Steht die Region vor einem Arbeitskampf? Ende September 2024 ist der Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie ausgelaufen. Zwei Jahre galt das Verhandlungsergebnis.
Die Gewerkschaft IG Metall fordert trotz angespannter Wirtschaftslage jetzt höhere Reallöhne. Sieben Prozent mehr sollen es für die Beschäftigten werden. Die Ausbildungsentgelte sollen ein Sprung von 170 Euro machen.
In einem Hintergrundgespräch erläutern Thomas Bleile und Angela Linsbauer, was das für den Geschäftsstellenbereich Villingen-Schwenningen bedeutet.
Aufschwung durch Konsum
Die Höhe der Forderungen halten sie für völlig angemessen. „Ein Verzicht würde aus unserer Sicht den Aufschwung 2025 gefährden“, sagt Thomas Bleile. In der Vergangenheit hätten steigende Realeinkommen zu einer besseren Konjunktur geführt. „Weil die Menschen mehr kaufen.“

Den Unternehmen in der Region gehe es zwar nicht gut – das zeigten auch Befragungen unter den Betriebsräten -, dafür seien aber nicht die Lohnkosten der Grund. So die Einschätzung des Ersten Bevollmächtigten der Gewerkschaft.
Die Tarifkommission habe sich auf sieben Prozent geeinigt, ein Kompromiss aus den jeweiligen Vorstellungen der Tarifregionen. „Das entspricht unserer Einschätzung, was wir fordern können, wie das in der Öffentlichkeit ankommt und was die Arbeitgeber leisten können“, sagt Bleile.
Was sieben Prozent bringen
Für den Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Harald Marquardt, wäre eine Nullrunde angemessen – oder weniger. „Wie soll ich mir das vorstellen, müssen die Mitarbeiter dann noch Geld mitbringen?“, wundert sich Bleile über die Gegenforderung der Industrie.
Allerdings schätzen auch 60 Prozent der Betriebsräte gegenüber der Gewerkschaft die Konjunktur als schlecht oder sehr schlecht ein. „In normalen Jahren ist das umgekehrt“, räumt Bleile ein. Die Kurzarbeitquote in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg sei dreimal höher als in Deutschland gesamt.
Vielleicht gleicht die IG-Metall-Forderung auch deshalb gerade mal die Inflation im Zeitraum der vergangenen Tarifdauer aus. Laut Statistischem Bundesamt lag die Teuerung nämlich bei 5,9 Prozent, im September 2024 bei 1,6 Prozent. Von Erhöhung der Reallöhne also so gut wie keine Spur.
Ausbildung braucht Attraktivitätsturbo
Das sieht beim Nachwuchs deutlich anders aus. Die Anhebung der Lohnentgelte um 170 Euro ab dem ersten Ausbildungsjahr käme einer Steigerung von zwölf bis 15 Prozent gleich, rechnet Angela Linsbauer vor. Die Gewerkschaftssekretärin ist für die Themen Jugend und Auszubildende zuständig.

„Das wäre ein Attraktivitätsturbo für die Metall- und Elektrobranche“, sagt sie. Und den brauche es dringend. „Wir stehen bei den Löhnen für Auszubildende nicht mehr an erster Stelle“, sagt Linsbauer. Die Branche sei inzwischen unter anderem von den Pflegeberufen überholt worden. „Selbst Aldi zahlt mehr“, sagt die IG-Metallerin.
Die Zielgruppe der unter 18-Jährigen gebe es nicht mehr. Entschieden sich 1993 immer noch 68 Prozent der Berufseinsteiger für eine Ausbildung, seien es 2021 nur 41 Prozent gewesen.
Junge Leute setzen aufs Studium
„Viele entscheiden sich nach der Schule für ein Studium oder ein Duales Studium“, sagt die Gewerkschaftssekretärin. Darunter auch viele junge Leute, die später in die Industrie wollten. „Denen raten die Eltern aber dazu, weil sie dann später mit höheren Löhnen einsteigen können.“
„Den Firmen in der Region ist es nicht gelungen zu zeigen, dass sie noch eine Zukunft haben“, findet Bleile. Angesichts der hohen Abhängigkeit von der Autoindustrie überlegten die Jugendlichen, ob die Betriebe für sie der richtige Platz seien.
Bremsen sich die Unternehmen selbst?
Generell kritisiert der Erste Bevollmächtigte, dass manche Unternehmen die Transformation schlichtweg verschlafen hätten. Qualifizierung, Weiterbildung, Zukunftsperspektiven jenseits des Verbrennermotors – all das komme zu kurz. Meist, weil Geld und Personal dafür fehlen.
„Unsere Betriebe sind zu konservativ und werden durch ihre eigene Vorsichtigkeit gebremst“, sagt er. „Aus meiner Sicht haben wir eher eine Strukturkrise und keine Konjunkturkrise.“ Für ihn ein Grund mehr, an den Tarifforderungen festzuhalten.