Die Maskenaffäre in der Union hat die immer wieder aufkommende Diskussion um Nebenverdienste neben dem Mandat als Bundestagsabgeordneter neu befeuert. Die Union bemüht sich um Aufklärung, doch der Imageschaden ist groß. Sechs Monate vor der Bundestagswahl lastet die Affäre schwer auf den Abgeordneten aus der CDU/CSU-Fraktion.

Grundsätzlich sind Nebenverdienste für Bundestagsabgeordnete nicht verboten. Sie sind allerdings verpflichtet, diese transparent zu machen. Dafür gibt es ein Stufensystem, nach dem sich die Abgeordneten richten müssen. Alle Einkünfte werden nach einem Stufenprinzip veröffentlicht. Es reicht von Stufe 1 (über 1000 Euro) bis Stufe 10 (über 250.000 Euro).

Abgeordnete, die Gesellschafter einer Personen- oder Kapitalgesellschaft sind und dort eine Tätigkeit ausüben, die üblicherweise bezahlt wäre, etwa geschäftsführender Gesellschafter, müssen dagegen ihre Anteile am Gesellschaftsgewinn als Einkünfte angeben. Ansonsten sind Einkünfte aus Beteiligungen an Kapital- oder Personengesellschaften allerdings nicht anzeige- und veröffentlichungspflichtig, wie aus den Verhaltensregeln für Bundestagsmitglieder hervorgeht.

Die Regeln sind also eigentlich klar. Doch wie gehen Abgeordnete in der Region damit um? Nutzen sie die Möglichkeit der Nebeneinkünfte aus oder konzentrieren sie sich auf ihr Mandat?

Die Mandatsgetreue

Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) ist neben ihrem Bundestagsmandat noch parlamentarische Staatssekretärin. Andere Nebenverdienste hat sie ...
Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) ist neben ihrem Bundestagsmandat noch parlamentarische Staatssekretärin. Andere Nebenverdienste hat sie aber nicht. | Bild: Susie Knoll

Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), Bundestagsabgeordnete aus dem Kreis Waldshut, ist da ein Musterbeispiel. Sie sagt: „Ich habe keine Nebeneinkünfte.“ Bei ihren zusätzlichen Tätigkeiten als Kuratoriumsvorsitzende der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), als Vorsitzende des Aufsichtsrates der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH sowie als Mitglied des Mittelstandsrates der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) „handelt es sich um Tätigkeiten von Amts wegen“, die sie im Auftrag des Bundesumweltministeriums ausübe. Dabei verzichte sie aber jeweils auf die Aufwandsentschädigungen.

Die Regeln hält sie für richtig und wichtig, fordert gar striktere Vorgaben: „Nebeneinkünfte von Abgeordneten sollten aus meiner Sicht auf Euro und Cent genau veröffentlicht werden“, sagt Schwarzelühr-Sutter.

Ihre Fraktion fordere zudem, dass Abgeordnete künftig auch angeben sollten, „wie viele Stunden diese Nebentätigkeiten im Monat oder im Jahr in Anspruch nehmen“. Und: „Entgeltliche Lobbytätigkeiten neben dem Mandat wie beispielsweise die Politikberatung in Lobbyagenturen oder Unternehmen sollten verboten werden.“

Der zeitweise Berater

Felix Schreiner, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Kreis Waldshut, war zeitweise als Berater einer Anwaltskanzlei im ...
Felix Schreiner, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem Kreis Waldshut, war zeitweise als Berater einer Anwaltskanzlei im nordrheinwestfälischen Hamm tätig. | Bild: Inga Haar

Felix Schreiner (CDU) bekam über das Portal abgeordnetenwatch.de eine Anfrage – ausgerechnet vom früheren Mitarbeiter von Schwarzelühr-Sutter, Dominik Schulze. Er weist auf Schreiners Angaben in der Pflichtveröffentlichung beim Bundestag hin, in der er eine Beratertätigkeit bei TeamSConsult aus seiner Heimatgemeinde Lauchringen und die Anwaltskanzlei Wolter Hoppenberg aus dem nordrheinwestfälischen Hamm nennt.

Schulze schreibt: „Diese Kanzlei deckt von der Immobilien- und Stadtentwicklung, Endlagersuche für Atommüll bis zur Afrikanischen Schweinepest ein breit gefächertes Portfolio ab. Leider habe ich auf Ihrer Homepage keinerlei Informationen zu dieser Nebentätigkeit gefunden.“

Schreiner reagiert prompt und stellt klar, dass die Beratertätigkeit für die Hammer Kanzlei „von vorneherein zeitlich begrenzt gewesen“ sei und in diesem Februar auslief. Er gibt an, nach „tatsächlichem Aufwand, sowie für entstandene Aufwendungen“ bezahlt worden zu sein. Daher sei die Tätigkeit mit der Stufe 1 auf der Webseite des Bundestags angegeben. „Seien Sie versichert, dass zu keinem Zeitpunkt eine Überschneidung zu den Aufgaben als Mitglied des Deutschen Bundestages bestanden hat“, ergänzt er.

Dem SÜDKURIER sagt er auf Nachfrage: Er habe „eine strategische und konzeptionelle Unterstützung zur künftigen Weiterentwicklung und betriebsinternen Abläufen des Unternehmens geleistet“. Diese Tätigkeit sei „klar“ von seiner parlamentarischen Tätigkeit getrennt und „umfasste auch nur einen geringen zeitlichen Umfang“. Zu „keinem Zeitpunkt“ habe es eine inhaltliche Verknüpfung zu seiner „parlamentarischen Arbeit oder gar den politischen Themenfeldern“, für die er im Bundestag zuständig sei, gegeben.

Das Verhalten seiner Bundestagskollegen, die in die Maskenaffäre verwickelt waren, verurteilt er: „So etwas ist unanständig“, sagt er klar. Und: „Ich unterstütze unsere Fraktionsspitze darin, das derzeitige 10-Stufen-System zu überarbeiten und die Tätigkeiten der Mandatsträger transparenter zu machen.“ Das Stufensystem müsse aussagekräftiger werden.

Der ruhende Architekt

Gerhard Zickenheiner (Grüne) hat mit Eintritt in den Bundestag seine Tätigkeit im Architekturbüro niederlegt.
Gerhard Zickenheiner (Grüne) hat mit Eintritt in den Bundestag seine Tätigkeit im Architekturbüro niederlegt. | Bild: Nicolai Kapitz

Gerhard Zickenheiner (Grüne) aus dem Kreis Lörrach, sagt: „Ich habe keinerlei Nebenverdienste.“ Auf der Webseite des Bundestags zu seinem Mandat ist allerdings eine umfangreiche Liste zu finden, als geschäftsführender Gesellschafter nahm er 2019, also während des laufenden Mandats, noch Beträge der Stufe 6 ein, also bis 75.000 Euro. Im vergangenen Jahr kamen noch Gewinne der Stufe 3 hinzu, also bis zu 15.000 Euro.

Zickenheiner sagt: „Auf mein Konto fließt ein dreistelliger Betrag monatlich, damit zahlt mein ehemaliger Büropartner Jansen Zickenheiner Innenarchitekten + Architekten GmbH den Kaufpreis meiner Bürohälfte in erträglichen Beträgen ab“, erklärt er. Mit Eintritt in den Bundestag habe er seine Tätigkeit im Architektenbüro niederlegt.

Vereinbaren ließen sich die beiden Berufe ohnehin nicht. „Ich hatte vorher einen harten Tagesalltag mit zehn bis 14 Arbeitsstunden täglich und bin im Bundestag auch mit 60-70 Stunden pro Woche dabei.“

Zickenheiner fordert „klare, sanktionierende Regeln“. Selbstverpflichtungen reichten nicht aus. Auch er pocht auf eine betragsgenaue Angabe der Nebeneinkünfte.

Der Anwalt ohne Mandat

Benjamin Strasser (FDP) ist Anwalt. Mandate nimmt er derzeit aber keine an.
Benjamin Strasser (FDP) ist Anwalt. Mandate nimmt er derzeit aber keine an. | Bild: Tanja Juliana

Benjamin Strasser (FDP) aus dem Kreis Ravensburg sagt: „Neben meinem Abgeordnetenmandat bin ich noch als Rechtsanwalt zugelassen, nehme jedoch aktuell keine Mandate an. Interessenskonflikte konnte es insofern nicht geben.“

Er sagt aber auch: „Ich möchte davor warnen, die Provisionsgeschäfte einzelner Kollegen mit allen Nebenbeschäftigungen gleichzusetzen. Ein Abgeordnetenmandat ist immer ein Job auf Zeit und das sollte auch so sein, wenn man kein reines Karriereparlament will.“

Strasser zeigt Verständnis für die Nebentätigkeiten. Denn: Viele Abgeordnete hatten vor ihrem Mandat eigene Betriebe, Rechtsanwaltskanzleien oder einen selbstständigen Beruf: „So etwas kann man schlecht für mehrere Jahre auf null setzen und dann wieder einsteigen.“

Der aktive Aufsichtsrat

Volker Kauder (CDU) hat eine Reihe von Nebenverdiensten im fünfstelligen Bereich: Er hält das für legitim.
Volker Kauder (CDU) hat eine Reihe von Nebenverdiensten im fünfstelligen Bereich: Er hält das für legitim. | Bild: Kauder

Volker Kauder (CDU) aus dem Kreis Tuttlingen, sieht nichts Verwerfliches an seiner Nebentätigkeit. Kauder ist Berater und Mitglied des Aufsichtsrats bei der Saxony Minerals & Exploration AG, und verdient monatlich Gelder der Stufe 2 hinzu, also zwischen 3500 und 7000 Euro. Die private Aktiengesellschaft arbeitet mit Bodenschätzen wie Wolfram, Fluorit, Zinn, Indium, Nickel und anderen Erzen.

Bis im vergangenen Oktober war er zudem Mitglied des Aufsichtsrats der Pyral AG, inzwischen ist er dort nicht mehr tätig. Beide Firmen liegen im sächsischen Freiberg.

Eine Anfrage bei Saxony Minerals, wie es zu dem Posten für Kauder kam und wie zeitintensiv seine Beschäftigung dort ist, bleibt unbeantwortet. Ein Sprecher des Unternehmens weist auf mehrmalige Nachfrage des SÜDKURIER schließlich darauf hin, dass laut eines Aufsichtsratsbeschlusses „keine Kommentare über Personal-, Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Öffentlichkeit ausgegeben werden“.

Am Telefon reagiert Kauder bei der Frage, ob es weitere Nebeneinkünfte gebe, die er nicht angegeben habe, zornig, bezeichnet die Frage als „Unverschämtheit“. Schließlich sagt er: „Ich halte mich an die Regeln und Vorschriften. Was veröffentlicht werden muss, habe ich veröffentlicht. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

Schriftlich hatte er dem SÜDKURIER geantwortet: „Mein Beruf ist seit drei Jahrzehnten das Bundestagsmandat und nicht eine Nebentätigkeit, die ich seit zwei Jahren ausübe. Einen Interessenkonflikt gibt es bei meiner Nebentätigkeit nicht“, meint Kauder.

Der zeitliche Aufwand für den Aufsichtsratsposten sei überschaubar, ergänzt er. „Sonst hätte ich das nicht gemacht.“ Bis vor drei Jahren war er Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. „Seit ich nicht mehr Fraktionsvorsitzender bin, weiß ich erst, wie viel Zeit ich dafür habe aufwenden müssen“, betont er. Seine Arbeit im Wahlkreis habe unter dem Aufsichtsratsposten nicht gelitten.

Auch Kauder verteidigt die Möglichkeit der Nebenverdienste. „Ich bin grundsätzlich dafür, dass Bundestagsabgeordnete Nebentätigkeiten ausüben können, sie müssen nur transparent angegeben werden.“ Er begründet das auch: „Wenn Nebentätigkeiten ganz verboten würden, werden wir aus freien Berufen und der Wirtschaft immer weniger Abgeordnete haben. Genau diese Gruppe muss sich aber eine berufliche Existenz aufrecht erhalten, für den Fall, dass sie nicht mehr in den Deutschen Bundestag gewählt wird.“