VS-Villingen – Der Monat Januar steht in der Doppelstadt ganz im Zeichen der Stolpersteine. Die Pflastersteine, mit einer oben angebrachten Gedenktafel aus Messing, erinnern jeweils an einen Menschen, der durch die Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurde. Seit dem Jahr 2004 gibt es auch in Villingen-Schwenningen Bestrebungen, solche Gedenksteine vor Häusern zu verlegen, wo die jüdischen Familien vor der Verfolgung gelebt hatten. Zwei Mal waren solche Anläufe im Gemeinderat gescheitert und auch einige Hausbesitzer wehrten sich beharrlich dagegen. Daran konnte auch der 2014 gegründete Verein bislang nichts ändern. Erst seit November diesen Jahres keimt wieder Hoffnung. 23 Gemeinderäte aus mehreren Fraktionen brachten das Thema mit einem gemeinsamen Antrag erneut auf den Tisch. Schon am 29. Januar sollen die Räte erneut abstimmen. Die Chancen auf eine Mehrheit für die Verlegung stehen gut.
Aus diesem Grund wird der SÜDKURIER in Zusammenarbeit mit dem Verein Pro Stolpersteine dieses traurige Kapitel der Stadtgeschichte im Januar aufgreifen und die Schicksale der jüdischen Bürger aufzeigen. An sechs Abenden, immer dienstags und freitags ab 18.30 Uhr, findet zudem an den geplanten Verlegeorten eine Gedenkveranstaltung statt. „Wir bringen dann immer die Stolpersteine mit, die an diesen Häusern verlegt werden sollen und die wir bereits haben“, erklärt Vereinsvorsitzender Friedrich Engelke. Fünf weitere Gedenksteine für weitere Opfer aus Villingen seien bereits bestellt, nachdem auch deren Schicksale vom Verein aufwändig aufgearbeitet und recherchiert wurden.
„Für diese Menschen werden wir symbolisch einen Ersatzstein vor Ort zeigen“, so Engelke weiter. Zum Auftakt der Gedenktreffen werden Musiker ein Stück vortragen. Nach einer Begrüßung der Anwesenden stellen Vereinsmitglieder die Häuser und die Biografien der Opfer vor. Mit dabei sind meist auch die Paten für die Stolpersteine, die sich in Zukunft um deren Erhalt und Pflege kümmern werden. Für einige Termine haben auch Nachfahren der Opfer ihre Teilnahme zugesagt, so zum Beispiel Pierre Bikart mit seiner Familie. Er ist der Enkel von Louis Bikart, der ein Mitbegründer des Fußballvereins FC 08 Villingen war. Louis Bikart wurde 1942 deportiert und später in Auschwitz ermordet. Auch einige von den heutigen Hausbesitzern wollen an den Veranstaltungen teilnehmen.
„Bis auf einen Hausbesitzer haben alle einer Verlegung der Stolpersteine vor ihren Häusern zugestimmt“, freut sich Engelke über den langsam bröckelnden Widerstand gegenüber den Stolpersteinen. Mit einer ausführlichen Berichterstattung wird der SÜDKURIER die Veranstaltungen begleiten und die Schicksale der Opfer und Familien nachzeichnen.
Der Förderverein hat es sich zum Ziel gesetzt, die Schicksale von jüdischen Familien und anderen Opfern des Nationalsozialismus in Villingen-Schwenningen zu recherchieren, zu dokumentieren und publik zu machen. Außerdem setzen sie sich für angemessene Gedenkformen für diese Opfer aus Villingen-Schwenningen ein. Seit 2013 veranstaltet der Verein regelmäßig Mahnwachen, um sich für die Verlegung der Stolpersteine stark zu machen. Die Stolpersteine sind ein Kunstprojekt von Gunter Demnig, welches bereits 1992 begann. Im Oktober 2018 verlegte er in Frankfurt seinen 70 000sten Stein. Sollte der VS-Gemeinderat Ende Januar zustimmen, könnte die Verlegung frühestens in einem halben Jahr beginnen. So lange ist die Warteliste des Künstlers.