Eigentlich ist Alexander Siegmund ein Mann der Zahlen und Fakten. Doch wenn es um die Winter in seiner Kindheit geht, wird der Klimaforscher nostalgisch. Dann erinnert er sich an Monate in den 1970er-Jahren, als die Schneemassen in seinem Heimatort Fürstenberg, einem Ortsteil von Hüfingen, manchmal so hoch waren, dass der Schneepflug der Stadtverwaltung die Straßen kaum räumen konnte.
Früher war also alles anders? Ja und Nein, meint der 53-Jährige und verweist auf Zahlen und Messungen aus diesen Jahren. „In den Wintern lag früher halbwegs dauerhaft Schnee. Es gab aber auch damals mal den einen oder anderen milderen Winter“, sagt er. Mittlerweile sei das aufgrund des Klimawandels aber andersherum. „Heute sind die Winter auf der Baar oft milder und deutlich schneeärmer, viel seltener gibt es den einen oder anderen kälteren Winter mit viel Schnee.“
Wie normal war das Wetter im Jahr 2021?
Das Konzept des normalen Sommers oder Winters in der Vergangenheit sei trügerisch. So etwas gäbe es nämlich nicht und habe es auch nie gegeben, stellt Siegmund klar. „Das Klima unterliegt schon immer ständigen Schwankungen, das nennen wir dann Wetter.“ Inzwischen gäbe es im Sommer tendenziell weniger Niederschlag und im Winter deutlich mehr. Diese Schwankungen ließen sich auch anhand des Wetters des vergangenen Jahres zeigen.
Der Sommer 2021 sei in puncto Niederschläge und Temperatur aber so verlaufen, „wie es früher einmal üblich war“. Das heißt: recht kühl und mit regelmäßigen Niederschlägen. Die anderen Monate des Jahres 2021 seien laut Siegmunds Wetterstation in Fürstenberg dafür zum Teil milder gewesen als der langjährige Mittelwert.
Dennoch stellt er klar: „Die Durchschnittstemperatur lag während des Jahres bei neun Grad. Das war immer noch das fünftwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor über 20 Jahren.“
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Baar aus?
Dieses zum Teil normale Wetterjahr 2021 dürfe aber nicht davon ablenken, dass der menschengemachte Klimawandel weiterhin das größte Probleme unserer Zeit ist.. , sagt Siegmund.
„Das ist die zentrale Botschaft, die ich für die Baar und für Deutschland habe.“ Die Klimakurven bewegten sich seit Jahren stetig aufwärts. „Entscheidend sind aber die zunehmenden Ausschläge entlang der Kurven“, sagt Siegmund, „bei der Temperatur, beim Niederschlag oder bei Wind.“

„Der Klimawandel verläuft nämlich schleichend und zeigt sich vor allem in Extremwetterereignissen wie im vergangenen Sommer im Ahrtal“, sagt der Fürstenberger. Im Juli 2021 sorgten starke Regenfälle rund um die Ahr in Rheinland-Pfalz für Überflutungen mit vielen Toten. Zwar weise das Ahrtal eine andere Topografie auf als die Baar-Hochebene, sagt Siegmund.
Doch gerade das Thema Starkniederschläge dürfe man auch auf der Baar nicht unterschätzen. „Das kann auch ganz lokal sein und große Auswirkungen haben. Da kann ein kleiner Bach in kürzester Zeit zu einem reißenden Fluss werden.“
Welche Maßnahmen gegen den Klimawandel können ergriffen werden?
„Extremwetterereignisse dieser Art werden zunehmen“, ist sich der Professor für Physische Geographie sicher. Bereits kleine Präventionsmaßnahmen wie beispielsweise das Anlegen von Überflutungsflächen würden aber helfen, um sich den regionalen Folgen des Klimawandels anzupassen. Dorthin könnten Wassermassen im Notfall ausweichen.
Auch größere Maßnahmen wie beispielsweise das Rückhaltebecken in Wolterdingen hält er für richtig. „Das war bisher nur wenige Male geflutet, im Falle von starken Niederschlägen braucht man so etwas aber.“
Doch auch im privaten Rahmen könnten sich die Menschen schützen. „Menschen, die nahe am Fluss bauen oder wohnen, sollten ihre Keller so gestalten, dass Fenster wasserdicht abschließbar sind.“
Bei Neubauten plädiert Siegmund dafür, dass Keller wasserdichte Wände haben. „Oder man baut gar nicht erst auf Flächen, wo das Risiko für Hochwasser besteht. Denn: „Das nächste Hochwasser wird kommen“, sagt Siegmund. „Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.“
„Bei der Klimapolitik sehe ich ein systematisches Problem.“Alexander Siegmund
Wenn es um notwendige Anpassungsmaßnahmen geht, bemängelt der Fürstenberger oft mangelnde Maßnahmen seitens der Lokal- oder Landespolitik. „Bei der Klimapolitik sehe ich ein systematisches Problem. Politiker werden für eine Legislaturperiode gewählt, wirksame Maßnahmen brauchen aber einen langen Atem“, sagt er. „Als Politiker muss ich jetzt unpopuläre und teure Maßnahmen für den Klimaschutz ergreifen. Der Nutzen wird aber erst Jahre später deutlich.“
Die sogenannte Selbstwirksamkeit der Maßnahme – laut Siegmund eine wichtige Komponente der Klima-Bildung – fehle in so einem Fall. Zudem merkt der Klimaforscher an: „Die Politik ist in der schnelllebigen Zeit auch sehr reaktionsgetrieben.“
Beim Klimaschutz müsse man jedoch vorausschauend agieren und präventiv handeln. „Prävention kostet zwar auch Geld“, sagt der Klimaforscher, „ist aber immer besser und billiger als Reaktion.“