn Umgehungsstraßen bringen für die einen Entlastung, für andere aber Belastung.
Die neueste Idee, die im Zusammenhang mit einer Ostumfahrung von Stockach steht, ist eine Verbindungsstraße zwischen der Ludwigshafener Straße (Bundesstraße 31 alt), wo ein Kreisverkehr entstehen soll, und der Dillstraße (Landesstraße 194). Die Stadtverwaltung stellte einen möglichen Verlauf der Straße in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats vor (siehe Grafik).

Der Anlass für die Überlegung waren laut Bürgermeister Rainer Stolz die Erschließung des geplanten Baugebiets Kapellenäcker und die Pläne der Firma Korian, einen Neubau für das Seniorenzentrum Am Osterholz zu errichten. Dies wolle die Stadt gerne ermöglichen, sagte Stolz in der Sitzung. Vorgesehen sei eine Fläche hinter dem Lärmschutzwall an der Ludwigshafener Straße. Die Erschließung des Gebiets könnte nun über eine durchgehende verbindende Straße erfolgen oder durch Stichstraßen, die keinen Durchgangsverkehr erlauben.
Der Charme der durchgehenden Lösung aus Verwaltungssicht: Eine Verbindungsstraße könnte 5900 Fahrzeuge am Tag aufnehmen und so die Innenstadt relativ rasch entlasten, so Stolz – im Gegensatz zu einer großen Umgehungslösung, die viel länger dauern dürfte. Um Lärmschutz und Tempolimits müsse man sich kümmern. Und für eine Verbindungsstraße könne die Kommune Fördermittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) in Anspruch nehmen. Einen Antrag habe die Verwaltung bereits eingereicht, um die Frist zu wahren. Sollte der Gemeinderat dagegen sein, werde dieser Antrag zurückgezogen, so Stolz. Auch er tue sich schwer, denn am nördlichen Ende der Straße soll das Naherholungsgebiet Aachpark entstehen.
Im Gemeinderat gab es hauptsächlich skeptische Stimmen
In der Aussprache äußerten sich die meisten Redner skeptisch. Wolfgang Reuther (CDU) warf die Frage auf, wie attraktiv eine solche kurvige Straße mit Tempo 30 für den Durchgangsverkehr sei. Und er gab zu bedenken, dass man dadurch möglicherweise die Möglichkeit von Fördergeldern für die ortsferne Umgehungsstraße verbauen könnte, wenn nun die Verbindungsstraße gefördert werden sollte. Jürgen Kragler (CDU) meinte, Verkehr würde durch eine solche Straße in ein Wohngebiet verlagert, während die Autos jetzt an Bürogebäuden vorbeifahren würden.
Auch Andreas Bernhart (CDU) plädierte dafür, stattdessen die ortsferne Umfahrungsmöglichkeit zu untersuchen. Wolf-Dieter Karle (Freie Wähler) wies darauf hin, dass ein Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde sicher nicht eingehalten werden würde. Und an der Dillstraße würde der Verkehr auf das Schulzentrum mit etwa 1900 Schülern treffen.
Maria-Luisa Jessen (Grüne) wünschte sich ein weiträumigeres und weitsichtigeres Umfahrungskonzept. Und Thomas Warndorf (SPD) sagte für seine Fraktion, man finde eine solche stadtnahe Lösung falsch. Eine Umfahrung sollte Schwerverkehr aus der Stadt holen, diese Straße diene aber nur dem Individualverkehr. Immer wieder tauchte der Bezug zur Oberen Walkestraße auf, die man vor 20 Jahren geschlossen habe, um Schleichverkehr abzustellen.

Martin Bosch (CDU) äußerte sich offensiv anders als seine Vorredner. Er sehe die vorgeschlagene Straße als Querverbindung, nicht als Umfahrung. Sein Wort vom Schildbürgerstreich für eine nicht durchgehende Verbindung machte in der Debatte die Runde. Auch Karl-Hermann Rist (Grüne) sagte mit Blick auf den Kosten-Nutzen-Effekt, man sollte diese Straße so bauen. Sie werde zwar die Probleme nicht lösen, aber den Druck für die nächsten zehn bis 15 Jahre lindern.

Bürgermeister Stolz appellierte nach der Aussprache an die Fraktionen, an alle Betroffenheiten zu denken, denn auch in der Ludwigshafener Straße wohnen Menschen. Wenn diese Straße so nicht komme, sei dies auch eine Entscheidung gegen die ortsnahe Ostumfahrung. Und das müsse man den Betroffenen auch so sagen. Er wolle das Gremium nicht überrumpeln, betonte der Verwaltungschef. In diesem Jahr solle die Entscheidung für oder gegen diese Verbindungsstraße allerdings fallen, sagte Stolz.
Vielleicht wird es ein Tunnel
Auch bei der im Gemeinderat angesprochenenen ortsfernen Variante einer Ostumfahrung von Stockach gibt es Neuigkeiten. Diese würde laut einem früheren Entwurf beim Freibad im Osterholz von der L194 abzweigen und südlich in Richtung Autobahnanschluss Stockach Ost verlaufen. Als diese Idee im Frühjahr 2019 bekannt wurde, trieb sie den Einwohnern des Weilers Airach die Sorgenfalten auf die Stirn. Denn diese Straße würde durch das Naherholungsgebiet Osterholz mit seinem Wald, über die Airacher Äcker und neben dem Dorf entlang verlaufen.

Außer man untertunnelt diesen Bereich und verlegt die Autos in den Untergrund, wofür eine Gruppe Airacher Bürger engagiert warb. Diese Möglichkeit wird nun in einer Machbarkeitsstudie untersucht, derzeit laufen Vorerkundungsbohrungen bei Airach. Dabei werde zunächst an zwei Stellen bis in eine Tiefe von etwa 45 bis 50 Meter gebohrt, sagt Benjamin Münsch von der dort tätigen Spezialfirma.
Die Ergebnisse würden dann als Grundlage dafür dienen, wie man den Baugrund weiter erkundet. Dafür werden Bohrkerne entnommen und analysiert. Bewertungen der Funde nimmt Münsch nicht vor, sagt aber, dass die Bohrkerne aus 30 Metern Tiefe aus Sand bestehen. Wie rasch das Ergebnis der Studie vorliegt, könne man noch nicht sagen, schreibt Bürgermeister Stolz auf Anfrage. Dies hänge vom Ergebnis der Bohrungen ab.