Das Leichte ist meistens das Schwerste. Das gilt auch für die neue Seebühne der Bregenzer Festspiele. 1340 Quadratmeter Material ergießen sich über das Wasser – 117 Elemente aus Holz und Styropor, die sich mit 300 Tonnen Gewicht auf den See legen. Und doch sieht es aus, als wölbe sich bloß ein Blatt Papier im Wind.

„Wir möchten die Leichtigkeit eines dünnen Papierblatts vermitteln“, beschreibt Wolfgang Urstadt, der Technikdirektor der Bregenzer Festspiele, die Herausforderung bei der Umsetzung des neuen Bühnenbildes, das der Kanadier Michael Levine entworfen hat. Ab 20. Juli soll hier die Puccini-Oper „Madame Butterfly“ gezeigt werden. Regie führt der Intendant des Zürcher Opernhauses Andreas Homoki. Gestern war Richtfest.

Richtfest bei den Bregenzer Festspielen. Zum ersten Mal füllt sich die Bühne mit Menschen.
Richtfest bei den Bregenzer Festspielen. Zum ersten Mal füllt sich die Bühne mit Menschen. | Bild: Felix Kästle/dpa

Noch sieht man die Nahtstellen zwischen den einzelnen Elementen. Hier werden die Kascheure noch Detailarbeit leisten, um das Blatt, das an den Seiten schon sehr dünn wirkt, noch feiner erscheinen zu lassen. Auf dem überdimensionalen Papierbogen soll außerdem noch eine filigrane japanische Landschaftszeichnung entstehen. Nicht ohne Grund, denn die Handlung der Oper spielt sich in Japan ab.

Es ist die aufwühlende Geschichte der Geisha Cio-Cio-San, genannt Butterfly, die von dem amerikanischen Marinesoldaten Pinkerton emotional und sexuell ausgebeutet und dann verlassen wird. Er kehrt nur noch einmal zurück, um den gemeinsamen kleinen Sohn abzuholen.

Von Nahmen werden die Dimensionen der Bühne deutlich.
Von Nahmen werden die Dimensionen der Bühne deutlich. | Bild: Felix Kästle

Da ist also jemand, der die Emotionen eines anderen Menschen ausnutzt und mit Füßen tritt – genau diese Idee hat Michael Levine in eine Bühnenskulptur gegossen. Wie er beim Richtfest erklärt, wollte er ein Bild von Japan erschaffen, das zusammengeknüllt und entsorgt wird. Von einem „Spiegelbild der Seele“ spricht die Festspiel-Intendantin Elisabeth Sobotka. Es zeigt das Seelenleben von Cio-Cio-San, das von Pinkerton entwertet wurde.

Festspielintendantin Elisabeth Sobotka vor der Rückseite der Bühne.
Festspielintendantin Elisabeth Sobotka vor der Rückseite der Bühne. | Bild: Felix Kästle/dpa

Es gab in den vergangenen Jahren in Bregenz gewiss schon spektakulärere Seebühnen. Insbesondere dann, wenn der Mensch selbst in überdimensionaler Größe eine Rolle darin spielt. Man denke an den Clownskopf des „Rigoletto“, an die Hände der „Carmen“, das Auge der „Tosca“ oder den Oberkörper des „André Chenier“. In diesem Jahr, so sieht es aus, übt sich die Bühne in Zurückhaltung. Zumindest vordergründig. Auch wird sie wohl weitgehend statisch bleiben.

Dafür, so ist beim Richtfest zu erfahren, soll viel mit Projektionen und digitalen Bühneneffekten gearbeitet werden. Ein Zusammenspiel aus Skulptur, traumhaften Kostümen (geschaffen von Antony McDonald) und Lichteffekten soll entstehen.

Für Regisseur Andreas Homoki ist mit der Möglichkeit, auf dem See zu inszenieren, nach eigener Aussage ein Traum wahrgeworden. Vor allem die Möglichkeiten der 3D-Planung haben ihn fasziniert und wie schließlich die 117 separat angefertigten Bühnenteile millimetergenau aneinander passten. „Das kann man nur mit dem Flugzeugbau vergleichen“, sagt er begeistert.

Die Bühne möchte er in voller Größe bespielen. Daher gibt es weiter oben, wo man eigentlich nicht mehr stehen kann, Öffnungen. Man darf gespannt sein, was dort im Einzelnen passiert. Im Sommer werden wir es erfahren.