Birgit Klausmann arbeitet in der Praxis des Mediziners Karl Stuff in der Mühlenstraße. Sie ist dort zuständig für das Praxismanagement. Im zweiten Obergeschoss öffnet sie die Tür zu einem Besprechungszimmer. Entlang der Fensterbank steht eine lange Reihe Leitz-Ordner. „Man hat so das Gefühl, 50 Prozent des Alltags besteht aus Corona-Tätigkeiten“, erklärt Klausmann. Die Ordner sind ein Sinnbild. In der Reihe befindet sich die Dokumentation der Impfungen.

Die meterlange Reihe an Ordnern zieht sich an der Fensterbank noch weiter. Darin sind die Unterlagen rund um das Impfen in der Praxis.
Die meterlange Reihe an Ordnern zieht sich an der Fensterbank noch weiter. Darin sind die Unterlagen rund um das Impfen in der Praxis. | Bild: Simon, Guy

Aus dem ganzen Kreisgebiet

Die Praxis Stuff hat sich auf das Impfen spezialisiert. Wer sich gegen das Coronavirus schützen lassen möchte, der kann sich hier einen Termin geben lassen. Egal, ob er dort Patient ist, oder nicht. Die Leute kommen aus dem ganzen Kreisgebiet. Von Donaueschingen bis nach Triberg, Schonach, Blumberg.

Urlaub ist nötig

Mit dem Schwerpunkt Corona müssen jedoch die anderen Aufgaben der Praxis im Nachgang noch erledigt werden. Eine Belastung für das ganze Team: „Auf Dauer ist man da überlastet“, sagt Klausmann. Selten habe sie einen Urlaub so nötig gehabt, wie jenen über die Weihnachtszeit, als die Praxis zwei Wochen geschlossen war.

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Viel Dankbarkeit

Das Mehr an Arbeit bürdet sich die Praxis selbst auf: „Wir sind dankbar und stehen hinter den Impfungen.“ Ziel sei es, so viel und schnell wie möglich zu impfen. Daher habe man auch Impfsamstage organisiert, an denen jeweils bis zu 200 Patienten geimpft wurden. „Wir haben da viel Dankbarkeit erlebt. Die Leute mussten nicht lange warten – und der Dank hat gut getan. Alle waren froh darüber“, sagt Klausmann.

Viel zu tun

Der große Aufwand dabei entstehe durch die notwendige Verwaltung: Datenblätter müssen richtig ausgefüllt sein, der Datenschutz muss stimmen, die Anamnese muss geprüft werden: „Es ist sehr viel zu tun.“ Anfangs habe man in der Praxis PCR-Abstriche gemacht, doch der Aufwand mit den Impfungen zusammen sei zu hoch: „Wir mussten die Abstriche ja etwa im kompletten Schutzanzug machen. Impfen, abstreichen und die Sprechstunde – das ist nicht machbar.“

Überall ist es so

Das es nicht nur in der Praxis Stuff so laufe, das habe Klausmann im Oktober erlebt. Arzthelferinnen aus der Region trafen sich zu einem Qualitätszirkel in Allmendshofen. Es gibt Vorträge, man tauscht sich aus: „Die Vortragende erkundigte sich: ‚Wie geht es euch?‘. Und nahezu alle berichteten von dem Mehraufwand. So etwas braucht einen Ausgleich.“

Der Corona-Impfstoff im Kühlschrank. Aktuell ist mehr Moderna (rechts) vorhanden. Vom Biontech-Impfstoff gibt es für die Woche lediglich ...
Der Corona-Impfstoff im Kühlschrank. Aktuell ist mehr Moderna (rechts) vorhanden. Vom Biontech-Impfstoff gibt es für die Woche lediglich die vier Phialen mit dem lila Deckel. | Bild: Simon, Guy

Zwischen den Jahren geimpft

Nach dem Urlaub sei man nun wieder bereit. Und man habe Energie für einen weiteren Impfsamstag, der am 29. Januar angedacht ist. „Man merkt allerdings, dass viele zwischen den Jahren bei einer der Impfaktionen waren. Kurz vor Weihnachten drehten sich indes 70 Prozent der Telefonate um einen Impftermin.“

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Mehr Impf-Aktionen

Klausmann hätte sich gewünscht, dass mehr Praxen solche Impf-Aktionstage auf die Beine gestellt hätten: „Klar ist, dass es ein Extra-Aufwand ist, der auch honoriert werden muss.“ In der Praxis Stuff gibt es noch die normalen Sprechzeiten, geimpft wird Mittwochmorgens und außerhalb der Sprechstunde am Mittwochnachmittag, sowie Donnerstagabend. Für die eigenen Patienten sei es jedoch auch eine Vertrauenssache: „Es gibt ein Gefühl von Sicherheit, wenn die Impfung beim eigenen Hausarzt erfolgt, der einen schon über Jahre kennt“, erklärt Klausmann. Gerade bei Impf-Ängsten.

Spaltung der Gesellschaft

Es herrsche große Verunsicherung, und die Praxismanagerin macht noch mehr aus: „Ich würde von einer Spaltung sprechen. Ich hätte das vorher nie gedacht.“ Sie selbst erlebe es in mehreren Bereichen: „Es ist schade, dass so wenig Vertrauen in die Wissenschaft herrscht. Eine Impfung bedeutet, eine Krankheit auszurotten. Ich vertraue der Medizin.“

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Immer wieder gegeben

Das derzeitige Phänomen sei allerdings eines, das es in der Geschichte immer wieder gegeben habe: „Bei den Pocken, Tetanus – das gab es immer wieder. Und jetzt ist es unsere Geschichte.“ Das habe Birgit Klausmann aber auch schon Auseinandersetzungen in der Praxis beschert. Etwa mit Patienten, die sich über die Maskenpflicht echauffierten: „Da hieß es dann, das bringe nichts – und gab heftige Diskussionen. Wir versuchen dann, den Patienten aufzuklären und dadurch zu überzeugen.“

Eine positive Herausforderung

Angesichts der Belastung seien die Auszeiten sehr wichtig. Allerdings auch die Herangehensweise: „Es macht auch Spaß und man muss es als Herausforderung sehen. Wenn man nur ins Negative denkt, dann führt das zu nichts. Das würde sich auch im Team niederschlagen. Mit Sicherheit hätten wir so die Impftage auch nicht gemeistert.“ Regelmäßig gebe es Team-Sitzungen, in denen man sich austausche.

Und wenn Omikron kommt?

Wie bereitet die Praxis sich jetzt auf die Omikron-Variante des Virus vor? „Konsequent die AHA-Regeln einhalten und: impfen, impfen, impfen. Mehr vorbereiten geht nicht.“ Das vermeide die Infektion zwar nicht komplett, wohl aber einen schweren Verlauf – und der könne tödlich enden. Bislang habe sich kein Mitarbeiter der Praxis infiziert. Trotz Booster-Impfungen testen sie sich zweimal die Woche.

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Und weil niemand sagen kann, wie lange die Pandemie dauert, arbeitet das Team weiter daran, die Patienten davor zu schützen. Etwa 2700 Impfdosen wurden in der Praxis Stuff seit April 2021 verimpft. Die Zahlen übermittelt Birgit Klausmann regelmäßig an das Robert-Koch-Institut – noch eine zusätzliche Aufgabe.