Johannes Schwörer steht mitten in einem 1,7 Hektar großen Zuckerrübenfeld, breitet die Arme aus und sagt: „Sehen Sie, wie viel Platz hier noch für zusätzliche Erntehelfer wäre?“ Dabei lächelt er spitzbübisch. Der Landwirtschaftsmeister, der vor 35 Jahren den zwischen Bräunlingen und Döggingen gelegenen Eichenhof von seinem Vater übernahm, will eine wichtige Botschaft unters Volk gebracht sehen. Nämlich die, dass mittlerweile zwar immer mehr Verbraucher biologisch angebaute Lebensmittel nachfragen, gleichzeitig aber die Bereitschaft nicht da ist, dafür hart zu schuften. Denn der Verzicht auf Mineraldünger und Spritzmittel bringt mehr Handarbeit mit sich. Kurz gesagt: Hacke ersetzt Giftspritze.

Drei Erntehelfer unterstützen Johannes Schwörer, seine Lebensgefährtin Karin Henninger und seinen Sohn Martin an diesem Dienstagvormittag bei der Arbeit im Zuckerrübenfeld: die 15-jährige Sarah Schick aus Pfohren, die 16-jährige Lorena Münzer aus Neudingen und der 25-jährige Student Yanek Krusta aus Furtwangen. Die beiden Teenager fanden über persönliche Beziehungen den Weg zum Eichenhof und wollen die Zeit zwischen Mittlerer Reife und schulischem Neustart am Wirtschaftsgymnasium sinnvoll nutzen.

Krusta hat studienbegleitend in der Gastronomie gearbeitet und diesen Job jetzt wegen der Corona-Krise verloren. Über das Projekt „Das Land hilft“ beziehungsweise dessen Online-Auftritt erfuhr Krusta davon, dass Johannes Schwörer auf der Suche nach Erntehelfern war, besser immer noch ist. Denn: Es haben sich zwar einige Interessenten bei ihm gemeldet, doch als diese dann hörten, dass sie ein Zuckerrübenfeld zu hacken und von Beikräutern (die Biolandwirtschaft verschmäht das Wort Unkraut) zu befreien haben, sei bei den meisten die Begeisterung für die Feldarbeit ganz schnell wieder erlahmt. „Bei einigen habe ich sofort gemerkt, dass sie sich nicht mehr melden werden.“

Denn wo die Giftspritze der Umwelt zuliebe nicht zum Einsatz kommen darf, ist Handarbeit gefragt. Zwischen den Zuckerrübenreihen kann Schwörer zwar eine rund 60.000 Euro teure Maschine einsetzen, aber nicht in den Reihen. Da muss von Hand gehackt werden, um das Beikraut aus der Kultur zu bekommen. Jetzt, wo die Zuckerrüben schon etwas größer sind, seien sie leichter vom Beikraut zu unterscheiden, erzählen die beiden Mädchen in einer kurzen Pause. Die Arbeit beschreiben sie als anstrengend, aber gut aushaltbar. Rund vier Stunden am Tag helfen sie mit.

Schwörer macht seinen Mitarbeitern keine Zeitvorgaben und zahlt pro Stunde zehn Euro. Wenn er mitbekommt, dass sich eine Aushilfskraft besonders ins Zeug hängt, dann legt er noch was drauf. So wie bei Krusta. Der habe eine gute Kondition. Schwörer gefällt auch, dass der junge Mann sein Studium selbst mit harter Knochenarbeit finanziert, vor dem Zuckerrüben-Einsatz arbeitete er in einer Hopfenplantage bei Tettnang. „ Vor solchen Leuten ziehe ich den Hut“, sagt Schwörer, der Kreisvorsitzender des Badisch Landwirtschaftlichen Hauptverbandes ist. Seine Zuckerrüben werden in einer Raffinerie im schweizerischen Frauenfeld zu Bio-Zucker veredelt. Im Handel trägt er die Bezeichnung der Bioland Erzeugergemeinschaft Rebio.

Um ein Hektar Zuckerrüben von Hand zu hacken, setzt Schwörer rund 250 Arbeitsstunden an. Dabei seien zwei Durchgänge nötig, ehe die Zuckerrüben im September geerntet werden können. Würde er konventionell produzieren, müsste er längst nicht so viel Arbeitszeit einplanen. Doch zunächst einmal gilt es, Menschen für diesen Job zu finden. Und genau daran hapert‘s. Einheimische Erntehelfer seien nur schwer zu finden und die Osteuropäer bevorzugten die großen Erdbeer-Plantagen und Spargelfelder, sagt Schwörer. „Wo sind die, die mehr Bio in der Landwirtschaft fordern und für die wir Bauern zum Beispiel mehr für den Insektenschutz unternehmen sollen. Auf meinen Feldern helfen sie nicht mit“, sagt Schwörer.
Er kann auch nicht verstehen, dass es vielen Menschen vor körperlicher Arbeit graut. „Das ist doch keine Strafarbeit. Morgens um 5 Uhr auf dem Feld hörst Du die Vögel zwitschern und kannst viele Tiere beobachten“, erzählt er ganz begeistert. Und so nebenbei bekommt der dreifache Vater dabei sogar mit, dass die schlimmsten Corona-Zeiten überstanden sind: Denn jetzt zählt er an einem Vormittag wieder um die 20 Flugzeuge am Himmel über der Baar, nicht wie in den vergangenen Wochen und Monaten nur eines oder zwei.
Für Lebensgefährtin Karin Henninger hat das Hacken etwas meditatives, man könne dabei sehr gut nachdenken, erzählt sie. Und Sohn Martin fragt hintergründig nach, weshalb die Jugendlichen, die freitags auf die Straße gehen, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren, nicht auf dem Eichenhof mithelfen. Er kennt die Antwort und lässt sie unausgesprochen: Weil demonstrieren nicht so anstrengend ist wie ein Zuckerrübenfeld zu hacken.