Um die Mobilitätswende voranzutreiben, sichert sich Deutschlands zweitgrößter Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen den Zugriff auf Hochleistungschips für mehrere Jahre. Wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte, habe man einen langfristigen Vertrag mit dem europäischen Chipspezialisten ST-Microelectronics (ST) über die Lieferung von Siliziumkarbid-Halbleitern geschlossen.
Mehr Reichweite, schnelles Laden durch Siliziumkarbid
Siliziumkarbid gilt als Wundermaterial der Mobilitätswende. Durch seinen Einsatz in der Leistungselektronik von Elektroautos erhöhen sich die Reichweiten bei gleichzeitig sinkenden Ladezeiten.

„Mit diesem strategisch wichtigen Schritt stärken wir unsere Lieferkette, um unsere Kunden sicher versorgen zu können“, sagte ZF-Elektromobilitätsvorstand Stephan von Schuckmann. Mit dem italienisch-französischen Konzern ST habe man einen Lieferanten gefunden, der entsprechende Bauteile „in einer außergewöhnlich hohen Qualität in den erforderlichen Stückzahlen herstellen kann.“
Wolfspeed und Infineon Spezialisten für Chips
ST gehört neben den deutschen Konzernen Infineon und Rohm sowie den US-Unternehmen Onsemi und Wolfspeed zu den führenden Herstellern von Siliziumkarbid-Chips.
Mit Wolfspeed hatte ZF in einem ersten Schritt Anfang des Jahres eine weitgehende Kooperation eingeläutet. Zusammen baut man derzeit im Saarland die größte Fabrik zur Herstellung von Siliziumkarbid-Bauteilen weltweit auf. Ziel ist auch hier, Fahrzeughersteller weltweit mit Hochleistungs-Chips für E-Autos zu beliefern. Ein ZF-Sprecher sagte dem SÜDKURIER, der jetzt abgeschlossene Liefervertrag ergänze die Partnerschaft mit Wolfspeed perfekt.
In der Branche reißt man sich um Lieferverträge für Halbleiter
Über den Wert des neuen Liefervertrags machte ZF keine Angaben, verlautete aber, dass die Lieferung einer zweistelligen Millionenzahl von Siliziumkarbid-Modulen vereinbart worden sei. Diese würden in die ZF-eigene Wechselrichterarchitektur integriert, die der Konzern vom Bodensee seinen Kunden ab 2025 in Serie anbieten will.
Branchenkennern zufolge reichen die mit ST vereinbarten Stückzahlen mindestens für eine hohe sechsstellige Zahl von Fahrzeugen. ZF macht dazu keine genauen Angaben, ebenso wie zur Laufzeit des Vertrags.
Für ZF sind verlässliche Chip-Lieferverträge derzeit sehr wichtig, nicht zuletzt weil man Lehren aus der Chip-Krise der vergangenen drei Jahre gezogen hat, in deren Folge die Produktion bei ZF teilweise empfindlich ausgebremst wurde.
Dazu kommt, dass ZF derzeit Aufträge in der Elektromobilität in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro in den Büchern stehen hat. Diese können aber nur erfüllt werden, wenn genügend Chips vorhanden sind.
Tesla verbannt Siliziumkarbid aus Fahrzeugen – teilweise
Der Hype um das Wundermaterial Siliziumkarbid hat jüngst allerdings einen leichten Dämpfer erfahren. Der weltweit führende E-Autobauer Tesla hat vor kurzem angekündigt, die Verwendung des Halbleitermaterials aus Kostengründen drastisch zurückzufahren und anstatt dessen wieder mehr klassische Silizium-Chips zu verbauen.
In der Folge sanken die Aktienkurse von Chip-Herstellern wie dem ZF-Partner Wolfspeed erheblich. Die meisten Experten sind sich aber einig, dass die Nachfrage nach dem Wundermaterial langfristig hoch bleiben wird.