Es war im Jahr 1939. Damals, im Alter von 17 Jahren, nahm das Leben von Franciszek Pszczonka eine erschütternde Wendung. Deutsche Soldaten trennten ihn gewaltsam von seiner Familie, seinem Bauernhof und dem friedlichen Dorf Buchcice in Polen.
Wie viele Hunderttausend andere polnischen Männer wurde er von deutschen Streitkräften in Arbeitslager eingezogen und landete schließlich als Zwangsarbeiter auf der Baar, wurde hier offenbar auf Bauernhöfen eingesetzt. Einige Erkenntnisse zu Zwangsarbeitern in Bräunlingen hat die Geschichtswerkstatt Bräunlingen zusammengetragen.
Heute, 85 Jahre später, ist Frank Pszczonka, der Sohn von Franciszek, aus seiner Heimat Brisbane in Australien auf die Baar gereist, um Ahnenforschung zu betreiben. Denn: Wie Frank Pszczonka und sein Bruder George erst nach dem Tod ihres Vaters erfahren hatten, sollen die beiden einen Halbbruder haben, der in der Zeit zwischen 1940 und 1948 bei Bräunlingen das Licht der Welt erblickte, so viel hat Frank Pszczonka bereits herausgefunden.
Es gibt nur wenige Hinweise
Aus Archivunterlagen geht hervor, dass Franciszek als Zwangsarbeiter auf einem Bauernhof in Bräunlingen schuftete. In Dokumenten sind auch Hinweise auf Behla und Donaueschingen als mögliche Einsatz- und Aufenthaltsorte aufgeführt.

Jetzt, im Alter von 67 Jahren, hat sich Frank Pszczonka voller Entschlossenheit auf die Suche nach seinem unbekannten Halbbruder gemacht, der heute schätzungsweise zwischen 76 und 84 Jahre wäre. Frank reiste von der Farm seiner Familie in Australien nach Donaueschingen und Bräunlingen, in der Hoffnung, dass hier weitere Hinweise auf die Geschichte seines Vaters und seines Halbbruders zu finden, etwa über eine Geburtsurkunde.
Doch das Fehlen digitalisierter Aufzeichnungen erschwerte seine Suche. Die Tatsache, dass keine Namen für seinen Halbbruder und die Mutter vorliegen, machte die Herausforderung nicht einfacher. Leider waren auch wichtige Unterlagen nach dem Tod des Vaters verloren gegangen.
Besuche in den Rathäusern von Donaueschingen und Bräunlingen brachten keine weiteren Erkenntnisse. Also wandte sich Frank Pszczonka an den SÜDKURIER, um so möglichst viele Menschen mit seinem Anliegen zu erreichen.
Gespräch mit Zeitzeuge
Bei einem Spaziergang durch Bräunlingen traf er zudem auf Michael Gut, der mit seiner Ortskenntnis einige Hinweise geben konnte. Er begleitete Frank Pszczonka auch zu einem Besuch bei Josef Ewald auf dem Palmhof, der noch Erinnerungen an die damalige Zeit hat. Michael Gut übersetzte das Gespräch.
Doch Josef Ewald konnte das Rätsel nicht lösen. Er erinnert sich zwar an einen polnischen Arbeiter auf dem Hof seiner Familie, damals noch im Stadtgebiet, doch das war nicht Franciszek. Mit dem Mann habe es ein freundschaftliches Verhältnis gegeben, er lebte und arbeitete am Hof, so Josef Ewald.

Das war nicht immer so. Arbeiter waren auch in Lagern untergebracht und wurden tagsüber zu den Arbeitseinsätzen transportiert. Am Ende des Austauschs mit Josef Ewald stand eine Vermutung im Raum, dass Franciszek Pszczonka möglicherweise in einem kleinen Hofladen in Bräunlingen gearbeitet haben könnte. Konkrete Hinweise fehlen aber.
Der Weg nach Australien
Nach dem Krieg eröffnete sich Franciszek Pszczonka der Weg in ein neues Leben. Mit einem in Lahr ausgestellten Pass reiste er zum Umsiedlungslager Bagnoli in Italien. Von dort aus ging es mit Unterstützung der Internationalen Flüchtlingsorganisation weiter nach Australien, jedoch ohne seinen Sohn, der zwischen 1940 und 1948 in der Gegend von Bräunlingen geboren sein muss, und auch ohne die unbekannte Mutter des Kindes. Warum er alleine fortging, das ist nicht bekannt.
In Brisbane fand Franciszek Trost und wagte einen Neuanfang. Er heiratete Katharina Nakovics, die im Krieg aus Ungarn vertrieben wurde. 1957 kam ihr Sohn Frank zur Welt, einige Jahre später Sohn George.

Auch der Vater begibt sich auf Suche
Wie Frank Pszczonka berichtet, lebte die Mutter von Franciszek in Polen jahrelang in Ungewissheit, ob ihr Sohn noch am Leben ist. 1974 sei es dann zu einem ergreifenden Wiedersehen gekommen, nur wenige Tage vor ihrem Tod.
Außerdem soll sein Vater in dieser Zeit bei einer Reise nach Baden-Württemberg Kontakt zu seinem zurückgelassenen Sohn und dessen Mutter aufgenommen haben. Davon hatten Franciszeks australische Söhne jedoch erst nach seinem Tod 1995 erfahren.

Jetzt hofft Frank Pszczonka, dass sich sein Hilferuf möglichst weit verbreitet und Menschen erreicht, die einen entscheidenden Hinweise geben können. Zurück in Australien freut er sich über Zuschriften unter der E-Mail-Adresse Pszczonka_7@hotmail.com.