Radsport: – Steigen Nachwuchssportler in die höhere Altersklasse auf, stehen sie naturgemäß vor neuen, besonderen Herausforderungen. Die Felder werden größer, die Rennen länger, anspruchsvoller und die Konkurrenz-Situation ändert sich. Vor dieser Situation stand auch Finja Lipp von der SG Rheinfelden vor der Saison 2022, die sie erstmals in der U23-Klasse bestreitet.
In der letzten Klasse ehe es zur Elite geht, kommt hinzu, dass sich nicht – wie bei den Junioren – zwei Jahrgänge um die Spitzenplätze streiten, sondern deren vier. Deshalb war und ist es immer noch das Credo, erst einmal zu lernen und sich zurecht zu finden.
Nach dem fünften von neun Läufen im Mountainbike-Weltcup hätte für Finja Lipp in Lenzerheide das Halbzeit-Fazit kaum besser ausfallen können. Ihre Analyse spiegelt der 15. Platz, den die Rheinfelderin im Trikot des Profiteams „Ghost Factory Racing“ in den Schweizer Bergen eingefahren hat.

Tatsächlich hätte das Resultat vor der Saison bei ihr viel Begeisterung ausgelöst. Nun war es allenfalls noch Zufriedenheit, verbunden mit der Erklärung, warum es nicht so perfekt gelaufen sei: „Es war eine komplizierte Woche nach der Europameisterschaft. Wegen eines Corona-Falls im Nationalteam kamen zum Reisestress auch noch einige Corona-Tests, was ziemlich belastend war.“
Dazu gesellte sich ein schwieriges Rennen in ungewohnter Höhenlage. Ab 1500 Meter, wie in Lenzerheide, ist der reduzierte Sauerstoff zu spüren. Das machte die Aufgabe bei der Renneinteilung deutlich anspruchsvoller.
Das bekam Finja Lipp aber sehr gut hin. Nach einem perfekten Start konnte und wollte sie das hohe Tempo der Spitzengruppe nicht mitgehen. Im Ergebnis brachte das konstante Rundenzeiten, die sie am Ende mit 5:46 Minuten Rückstand auf Siegerin Sofie Pedersen(Dänemark) nach einer Fahrzeit von 1,11:46 Stunden – als beste Deutsche – auf den 15. Rang führten. „Aber wenn man schon mal Neunte war und den Deutschen Meistertitel gewonnen hat, dann steigen die eigenen Ansprüche – auch wenn Rennen und Ergebnis eigentlich super waren“, so Finja Lipp nach dem Rennen.
Am positiven Fazit zur Saison-Halbzeit ändert das nichts: „Einfach genial! Das hätte ich mir Anfang des Jahres nicht vorstellen können, dass es so gut laufen würde“, freut sich die 19-Jährige, die auch ihren souveränen Auftritt bei den Deutschen Meisterschaften nicht erwartet hatte: „Es war schon mein Ziel, dort den Titel zu holen, auch weil die Konstellation günstig war. Dass es aber so deutlich gelingen würde, hätte ich nicht gedacht.“

Die Gründe für ihren gelungen Einstieg in der U23 sieht Finja Lipp, über deren Erfolge an der Seite ihres Bruders Miron der SÜDKURIER schon im Herbst 2015 berichtete, nach ihrem Abitur pragmatisch: „Ich habe mehr Ruhe, mehr Konzentration auf den Sport und mehr Support“, so Finja Lipp, die mit Beginn ihres Studiums nach Freiburg umgezogen ist. Hier stehe für sie der Sport nun im Mittelpunkt: „Das bedeutet zwar auch mehr Training, aber auch mehr und bessere Erholung.“

Ein wesentlicher Punkt ist für Finja Lipp das Ghost Profiteam: „Es bietet mir ein perfektes Umfeld und vor allem die Möglichkeit, von den erfahrenen und erfolgreichen Fahrerinnen zu lernen“, freut sie sich über den Austausch mit den Team-Kolleginnen, wie der Niederländerin Anne Terpstra, die schon „ewig“ dabei ist, 2021 WM-Zweite wurde und 2019 den Weltcup in Andorra gewonnen hat: „Das bringt mir sehr viel und motiviert mich enorm.“
Weltcup am Sonntag in den Pyrenäen
In Andorra geht morgen für Finja Lipp das nächste Weltcuprennen über die Bühne. Auf gut 1900 Metern werden die Luft noch dünner und die Anstiege in den Pyrenäen deutlich steiler, als zuletzt in der Schweiz. Terpstras Tipps und Erfahrungen können sich als doppelt wertvoll erweisen.

Nach dem Rennen fokussiert sich die Aufmerksamkeit auf die Weltmeisterschaft, die am 28. August in Les Gets/Frankreich stattfindet. Aus diesem Grund verzichtet Finja Lipp auf die beiden Weltcups in Amerika. Schließlich hat sie für die U23-Gesamtwertung noch drei weitere Jahre Zeit.