Lieber Michael,
es ist schon seltsam, doch der 29. Dezember 2013 ist ein Tag, den ich nicht vergesse. Und das obwohl ich mich nicht gut auskenne mit Ihrem Sport und aus dem Stegreif nicht weiß, wann und wo Sie genau sieben Mal Weltmeister wurden. Ich bin nicht einmal ein Fan von Ihnen gewesen. Doch dieser Tag, der zum schlimmsten Ihres Lebens wurde, geht mir nicht aus dem Kopf.

Niemals hätte ich gedacht, dass Sie nur ein Jahr nach Ihrem Rückzug aus dem Rennzirkus privat so schwer verunglücken könnten. Welche Tragik. Damals verschwanden Sie von einem Moment auf den anderen aus der Öffentlichkeit.
Ein halbes Jahr im künstlichen Koma
In Méribel wollten Sie den Jahreswechsel mit Ihrer Familie und Freunden feiern und am 3. Januar, Ihren Geburtstag. Es war ein sonniger Wintertag, so wie man ihn sich als Skifahrer nicht schöner wünschen kann, und Sie waren unterwegs mit Freunden und Ihrem Sohn Mick, der damals 14 war. Sie stürzten auf einem Stück zwischen zwei präparierten Pisten so unglücklich, dass Ihr Kopf auf einen Felsen prallte und Ihr Helm zerbarst. Sie erlitten ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, schwebten in Lebensgefahr und lagen ein halbes Jahr im künstlichen Koma. Neun Monate nach dem Unfall wurden Sie in Ihre Villa in Gland am Genfer See gebracht.
Auf Ihrer Homepage sehe ich bis heute den strahlenden Michael von früher. Ihre Frau, Ihre Managerin und Anwälte schirmen Sie ab, ganz nach Ihrem Credo, mit dem Sie zu genaue Fragen nach Ihrer Familie immer abgewehrt haben: „Privat ist privat“. Das ist gut so.
In der sehr sehenswerten Netflix-Doku über Ihr Leben sagt Ihr Sohn Mick, der jetzt auch in der Formel 1 fährt, wie „cool“ es wäre, sich mit Ihnen in der Motorsport-Sprache zu unterhalten. Dabei ringt er um Fassung. Ebenso wie Ihre Frau Corinna, als sie sagt: „Er fehlt mir jeden Tag. Wir machen alles, damit es Michael besser geht und gut geht und dass er unseren Familienzusammenhalt auch einfach spürt.“
Sie wären stolz auf Ihre Familie
Das zeigt, wie sehr Ihre Familie an Ihrer Seite ist, auch wenn die Tage schwer sind. Sie leben dieses neue Leben mit Ihnen. Sie wären stolz auf Ihre Frau, Ihren Sohn und Ihre Tochter Gina-Maria, die wie Ihre Frau erfolgreiche Westernreiterin ist. Sie sind ein so fröhlicher Mensch gewesen, konnten ausgelassen feiern, rumalbern mit Ihren Kindern.
Erzbischof Georg Gänswein hat nach einem Besuch bei Ihnen gesagt: „Man spürt, dass er Begegnungen wahrnimmt, dass er mit sich einen inneren Monolog führt. Man kann fühlen, dass die Nähe seiner Familie wichtig für ihn ist“.
Lieber Michael, auch wenn Sie sich vielleicht nicht mehr artikulieren können, bin ich sicher, dass Sie spüren, wie sehr Ihre Familie Sie liebt. Am 3. Januar werden Sie 53 Jahre alt. Bestimmt wird Ihre Familie diesen Tag mit Ihnen feiern – auch wenn ganz anders als früher.
Ich hoffe, dass Sie die innigen Momente auf Ihre Art genießen können. Vielleicht erleben Sie die Welt um sich herum ähnlich wie im Film, als Sie beim Tauchen durchs Wasser gleiten, Ihre Frau und die Kinder an der Hand und sich nur durch Berührungen verständigen. So nah und doch so fern. Ich wünsche Ihnen allen von Herzen viel Kraft auf Ihrem schweren Weg.