Eigentlich sollte es nur um eine Blitzersäule mehr gehen in der Stadt, vielleicht sogar um zwei. Jetzt verliert Villingen-Schwenningen aber sogar eine noch gar nicht gebaute Tempomessanlage. Und auch ansonsten kam es ganz anders.
Geführt wurde die Debatte um Verkehrssicherheit, Bekämpfung von Raserei und Amortisierung der gefürchteten Geschwindigkeitsmessgeräte im Verwaltungs- und Kulturausschuss. Dessen Mitglieder hatten sich zur 16. Sitzung in der Neuen Tonhalle getroffen.
Gremium sitzt am finanziellen Hebel
Die Gemeinderäte können zwar nicht direkt über Verkehrsmaßnahmen entscheiden, haben aber die Hoheit über die städtischen Finanzen. Und wie sich im Laufe der Sitzung zeigte, haben die gewählten Volksvertreter durchaus die Macht, die spätere Ausführung mitzugestalten.
Unter Punkt 3.5 der Tagesordnung fand sich ein Beschlussantrag zur Finanzierung einer stationären Geschwindigkeitsmessanlage im Haushalt 2026/2027. Installiert werden sollte eine Blitzersäule an der Schwenninger Steig.
Warum wird über die Steig diskutiert?
Anlass waren mehrere schwere Unfälle im Bereich der engen Kurve auf Höhe der Sonnhalde. Im Juli 2019 kam es beim Zusammenstoß zweier Autos zu drei Toten – darunter ein Baby. In der Vergangenheit waren viele der Unfälle auf diesem Streckenabschnitt auf überhöhte Geschwindigkeit zurückgeführt. Aber stimmt das überhaupt?

Ralf Glück, Leiter des Bürgeramtes, ist anderer Ansicht. Über die vergangenen zehn Jahre hinweg habe es auf dem Streckenabschnitt außerorts lediglich 25 Unfälle gegeben, nur fünf davon seien im Zusammenhang mit dem Thema Geschwindigkeit gestanden. „Das sind keine so hohen Zahlen“, sagte Glück den Gemeinderäten in der Ausschusssitzung. „Jeder Unfall ist einer zu viel, aber das ist kein Unfallschwerpunkt.“ Messungen im Hebst hatten gezeigt, dass dort auch kaum gerast wird.
Oberbürgermeister Jürgen Roth verwies auf andere Stellen in der Stadt, bei denen ebenfalls darüber nachgedacht werde, Tempoverstöße einzudämmen. Dazu zählen drei Abschnitte des Villinger Innenrings – Klosterring, Benediktinerring und Romäusring. Dort waren im 30er-Bereich bis zu Tempo 114 gemessen worden.
Schnelleres Geld mit schnellen Autos
Und die beiden sprachen auch das Thema der Refinanzierung an. Eine stationäre Anlage sei den Verkehrsteilnehmern bekannt, was zu einer geringeren Verstoßquote führe. Oder anders ausgedrückt: Ortskundige Autofahrer bremsen rechtzeitig ab und beschleunigen kurz nach dem Blitzer wieder.
Das Beispiel des Ortsteils Weigheim zeige, dass es in solchen Fällen Jahre brauche, bis das Geld für die Investition wieder hereinkomme.
Als Option zeigte Roth die Anschaffung eines dritten Blitzeranhängers (Enforcement Trailer) auf. Als Dauerlösung war dieser im Beschlussantrag noch ausgeschlossen worden.
OB bringt neue Idee ins Spiel
Vorteile sieht Roth dabei in der Flexibilität. Seine Idee: Das Gerät soll unter der Prämisse gekauft werden, dass es exklusiv an fünf neuralgischen Punkten eingesetzt wird. Neben der Steig wären das die Marktstraße in Schwenningen sowie die drei genannten Teile des Villinger Innenrings.
Anders als eine stationäre Säule könne ein Anhänger an verschiedenen Stellen und zu beiden Seiten der betreffenden Streckenabschnitte eingesetzt werden. Die Stadtverwaltung geht deshalb davon aus, dass sich so ein Enforcement Trailer schnell von selbst bezahle.
Ein wichtiger Punkt bei der Entscheidung zwischen mobil und stationär, denn der Messanhänger kostet mit 208.000 Euro in der Anschaffung gut 100.000 Euro mehr als eine Blitzersäule. Also fast das Doppelte.
Freie Wähler pochen auf erzieherischen Effekt
Die von der Stadtverwaltung vorgelegte Lösung mit einem stationären Blitzer an der Steig lehnte Ulrike Merkle im Namen der Grünen ab. Die Partei sehe dringenden Handlungsbedarf, gehe aber davon aus, dass eine mobile Anlage mehr bringe.
Das sah Ulrike Heggen von den Freien Wählern auch so. „Der erzieherische Effekt ist bei einem mobilen Blitzer ebenfalls vorhanden“, sagte sie. „Und es werden sich weitere Stellen auftun.“
SPD will Geld im Haushalt suchen
Nicola Schurr (SPD) stimmte dem Gedanken zu: „Es gibt in der Stadt verschiedene Unfallschwerpunkte und wir sollten alle überwachen.“ Die SPD-Fraktion wolle schnell reagieren. Die Verwaltung solle daher Finanzierungsmöglichkeiten im Haushalt 2024/2025 suchen, um eine frühere Anschaffung zu ermöglichen.
Michael Steiger sprach sich für die FDP-Fraktion für die mobile Lösung aus.
An der stationären Anlage hielt hingegen die AfD fest. „Wir wollen 24 Stunden am Tag eine Verkehrsüberwachung haben“, sagte Olaf Barth. Die weithin sichtbare Säule sei dafür das richtige Mittel.
Verschiedene Konzepte bei CDU und Grünen
Das Argument von Katharina Hirt von der CDU pro stationärer Messung lautete: „Die Geschwindigkeit soll an diesem Punkt dauerhaft reduziert werden.“ Für ihren Parteikollegen Dirk Sauter war die Berechenbarkeit der Maßnahme genau der gewünschte Effekt. „Dass man danach wieder Gas geben kann, das funktioniert auch bei mobilen Blitzern“, sagte er.

Armin Schott von den Grünen ergänzte zum Thema: „Es verbietet uns ja niemand, die Einsätze des Trailers ungleich auf die fünf Standorte zu verteilen.“ Sprich: Der Blitzeranhänger könnte schwerpunktmäßig an der Steig eingesetzt werden.
So entscheidet der Verwaltungsausschuss
Mit neun Ja- und sieben Nein-Stimmen sprach sich der Ausschuss schließlich für das mobile Konzept aus. Jürgen Roth kündigte an, vor der endgültigen Entscheidung im Gemeinderat am 19. März zu berichten, ob das Geld bereits im aktuellen Gemeinderat zur Verfügung steht. „Oder ich sage Ihnen, was sie streichen können.“
Da zu den fünf geplanten Standorten für den Enforcement Trailer auch die Schwenninger Marktstraße gehört, muss das Gremium die für dort vorgesehene Blitzersäule auf jeden Fall streichen. Kleiner Schönheitsmakel: Dadurch werden keine 108.000 Euro frei. Das Gerät wäre erst im Haushalt 2025/2026 eingestellt worden.