Hereinspaziert in die gute Stube: Seit 215 Jahren ist der Kirchensaal der Herrnhuter mehr als nur ein religiöses Zentrum. Hier wird nicht nur gebetet, sondern auch musiziert und gefeiert. Schließlich hat Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf ihn als Wohnzimmer der Gemeinde erbauen lassen.
Da mutet es etwas komisch an, dass in einem so alten Raum ein besonderer Festakt stattfindet: 50 Jahre Königsfeld. Die Rede ist von der Gesamtgemeinde, die aus mehr besteht als nur Königsfeld. Schließlich gibt es noch Buchenberg, Burgberg, Erdmannsweiler, Neuhausen und Weiler – fünf recht unterschiedliche, doch sehr charmante Ortsteile.
Aus sechs Kleinen wird etwas Großes
Einst waren sie alle eigenständig. Doch am 1. Januar 1975 wurde aus ihnen eine Gesamtgemeinde. Bürgermeister Fritz Link ist sich sicher, dass es ohne „die Weitsicht und diplomatische sowie vertrauensbildende Überzeugungskunst von Horst Ziegler“ – dem ehemaligen Königsfelder Bürgermeister – dazu gar nicht gekommen wäre.
Und so forderte er die Besucher auf, sich vor dem Zeitzeugen und Vertreter der Gründergeneration zu verneigen. Ihm eine Auszeichnung zu verleihen, ist allerdings schwer, denn bereits im Jahr 2000 – damals feierte Königsfeld sein 25-jähriges Bestehen als Gesamtgemeinde – erhielt er das Bundesverdienstkreuz.
„Das ist nicht zu übertreffen“, sagte Fritz Link, dem aber dann doch noch ein besonderer Ehrentitel eingefallen ist. Dazu geht er in der Geschichte weit zurück – weit vor dem Bau des Kirchensaals. Er landet im alten Rom, wo die Politiker, die sich um den Staat verdient gemacht hatten, den Ehrentitel „pater patriae“ erhielten. Übersetzen würden das Lateinkundige mit „Vater des Vaterlandes“.
Horst Ziegler wird zum Vater der Kommune ernannt
„In Analogie hierzu dürfen wir Herrn Bürgermeister a.D. Horst Ziegler getrost als ‚pater communis‘, als Vater unserer Gemeinde bezeichnen und ihm heute aufrichtig für sein grundlegendes Wirken danken“, sagte Fritz Link, der bereits seit 1999 Bürgermeister ist.
Es war also ein denkwürdiger Tag, als damals am 12. Juni 1974 Horst Ziegler gemeinsam mit Ernst Haller (Buchenberg) und Friedrich Singer (Neuhausen) die letzte Vereinbarung unterschrieb. Zuvor waren bereits Weiler sowie Burgberg und Erdmannsweiler eingegliedert worden. Mit der Unterschrift wurde die Gesamtgemeinde besiegelt, wie wird sie heute kennen und wie es sie seit dem 1. Januar 1975 gibt.

Wie bedeutend dieser Zusammenschluss ist, zeigte die Gästeliste an diesem Tag. Während im Villinger Münster Erzbischof Stephan Burger seinen Neujahrsempfang zelebrierte und in der Schwenninger Neckarhalle der VS-OB Jürgen Roth sprach, konnten in Königsfeld nicht nur Landrat Sven Hinterseh und die Abgeordneten Thorsten Frei, Derya Türk-Nachbaur und Martina Braun begrüßt werden. Wobei Frei und Türk-Nachbaur sich früher verabschiedeten. Der nächste Termin stand schon an, für die beiden war es ein Tag voller Neujahrsempfänge.
Auch der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel weilte unter den Gästen. Schließlich hatte er von 1972 bis 1978 als damaliger Staatssekretär im Innenministerium die Gemeindereform in einer politisch entscheidenden Funktion und mit Überzeugung vorangetrieben.

Vielfalt in der Einheit: Unter dieses Motto stellte Fritz Link seine Rede. Vielfalt, die durch den Zusammenschluss entstanden und die über 50 Jahre auch erhalten geblieben ist, trotz einer gewachsenen gemeinsamen Identität. Dabei war der ursprüngliche Gedanke der Gemeindereform ein anderer: Effizienz und Effektivität.
„Vor dem Hintergrund zunehmender Aufgabenstellungen für die Gemeinden und im Interesse einer Steigerung und Professionalisierung ihrer Leistungsfähigkeit“ wurden aus „sechs ursprünglich selbstständigen Kommunen ein neues Gemeinwesen“.
„Eine kommunalverfassungsrechtlich breite, demokratische Vielfalt prägt heute unsere Gesamtgemeinde“, sagt Link und fügt hinzu: „Diese bunte Vielfalt ist unsere Stärke und macht den ideellen Reichtum unserer Kommune aus.“
Entscheidungen treffen die, die am besten dazu in der Lage sind
Link ist sich sicher: „Die Hoffnung der Gründerväter hat sich erfüllt.“ Das Prinzip der dezentralen, kommunalen Selbstverwaltung mit der umfassenden Planungs-Autonomie der Gesamtgemeinde als Kleinzentrum einerseits und der Einführung der Ortschaftsverfassung beziehungsweise des Ortsteilausschusses andererseits, ermögliche es, die Bürger themenorientiert in alle Entscheidungen einzubeziehen. Aufgaben würden auf der niedrigsten Ebene, die möglich ist, erledigt, „da dort die Bürger am besten in der Lage sind, über ihre eigenen Angelegenheiten zu entscheiden“.

Das bedeute zum einen Heterogenität der Ortsteile und die Chance, dass diese ihre Individualität bewahren können, aber auch einen einheitlichen Rahmen, in dem die Aufgaben arbeitsteilig erfüllt werden können und die gemeinsame Identität wachsen kann. „Man hatte immer Sinn für Maß und Mitte, die Kraft zur Wahrung der Tradition eines jeden Ortsteils, zugleich aber den Blick für die Erfordernisse des Ganzen und den gerechten Ausgleich untereinander“, sagte der Bürgermeister.
Diese Haltung, verbunden mit einem wertschätzenden, persönlichen Miteinander, einer Gemeinschaft der gegenseitigen Achtung und Rücksichtnahme, das habe die Gesamtgemeinde stark gemacht. „Ich hoffe und wünsche, dass dies unsere Zusammenarbeit als politisches Ethos auch dauerhaft prägen wird.“

Kostengünstig ist das alles allerdings nicht: 132 Millionen Euro hat Königsfeld in seiner Geschichte investiert, um die Aufgaben der Daseinsvorsorge zu schultern. Sieben Kindergärten, drei Grundschulen, sechs Feuerwehrabteilungen, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und vieles mehr. Und natürlich auch Baugebiete für jeden Ortsteil, damit diese sich weiterentwickeln können.
„In den zurückliegenden 50 Jahren konnte erfolgreich eine solide Infra- und Wirtschaftsstruktur erhalten beziehungsweise geschaffen werden“, ist sich Link sicher und fügt hinzu: „Deshalb dürfen wir mit Zuversicht darauf vertrauen, dass unsere Gemeinde die sich ständig erweiternden Aufgaben auch in Zukunft bewältigen kann.“ Und der Kirchensaal wird sicher auch noch in 50 Jahren einen würdigen Rahmen für die 100-Jahr-Feier bieten.