Matthias Hoppe, es liegen turbulente Tage hinter den Schwenninger Wild Wings. Unter anderem wurden vergangenen Donnerstag vier Spieler abgegeben. Wie stehen Sie dazu?
Ich sehe es grundsätzlich als wirtschaftliche Entscheidung, da man ja nun sportlich nichts mehr erreichen kann. Diese wirtschaftliche Entscheidung kann ich nachvollziehen, zumal sie ja auch nicht zum Nachteil der jungen Spieler ist. Die Jungen engagieren sich toll, und das gefällt mir sehr.
Sie sehen also keine Wettbewerbsverzerrung?
Man kann das sicher so sehen. Aber die beiden Spiele am Wochenende gegen Köln und Nürnberg haben gezeigt, dass dem nicht so ist. Gerade die jungen Spieler sind im Moment wirklich super. Sie zeigen unheimlich guten Einsatz und Kampfgeist. Sicherlich fehlen ihnen noch die Scorer-Qualitäten, die vielleicht die abgegebenen Spieler haben. Da mangelt es den Jungen natürlich an Erfahrung. Andererseits zeigen sie das Engagement, das ich von dem ein oder anderen erfahrenen Spieler in dieser Saison öfter vermisst habe. Ich sehe im Moment eine intakte und kompakte Mannschaft, die sicherlich manchem Gegner noch ein Bein stellen kann.
Erstaunlicherweise spielen die Wild Wings jetzt fast besser als vorher. Wieso geht es jetzt plötzlich mit den Jungen, und wieso ging es vorher nicht?
Es ist leider immer das gleiche Ritual, dass sich die Jungen hinten anstellen müssen. Es wird bis zum bitteren Ende mit den sogenannten Stars gespielt, und die Jungen haben zu warten.
Sie hätten also durchaus mal den ein oder anderen „Star“ im Schwenninger Team auf die Tribüne gesetzt?
Das war schon immer meine Meinung. Ich hätte Spieler, die schon seit Wochen oder Monaten in der Kritik sind, auf die Tribüne gepackt. Wenn ein Mitarbeiter in meinem Betrieb keine Leistung bringt, bekommt er eine Abmahnung. Er hat dann die Wahl, ob er positiv darauf reagiert und sich verbessert, oder er ist raus. Ich kann mich gut erinnern, dass mich ein Doc Benzing zu meinen besten Zeiten mal abends vor der Halle abgefangen und mir gesagt hat: „Matthias, ich muss mal mit dir reden.“ Ich war total erschrocken, als er da in der Dunkelheit plötzlich vor mir stand und sagte: „Du gefällst mir in letzter Zeit gar nicht mehr. Du bringst nicht die Leistung, die ich von dir gewohnt bin.“ Im ersten Moment habe ich in meiner Arroganz gedacht, was will er denn von mir? Aber im Nachhinein bin ich ein bisschen rumgelaufen und habe über mich nachgedacht. Ich habe festgestellt, dass Doc Benzing absolut Recht hatte. Ich hatte nicht gut genug trainiert und bin ein bisschen überheblich geworden. Es war ein Wachrütteln, und dieses hätte ich mit den heutigen Spielern schon viel öfter und früher gemacht.
Sind die Verantwortlichen der Wild Wings demnach ein bisschen zu nett zu den Spielern?
Schwenningen stand immer für ein familiäres Verhältnis zwischen den Spielern, Verantwortlichen und den Fans. Früher war man sehr nah beieinander, hatte aber auch eine klare Zielvorgabe. Es hieß immer, dass die Playoffs erreicht werden müssen. Und wir haben sie auch meistens erreicht. Heute möchte man offenbar nicht mehr so auf die Pauke hauen und versucht, Maßnahmen wie eine Abmahnung oder Verbannung auf die Tribüne zu vermeiden. Man hat schon relativ früh gesehen, dass es nicht so gut läuft. Da hätte es sicher zwei, drei Spieler gegeben, die einen Weckruf gut hätten vertragen können. In dieser Zeit hätte man wunderbar den jungen Spielern schon eine Chance geben können. Sie hätten schon damals diesen bedingungslosen Einsatz gezeigt, wie sie es jetzt auch tun. Das wäre ein klarer Hinweis an die anderen gewesen. Sollte nicht die richtige Reaktion erfolgen, dann bist du raus. Da merkt wirklich jeder Profi, dass er jetzt reagieren muss, sonst ist sein Job weg. Im Zweifelsfall muss man sich eben auch mal von einem Spieler trennen.
Wie sehen Sie den Allgemeinzustand der Wild Wings? Man hört, dass die Schwenninger ein wenig die Lachnummer der Liga sind, dass hier viele Fehler gemacht werden. Machen Sie sich Sorgen?
Man hatte von Anfang eine falsche Erwartungshaltung. Da wurde von Mitfavorit geredet und ähnlichem, und dann setzte es im ersten Spiel eine derbe 4:10-Niederlage gegen Ingolstadt. Davon haben sich die Spieler wochenlang nicht von erholt. Ich muss aber zugeben, dass auch ich absolut optimistisch war. Allerdings hat man bereits im ersten Spiel gesehen, woran es dem Team mangelt. Da gab es gravierende Aufbaufehler, dilettantische Pässe in der eigenen Zone. Gerade in der Verteidigung, die ein Spiel normalerweise steuert, ist die Mannschaft nicht gut genug besetzt. In den folgenden Wochen haben die Wild Wings genau das gezeigt, was sie eben können. Dass man damit Letzter wird, hatte ich dennoch nicht erwartet.
Schwenningen spielt nun im siebten Jahr wieder in der DEL, hat dabei nur einmal die Playoffs erreicht und wird vermutlich zum vierten Mal die Saison als Schlusslicht beenden. Was läuft hier falsch?
Spieler, die auf dem Markt sind, sind aus einem bestimmten Grund auf dem Markt. Sie haben woanders keinen Vertrag bekommen und dafür gibt es in der Regel einen Grund. Fakt ist aber auch, dass Schwenningen Probleme hat, Spieler zu holen, die auch woanders begehrt sind. Man sollte sich dennoch die Mühe machen, andere Spieler irgendwo wegzulotsen. Diese haben dort bewiesen, was sie leisten können. Für diese gezielten Abwerbungen lohnt es sich, Geld in die Hand zu nehmen. Dazu muss ich den Spielern auch eine Perspektive bieten. Früher waren das oft berufliche Perspektiven, heute muss es wahrscheinlich etwas anderes sein. Natürlich ist es sehr teuer, Leistungsträger wegzulotsen, aber in der Regel lohnt es sich. Ich will damit nicht sagen, dass man seitens der Wild Wings jetzt komplett die falschen Spieler geholt hat. Es sind aber zu wenige, die ein hohes Leistungsniveau haben. Jamie MacQueen zum Beispiel würde bei uns eigentlich immer noch den roten Helm des Topscorers tragen. Seit er weg ist, hat Pat Cannone den roten Helm, obwohl er kein Torjäger ist. Cannone ist ein guter Mittelstürmer, der ordentlich Bullys gewinnt und gute Pässe spielt. Das zeigt, dass die anderen Stürmer größtenteils nicht genug Potenzial haben.
Haben die Wild Wings nicht gut genug eingekauft?
Man hat sich auf dem Markt bedient und häufig einen großen Austausch vorgenommen. Wenn man nach der Saison eine Analyse macht und von 100 Prozent ausgeht, bringt ein ,normaler‘ Spieler in der Regel in einer Saison zwischen 85 und 90 Prozent. Natürlich gibt es Schwankungen, die können aber ausgeglichen werden. Davon ausgehend, sollte man einen Stamm von etwa 14 bis 15 Spielern halten. Dann hat die Leistung gestimmt. So muss man nur sechs bis sieben neue Profis holen, die bestenfalls die Lücken schließen. Wenn ein Klub jedoch 15 neue Spieler holen muss, dürfte klar sein, dass man keine 15 Topleute bekommt. Deshalb muss ich erst mal den Stamm zusammenhaben. Das sind normalerweise sechs bis sieben absolute Leistungsträger, dazu die guten Spieler und dann eben auch die ,Wasserträger‘. Die hatten wir früher übrigens auch im Team, da kamen sie allerdings aus dem eigenen Nachwuchs.
Sind Sie mit der Philosophie des neuen Sportdirektors, Christof Kreutzer, einverstanden, in Zukunft wieder mehr auf Spieler aus der Region, bestenfalls aus dem eigenen Nachwuchs, zu setzen?
Die Zahl muss im richtigen Verhältnis zu den Leistungsträgern stehen. Man kann einen jungen Spieler in einem Block mitlaufen lassen, so wie es jetzt gerade ja Boaz Bassen zeigt. Es ist unglaublich, was er mit 20 Jahren zeigt. Der fährt mit seinen 76 Kilo einen nach dem anderen an die Bande. Der Junge ist echt eine Sensation. Man kann ihn auch gut führen, deshalb kann man Bassen auch in eine Reihe mit Pat Cannone und Mike Blunden reinpacken. Das geht sicher auch mit vielen anderen jüngeren Spielern. Die Mischung muss stimmen.
Ab der nächsten Saison wird es in der DEL wieder einen Absteiger geben. Muss den Schwenninger Fans angst und bange werden?
Bange nicht, aber man muss jetzt schon schauen, dass man gezielt die richtigen Leute holt. Ich hoffe, dass unsere Sponsoren noch mal den Geldbeutel aufmachen, obwohl es diese Saison leider ein paar Fehlinvestitionen gab. Wir müssen dem neuen sportlichen Management und den Trainern vertrauen. Ein höheres sportliches Ziel auszugeben, halte ich für falsch. Nicht abzusteigen, allein das muss das Ziel der Wild Wings sein. Alles andere sorgt für zu viel Druck, und man hat in dieser Saison gesehen, dass es schwer ist, dem standzuhalten.
Fragen: Tina Fröhlich