Gaby Hauptmann, Hera Lind, Eva Heller: In den Neunzigerjahren prägten diese Namen ein ganzes Genre. „Neuer Deutscher Frauenroman“ nannte sich das Etikett, das vor allem in den Medien ihrer Literatur zugedacht wurde. Es stand für Titel wie „Beim nächsten Mann wird alles anders“ (Eva Heller), „Ein Mann für jede Tonart“ (Hera Lind) oder „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“ (Gaby Hauptmann). Was die drei auch publizierten, eine Platzierung unter den vordersten Plätzen der Bestsellerliste stand im Voraus fest. Neuer Deutscher Frauenroman, das war eine Garantie auf Erfolg. Diese Zeiten sind vorbei.
Hera Lind: Lange nichts mehr von ihr gehört. Eva Heller: Schon vor Jahren verstorben. Nur eine ist nach wie vor im Buchhandel prominent vertreten: Gaby Hauptmann. Wie erklärt sich das?
Wer eine Antwort finden will, muss erst den Neuen Deutschen Frauenroman verstehen. Doch das ist schwieriger, als man vermuten könnte. Denn so bemerkenswert die literarische Mode der Neunziger auch aus heutiger Sicht noch scheint: Wirklich analysiert und interpretiert wurde sie kaum. Zu den wenigen, die sich inhaltlich mit den Werken von Heller, Lind und Hauptmann befasst haben, zählt die im französischen Reims tätige Germanistin Helga Meise.
Die Erfolgsformel der Neunziger bringt sie wie folgt auf den Punkt: Es gehe in diesen Romanen um die Darstellung der Situation von Frauen und deren Einklagung des Rechts auf Selbstverwirklichung. Dabei werde die tatsächliche Situation der Frau keineswegs kritisch reflektiert, sondern als Klischee vorausgesetzt: berufstätig, attraktiv, selbstbewusst. Den Heldinnen sei alles erlaubt, „von beruflicher Selbstverwirklichung über spontane Liebesabenteuer, bis zu unhinterfragten Zickigkeiten“. Alle falschen Männer dagegen enthüllen ihre Charakterschwächen ganz von selbst. Der einzige Richtige winkt am Ende als verdienter Lohn: ein Märchenprinz.
Doch zum einen lässt sich dieser Ablauf zumindest aus heutiger Sicht nicht mehr als durchgehendes Strickmuster in Hauptmanns Schreiben bezeichnen. Zum anderen lässt sich gerade im weitgehenden Verzicht auf gesellschaftskritische Ambitionen eine Qualität ausmachen. „Gaby Hauptmanns Hauptfiguren sind nicht verstellt und nicht gekünstelt“, sagt Thomas Tebbe vom Piper-Verlag, langjähriger Lektor der Autorin: „Es sind Helden wie du und ich.“
Tatsächlich offenbare sich bei näherem Hinsehen ein sensibles Sensorium für zeitgemäße Themen. So wäre ihr zuletzt erschiener Roman „Die Italienerin, die das ganze Dorf in ihr Bett einlud“ noch vor zehn Jahren kaum vorstellbar gewesen: „Mit dieser selbstbewussten Haltung einer Frau, die sich eingesteht, dass Liebe nicht immer gleich stark ist.
“ Dieser bei Hauptmann neu auftretende Charakter sei Ausdruck einer gesellschaftlichen Strömung: „Er zahlt ein auf das Thema Achtsamkeit, das ja in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat.“
Dass Gaby Hauptmanns Erfolgsstrecke länger währt als bei mancher in den Neunzigern noch vielgerühmten Kollegin, mag sich in dieser Fähigkeit zur Reflexion gesellschaftlicher Veränderungen erklären. Tebbe freilich führt noch weitere Faktoren an. Wie kaum einer zweiten Autorin gelinge es ihr, eigene Titelwünsche zu formulieren und oft genug auch durchzusetzen. „Titel wie ‚Nur ein toter Mann ist ein guter Mann’ oder ‚Eine Hand voll Männlichkeit’ sind bei uns im Haus kontrovers diskutiert worden“, berichtet der Lektor: „Der Buchhandel ist eine wertkonservative Branche, da sind solche doch sehr plastischen Titel heikel.“ Der Erfolg gab der Autorin Recht.
Und schließlich dürfte auch ein dritter, sehr naheliegender Punkt für Hauptmanns nachhaltigen Erfolg entscheidend sein: Qualität. Es gebe in der sogenannten seriösen deutschen Gegenwartsliteratur ein paar Dutzend Autoren, die längst nicht über die handwerkliche Professionalität einer Gaby Hauptmann verfügten, schrieb einmal die Literaturkritikerin Ursula März in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Das Lob war verbunden mit Kritik: „Ein bisschen schade“ sei es schon, dass eine derart befähigte Autorin „nur witzig und amüsant sein“ wolle. Statt es einmal mit Anspruch zu versuchen.
Tebbe kennt diese Kritik, teilt sie aber nicht. „Wozu sollte sie ernste Literatur schreiben?“, fragt er. „Gaby Hauptmann hat sich noch nie verbogen, um irgendwelche Erwartungen zu erfüllen.“ Hinter dem, was sie schreibt, stehe sie auch. Wohinter sie aber nicht stehen könne, das schreibe sie auch nicht: So einfach kann Literatur sein.