Auf ein ungewohnt unfallträchtiges Wochenende blicken die Gleitschirmflieger vom Luftsportverein Baar-Flieger Fürstenberg-Geisingen zurück. Verlief der Flugunfall eines Vereinsmitglieds am Samstagabend zwar spektakulär, aber zum Glück glimpflich, zog sich am Sonntagnachmittag ein ebenfalls erfahrener Pilot aus den eigenen Reihen bei einem missglückten Start so schwere Verletzungen zu, dass er vom Rettungshubschrauber abtransportiert wurde. Beide Unfälle trugen sich am Nordost-Startplatz des Vereins am Fürstenberg zu.

Ein Gleitschirmflieger startet am Fürstenberg am Startplatz Süd. Er gilt als einfacher zu handhaben als der Startplatz Nord, wo die ...
Ein Gleitschirmflieger startet am Fürstenberg am Startplatz Süd. Er gilt als einfacher zu handhaben als der Startplatz Nord, wo die Unfälle am Wochenende passierten. | Bild: Magnus Meschkat

Der Pilot brach sich bei dem Sturz drei Wirbel, die Operation sei erfolgreich gewesen, sagte der Vorsitzende Michael Sommer am Dienstagabend. „Wir atmen auf“, setzte er hinzu. Zum Glück werde sein Vereinskamerad keine bleibenden Schäden davontragen. „Das war ein schwerer Unfall und der Weg bis zur Genesung ist weit“, sagte der Vorsitzende, der den Verein zusammen mit Daniel Miller führt.

Jürgen Blien und Margot Kunnert bei Startvorbereitungen am Startplatz Fürstenberg Süd.
Jürgen Blien und Margot Kunnert bei Startvorbereitungen am Startplatz Fürstenberg Süd. | Bild: Magnus Meschkat

Zum Glück konnte der Pilot nach dem Unfall sofort seine Finger und Zehen bewegen. Ein Fliegerkollege war vom Startplatz sofort zur Unglücksstelle geeilt und hatte den Piloten, der große Schmerzen hatte, aufgefordert, sich nicht zu bewegen. Der Notruf erreichte die Malteser, diese transportierten den Verletzten, auf einer Spezialtrage fixiert, zum Rettungshubschrauber, der wegen des Geländes beim Friedhof landen musste.

Der Vereinsvorsitzende Michael Sommer landet am Startplatz Süd.
Der Vereinsvorsitzende Michael Sommer landet am Startplatz Süd. | Bild: Magnus Meschkat

Was ist passiert? Vor den Augen weiterer Personen, darunter auch die Lebensgefährtin des Verunglückten, wurde der Pilot, der erst kurz zuvor ein Sicherheitstraining mit dem Gleitschirm absolviert hatte, von einer Windböe erfasst. Der plötzliche Gegenwind sorgte dafür, dass der Schirm nach oben stieg und der Pilot nach hinten gerissen wurde. Normalerweise werde dann ein Pilot, auf diese Weise ausgehebelt, „durch den Dreck gezogen“, beschreibt Sommer. Verschmutzte Montur, ein paar blaue Flecken, der Pilot sortiert sich und steht auf.

Viel Betrieb am Himmel: Gleitschirmflieger, die vom Fürstenberg aus gestartet sind.
Viel Betrieb am Himmel: Gleitschirmflieger, die vom Fürstenberg aus gestartet sind. | Bild: Magnus Meschkat

Die Topologie des Nord-Startplatzes allerdings verzeiht solche plötzlichen Windspiele nicht. Bei diesem anspruchsvollen Schneisenstartplatz fällt das Gelände hinter dem Startplatz steil ab. Fast drei Meter tief liegt eine Mulde, in die der Pilot geworfen wurde. Er sei da regelrecht über eine Rampe gerutscht und dann gefallen: eine ähnlich verletzungsträchtige Situation, wie wenn jemand aus dem Fenster eines Hauses stürzt.

Als Grund sieht der 42-jährige St. Georgener Sommer, der sein Geld als Softwareentwickler verdient, eine singuläre Situation. Vielleicht habe auch die reduzierte Flugerfahrung nach dem Lockdown eine Rolle gespielt. „Allerdings passierte der Unfall ja einem Vereinsmitglied“, so Sommer.

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Der Pilot habe am Fürstenberg jederzeit fliegen können. Er war hier nicht den Corona-Bestimmungen unterworfen, die Gleitschirmpiloten bis zur Öffnungsstufe 3 den Flugbetrieb lediglich auf dem jeweiligen Vereinsgelände erlaubte. Seit kurzem nun dürfen Piloten wieder auf fremdem Gelände starten – was mit einer ungewohnten Häufung von Gleitschirmflieger-Unfällen in Baden-Württemberg am vergangenen Wochenende zusammenhängen könnte.

Start und Ziel aus der Vogelperspektive: der Fürstenberg.
Start und Ziel aus der Vogelperspektive: der Fürstenberg. | Bild: Andreas Rupp

Zudem seien die Flugbedingungen am Sonntag gut gewesen. „Als der Unfall passierte, waren mindesten drei, vier Schirme in der Luft“, erinnert sich Sommer. Die Piloten seien über eine Textnachricht auf dem Variometer zum Landen aufgefordert worden, damit der Rettungshubschrauber einfliegen konnte. Während der Erstversorgung und Bergung des abgestürzten Piloten habe natürlich kein Flugbetrieb geherrscht, danach stiegen die Schirme wieder in den Himmel: „Warum auch nicht? Es gab keinen Grund, das nicht zu tun“, so der Vorsitzende.

Eine gute Zeit hoch über allem: Ein Gleitschirmflieger schwebt über der Baar.
Eine gute Zeit hoch über allem: Ein Gleitschirmflieger schwebt über der Baar. | Bild: Markus Meschkat

Ganz anders geartet sei der Unfall am Samstagabend gewesen. Die Windbedingungen seien deutlich schlechter gewesen. „Da waren nur wenige am Berg. Da weiß man, dass man vorsichtig sein muss“, erläuterte der begeisterte Gleitschirmflieger. Der 61-jährige Pilot startete ebenfalls am Nordost-Startplatz und wählte einen Kurs, der nahe an den die Schneise flankierenden Bäumen entlang führt. Als er sich vom Westwind zum Aufstieg führen lassen wollte, war er schon zu nah an den Bäumen. „Der Westwind drückte ihn direkt in einen Baum“, so Sommer. In etwa 18 Meter Höhe blieb der Pilot unverletzt in einer Baumkrone hängen, ehe er von Feuerwehr und Höhenrettung der Bergwacht auf den Boden gebraucht wurde.

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Schaden nahm nur der Baum. Der sei in Abstimmung mit Forst und Besitzer am Dienstag gefällt worden: die einzige Möglichkeit, den Gleitschirm, der für die Vogelwelt zum störenden Fremdkörper geworden wäre, aus der Natur zu entfernen. Ihn vom unversehrten Baum zu ziehen, habe nicht geklappt. Zu sehr hatte sich die Kunststofffläche samt Schnüren um den Baum gewickelt.