In der Nacht auf Freitag fallen die ersten Schneeflocken vom Himmel. Am Morgen ist davon in der Blumberger Hauptstraße allerdings nichts mehr zu sehen. Der Schnee ist einem Nieselregen gewichen, es ist nebelgrau.

Die Blumberger gehen ihren alltäglichen Beschäftigungen nach: Einkauf beim Bäcker, kurz zur Bank. Und zum Alltag gehört scheinbar auch die Tatsache, dass es von Blumberg aus Verbindungen zu verbotenen islamistischen Organisationen gibt.

Aus diesem Grund haben Beamte der Kriminalpolizeidirektion Rottweil am Mittwochmorgen, 30. November, sechs Wohnungen von Personen durchsucht, die im Verdacht stehen, der verbotenen islamistischen Vereinigung Kalifatstaat anzugehören und diese finanziell zu unterstützen.

„Die hiesigen Ermittlungen richten sich derzeit gegen sechs Beschuldigte“, erklärt Matthias Hörster, erster Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Die Durchsuchung habe frühmorgens zeitgleich an insgesamt sieben Objekten stattgefunden. Sie sei gegen Vormittag abgeschlossen gewesen. „Es handelte sich dabei um eine umfangreiche Maßnahme. Die Ermittlungen gegen die Beschuldigten dauern an“, so Hörster weiter.

Verbot von Kalifatstaat

Es ist nicht das erste Mal, dass die Polizei deswegen hier einschreiten muss. Bei einer bundesweiten Razzia gegen Kalifatstaat war auch Blumberg betroffen. Damals wurde die Moschee „Im Winkel“ samt Grundstück beschlagnahmt. Der dort praktizierende Verein „Muslim-Gemeinde Blumberg e.V.“ wurde aufgelöst, das Grundstück ging durch Enteignung an den Bund über.

Galt der Verein mit seinen 30 Mitgliedern doch als eine von 19 Teilorganisationen der verbotenen Organisation Kalifatstaat um Metin Kaplan. Nach dem Verbot ihrer Gruppierung trafen sich die Mitglieder in der Handwerkerstraße.

Bruno Gebhart stammt aus Blumberg. Er erinnert sich daran, dass es schon einmal Einsätze der Polizei in Zusammenhang mit Islamisten ...
Bruno Gebhart stammt aus Blumberg. Er erinnert sich daran, dass es schon einmal Einsätze der Polizei in Zusammenhang mit Islamisten gegeben hat. | Bild: Simon, Guy

Dass es in Blumberg schon einmal entsprechende Vorkommnisse gab, daran erinnert sich auch Bruno Gebhart. Er hat am Mittwoch Sirenen gehört und dachte an einen Einsatz von Feuerwehr oder anderen Rettungskräften.

Ob er sich ob der Situation unwohl fühl – oder gar fürchtet? „Was macht einem heutzutage denn keine Angst?“, sagt Gebhart. Besonders wohl fühle man sich jedoch nicht.

„Ich fühle mich hier nicht bedroht“, sagt Dusan Djuric. Er lebt bereits seit 50 Jahren in Blumberg. „Das beste Städtle. Ich fühle mich hier wohl.“

Furcht vor Konsequenzen

Etliche Blumberger sagen aber auch Sätze wie „Da war doch schon einmal etwas.“ Öffentlich darüber sprechen, das möchte jedoch kaum einer. Und sie sagen auch warum: Sie befürchten, dann mit Konsequenzen aus dem radikalen Umfeld konfrontiert zu werden.

So auch eine Frau, die aus eben jenem Grund anonym bleibt: „Direkt nach dem 11. September war schon mal etwas. Damals haben sie etliche Kisten aus dem Haus in der Handwerkerstraße rausgetragen.“

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Wo der Polizei-Einsatz genau stattgefunden hat? Viele Blumberger sprechen auch dieses Mal von der Handwerkerstraße. Die Polizei kann dies aber nicht bestätigen, Anwohner im näheren Umfeld haben nichts mitbekommen.

Die Stadt sei in einem Schockzustand gewesen. „Das war ja tagsüber und man hat das voll mitbekommen.“ Und was löst der neuerliche Vorfall aus? „Man ist irgendwie blauäugig. Es war ja immer hier – und man hat das halt verdrängt.“ Dass für die Blumberger selbst eine Gefahr besteht, das denkt die Frau nicht: „Sie machen uns nichts. Man kennt eben die Männer, Frauen und Kinder.“ Was passiert ist, es wurde offensichtlich Teil des Alltags.

Was wirft die Staatsanwaltschaft vor?

„Den Beschuldigten liegt zur Last, den organisatorischen Zusammenhalt und den Fortbestand der verbotenen Vereinigung Kalifatstaat finanziell und logistisch unterstützt und weiterhin aufrechterhalten zu haben“, erklärt Staatsanwalt Hörster.

Sie sollen als Verantwortliche eines in Blumberg ansässigen Gruppe der verbotenen Vereinigung etwa damit betraut gewesen sein, durch die Sammlung von Spenden bei den Gemeindemitgliedern den Vertrieb von Kalendern, Büchern und anderem Schriftgut sowie den Verkauf von Lebensmitteln Gelder zu erwirtschaften und diese der verbotenen Organisation zur Verfügung zu stellen. „Insoweit besteht der Verdacht eines Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot gemäß Paragraf 85 Strafgesetzbuch.“

Die Ermittlungen gegen die Beschuldigten gehöre zu einem gesonderten Verfahren der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz, „mit vorangegangenen Festnahmen und bundesweiten Durchsuchungen gegen Mitglieder und Unterstützer der verbotenen islamistischen Vereinigung“, sagt Hörster.

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Die bei der Durchsuchung sichergestellten Beweismittel, wie etwa das Propagandamaterial und Datenträger, werden laut Staatsanwaltschaft nun ausgewertet. „Sollten sich die Tatvorwürfe in einem gerichtlichen Verfahren bestätigen, könnten entsprechende Gelder und Propagandamaterial eingezogen werden.“

Und die Beschuldigten?

„Keiner der Beschuldigten befindet sich in Untersuchungshaft“, erklärt Hörster. „Sie sind alle auf freiem Fuß.“ Der mutmaßliche Tatzeitraum sei Gegenstand der andauernden Ermittlungen. Zur möglichen Einbindung des Verfassungsschutzes könne die Staatsanwaltschaft keine Auskünfte geben.