Die Tüftler der Bergstadt bekommen eine große Bühne: Das Phonomuseum zeigt, wie kreativ die Firmen schon früher agierten. Ein Londoner Glockenschlag war aufgrund einer solchen Erfindung in Tischuhren erzeugbar. Metallbaukästen und Spielzeug-Eisenbahnen wurden für den französischen Markt hergestellt. Diese heute vergessenen Leistungen werden nun gewürdigt. Die Ausstellung läuft.

Revolutionäre Entwicklungen

Die St. Georgener Firmen Gebrüder Staiger und Kundo haben sich ihren Namen einst hauptsächlich mit der Produktion von Uhren, Quarzwerken und Messgeräten erarbeitet. Heute weiß kaum noch jemand, dass die beiden Unternehmen einst auch Spielzeug produziert und eine revolutionäre Erfindung gemacht haben. Im Deutschen Phonomuseum erinnert eine Sonderausstellung daran.

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Not macht erfinderisch. Dieses Sprichwort traf auch auf die Firma Gebrüder Staiger zu. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 suchte der Betrieb, der bis dahin hauptsächlich Zubehör für Rundfunkgeräte, Isoliermaterial sowie feinmechanische und elektrotechnische Maschinen produzierte, nach neuen Geschäftsfeldern und Produkten, die mit den noch vorhandenen Werkzeugen und Maschinen hergestellt werden konnten.

Klaus Kaiser vom Arbeitskreis Phonomuseum neben einer Vitrine mit Mignon-Spielzeug, das die Firma Staiger in den Nachkriegsjahren ...
Klaus Kaiser vom Arbeitskreis Phonomuseum neben einer Vitrine mit Mignon-Spielzeug, das die Firma Staiger in den Nachkriegsjahren hergestellt hat. | Bild: Sprich, Roland

Klaus Kaiser vom Deutschen Phonomuseum erklärt, wie es dazu kam, dass die Firma Staiger eine Zeit lang Kinderspielzeug produzierte. „Der Überlieferung nach hat damals ein französischer General, St. Georgen war Teil der französischen Besatzungszone, ein Weihnachtsgeschenk für seine Kinder gesucht und wurde kaum fündig.“ Das brachte den Firmeninhaber auf die Idee, Kinderspielzeug zu produzieren.

Diese Spielzeugeisenbahn aus Kunststoff hat die Firma Staiger früher hergestellt. Heute sind die noch exisiterenden Exemplare begehrte ...
Diese Spielzeugeisenbahn aus Kunststoff hat die Firma Staiger früher hergestellt. Heute sind die noch exisiterenden Exemplare begehrte Sammlerstücke. | Bild: Sprich, Roland

Zunächst entstanden elektrifizierte Schmalspur-Modelleisenbahnen, deren Lokomotiven und Waggons aus Kunststoff auf den noch vorhandenen Spritzgussmaschinen hergestellt wurden. Auch einen kleinen Bahnhof, einen Tunnel und ein Stellwerk gab es.

Marktgerechter Produktname

Da der französische Markt als Zielgruppe ausgesucht wurde, gab man dem Spielzeug einen französischen Namen. Unter der Bezeichnung „Mignon“, was für klein und niedlich steht, wurden die Modelleisenbahnen ab 1947 erfolgreich produziert und vertrieben. Etwa 10.000 Starterpakete mit kleinem Schienenkreis wurden in der Bergstadt hergestellt.

Die Produktpalette wurde um einen Metallbaukasten erweitert, der ebenfalls unter der Bezeichnung Mignon vertrieben wurde.

Aus Stanzüberbleibseln, produzierte die Firma Staiger auch Teile für Metallbaukästen, aus denen sich eine Vielzahl von Objekten ...
Aus Stanzüberbleibseln, produzierte die Firma Staiger auch Teile für Metallbaukästen, aus denen sich eine Vielzahl von Objekten herstellen ließ. | Bild: Sprich, Roland

„Hierfür wurden aus Metallresten Stücke herausgestanzt und gebogen“, schildert Kaiser. Aus den unterschiedlich langen und breiten, gelochten Metallstücken konnten Autos, Windmühlen oder sogar ein Flugzeug gebaut werden. Der Kreativität der Kinder waren, auch durch weitere Zubehör wie Reifen und Räder, kaum Grenzen gesetzt.

Ein Original Mignon-Metallbaukasten für Kinder der Firma Staiger. 1953 musste die Produktion nach einem Rechtsstreit wegen angeblicher ...
Ein Original Mignon-Metallbaukasten für Kinder der Firma Staiger. 1953 musste die Produktion nach einem Rechtsstreit wegen angeblicher Patentverletzung mit der Firma Märklin eingestellt werden. | Bild: Sprich, Roland

1953 kam es zu einem Rechtsstreit aufgrund des Vorwurfs wegen angeblichen Patentverletzungen gegenüber der Firma Märklin. Daraufhin wurde die Produktion von Modelleisenbahnen und Metallbaukästen eingestellt. Die Firma Staiger machte sich bald darauf einen Namen als Uhrenhersteller und war ab Anfang der 1970er-Jahre Pionier in der Herstellung von präzisen Quarz-Uhrwerken.

Ein Flugzeug, hergestellt aus den Teilen des Mignon-Metallbaukastens. Solche und andere Objekte sind in der Sonderausstellung im ...
Ein Flugzeug, hergestellt aus den Teilen des Mignon-Metallbaukastens. Solche und andere Objekte sind in der Sonderausstellung im Deutschen Phonomuseum in St. Georgen zu sehen. | Bild: Sprich, Roland

Wenngleich es demnach seit mehr als 70 Jahren keine Mignon- Modelleisenbahnen und Metallbauästen von der Firma Staiger gibt, so sind einige Exponate bis heute erhalten. „Erhaltene Baukästen und Eisenbahnen sind heute begehrte Sammlerobjekte“, sagt Klaus Kaiser.

Kundo und der berühmte Gong

Ein weiterer Teil der Jahres-Sonderausstellung 2025 im Deutschen Phonomuseum ist der Firma Kundo gewidmet. Mit dem Fokus auf einer Erfindung des Firmengründers. Johann Obergfell stammte aus dem Stockwald und war gelernter Uhrmacher.

Aufgrund seiner aktiven Mitgliedschaft und Mitbegründung des SPD-Ortsvereins wurde ihm 1897 von seinem bisherigen Arbeitgeber Mathias Bäuerle gekündigt. 1899 machte sich Obergfell zusammen mit Georg Kieninger selbstständig. Die Firma hieß Kieninger und Obergfell, später wurde der Name abgekürzt: Seither heißt es Kundo.

Acht Stäbe machen es möglich

Johann Obergfell entwickelte einen Stabgong, für den er im Jahr 1900 einen Gebrauchsmusterschutz anmeldete. „Der Stabgong bot einen schöneren Klang und ermöglichte eine größere Tonvielfalt“, erklärt Klaus Kaiser. Demnach ist es durch einen Stabgong mit bis zu acht Stäben beispielsweise möglich, den sogenannten Londoner Westminsterschlag in Wand-, Tisch- und Standuhren nachzuahmen.

Klaus Kaiser mit einem Stabgong, mit dem eine größere Tonvielfalt ermöglicht ist.
Klaus Kaiser mit einem Stabgong, mit dem eine größere Tonvielfalt ermöglicht ist. | Bild: Sprich, Roland

Der Stabgong sollte nicht die einzige Erfindung in der bis heute 125-jährigen Geschichte der Firma Kundo bleiben. Nach einer Epoche der Uhrenproduktion, der Herstellung von Systemen zur Reinigung von Bierleitungen für die Gastronomie folgte die Entwicklung von Geräten zur Erfassung der Heizkosten.

Es kam im Laufe der Zeit zu mehreren Namensänderungen. Heute nennt sich das Unternehmen Kundo xT (für Kundo Extended Technologies) und stellt Alarm-Systeme für die Überwachung von gefährlichen Gasen her – speziell in nicht natürlich belüfteten Räumen. Die GmbH wird in fünfter Familiengeneration von Tilmann Obergfell geleitet.

Ein Überblick über die Produkte der Firma Kundo, die sich heute auf die Entwicklung von Gas-Alarm-Systemen spezialisiert hat.
Ein Überblick über die Produkte der Firma Kundo, die sich heute auf die Entwicklung von Gas-Alarm-Systemen spezialisiert hat. | Bild: Sprich, Roland