Was bedeutet Pflicht vor Kür konkret, wenn der Gemeinde wegen der Corona-Krise weniger Geld zur Verfügung steht?
Mit dem Thema Pflicht vor Kür sind wir schon seit einigen Jahren konfrontiert. In diesem Jahr wird das mit den sinkenden Steuereinnahmen noch präsenter. Mit verschiedenen Projekten kommen wir flott voran, zum Beispiel Bauhof, Kita, Rathausumbau, das heißt, diese sind ohnehin gesetzt. Das gilt aber auch für andere Projekte, die wir schon länger auf dem Schirm haben, etwa die Grundschule. Das ist eine Pflichtaufgabe. Zur Schule gehört dann auch eine Sporthalle für den Schulsport und darüber hinaus, das ist klar.
Wir werden bei vielen kleinen Dingen der laufenden Verwaltungstätigkeit kurz- bis mittelfristig nach Einsparpotenzialen schauen müssen, aber auch beim Personalaufwand. Wir werden uns aber nicht um wichtige Freiwilligkeitsaufgaben wie das Aquastaad drücken und wir werden selbstverständlich auch die Vereine weiter fördern. Trotz Pflicht vor Kür haben wir als Gemeinde die Verantwortung, Projekte voranzutreiben, sowohl den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber als auch der Wirtschaft. Es wird ein ordentliches Konjunkturpaket von Bund und Land geben, daher bin ich grundsätzlich hoffnungsvoll und zuversichtlich gestimmt.
Die Pläne für Grundschule und Sporthalle werden also nicht auf Eis gelegt?
Der Zeitplan bleibt trotz Corona, wie er ist. Bei der Grundschule diskutieren wir zeitnah noch den Standort, an den Grundlagen arbeiten wir gerade auf Hochtouren. Wir stehen gemeinsam mit unserem Planer in der Abstimmung mit dem Landratsamt, dem Regierungspräsidium und dem Regionalverband, um alle wichtigen Fragestellungen zu klären. So ist eben das Prozedere in der Planungsarbeit, was natürlich immer auch Zeit kostet. Aber es bleibt dabei, die Schule hat Priorität und damit auch die Sporthalle.
Gibt es für die Gemeinde Möglichkeiten, mehr Geld einzunehmen?
Wir sollten versuchen, noch mehr Förderprogramme in Anspruch zu nehmen. Das bringt zwar einen hohen administrativen Aufwand mit sich, ich sehe da aber durchaus noch großes Potenzial. Ansonsten haben wir nicht wirklich viele Möglichkeiten, Einnahmen zu generieren. Wir werden weitere Kreditaufnahmen nicht umgehen können, sodass auch die Pro-Kopf-Verschuldung steigt.

Die Aufwertung der öffentlichen Infrastruktur, die dem entgegensteht, ist jedoch eine mutige Perspektive, um die wir nicht umhinkommen. Grundschule, Sporthalle, Aquastaad, Landesteg und Ortsbild – wir könne es uns nicht leisten, diese Dinge liegen zu lassen oder zu vernachlässigen.
Airbus ist einer der großen Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler in Immenstaad. Jetzt plant das Unternehmen, hier fast 200 Stellen abzubauen. Ist das ein Moment, in dem auch ein Bürgermeister aktiv werden sollte?
Alles in allem kommt der Standort Immenstaad noch relativ gut weg, andere Standorte sind deutlich stärker betroffen. Die Raumfahrtbranche ist wohl verhältnismäßig noch relativ stabil, dort wird ja auch in ganz anderen Zyklen agiert. Wir stehen mit Airbus immer wieder in Kontakt und versuchen unbürokratisch auf Anliegen zu reagieren und bestmöglich zu unterstützen.
Als kleine Gemeinde sind wir im Übrigen auf die Kooperation mit Akteuren wie der Wirtschaftsförderung des Bodenseekreises und der Stadt Friedrichshafen oder auch der der Zeppelin-Universität angewiesen. Wichtig ist in solchen Zeiten, auch gemeinsam über Perspektiven nachzudenken, die man den Unternehmen und Menschen vor Ort anbieten kann.
Das Aquastaad kann zur Zeit nur begrenzt Besucher aufnehmen. Sind diese Mindereinnahmen auszugleichen?
Bei einem Frei- oder Hallenbad kommt man nie Null auf Null raus. Ein solches Angebot basiert immer auf einem konkreten politischen Willen: Wollen wir das oder wollen wir das nicht. Das Commitment ist in unserem Fall vorhanden, auch wenn es zunehmend schwierig wird, eine solche Einrichtung zu aller Zufriedenheit zu managen. Wir haben aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Wirtschaftlichkeit zunächst ein Konzept mit einem Schichtsystem ausprobiert, was aber letztlich nicht zufriedenstellend und zielführend war.
Um niemanden abzuschrecken, haben wir wieder auf eine Schicht umgestellt. Organisatorisch ist das eine Riesen-Herausforderung, alle müssen sich an die Abstands- und Hygieneregeln halten. Aber die Rückmeldungen der Besucher sind soweit gut. Insofern: Ja, die Aufwendungen sind die gleichen wie sonst und die Einnahmen sind geringer – so ist das in diesem Jahr. Da geht es der Gemeinde nicht anders als anderen Betrieben. Wir hoffen, dass sich das nächstes Jahr wieder weitestgehend normalisiert und wir das Bad nicht erneut schließen müssen.
In Sipplingen und Fischbach haben Besucher zuletzt Parkverbote und Abstandsregeln missachtet. Wie sieht das in Immenstaad aus?
Im Aquastaad klappt das hervorragend. Aber wir haben auch Park- und Grünanlagen, die zur freien Verfügung stehen. Dort ist viel los, wir setzen aber alles daran, diesen Umstand bestmöglich zu händeln. Wir sind mit dem Gemeindevollzugsdienst und einem privaten Sicherheitsdienst fast rund um die Uhr im Einsatz und haben die Polizei gebeten, uns wie im Frühjahr zu unterstützen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes machen einen hervorragenden Job, bei dem sie sich jedoch auch sehr viel gefallen lassen müssen, das ist kein Zuckerschlecken. Die heißen Tage sind aber weitestgehend vorbei, da besteht die Hoffnung, dass es kontinuierlich weniger wird.
Hatten Sie ins Auge gefasst, wie in Sipplingen den Uferbereich zu sperren?
Wir haben uns permanent mit dem Landratsamt abgestimmt und das Infektionsgeschehen im Blick behalten – demnach war eine solch drastische Maßnahme bei uns nicht erforderlich. Die Bürgerinnen und Bürger wurde angehalten, im eigenen Land Urlaub zu machen, was viele getan haben und was bei uns logischerweise zu einem Mehr an Menschen geführt hat. Aber klar, irgendwo müssen die Leute ja hin.
Jede Sperrung bedeutet, dass es sich dann an anderer Stelle noch mehr ballt. Angesichts dieser Situation ist also Solidarität angesagt. Wir können trotz aller Schwierigkeiten hier vor Ort jedenfalls zufrieden sein. Bisher hat es keine Vorkommnisse gegeben und wir hoffen, dass es auch nicht dazu kommen wird. Wir müssen hier einfach nochmals an die Vernunft der Menschen appellieren.
Was hören Sie zur Sommersaison in der Gastronomie?
Für viele gilt: Voll ist voll, wer vorher schon ausgebucht war, kann jetzt auch nicht mehr Gäste aufnehmen. Es läuft gut, aber zwei bis drei Monate fehlen einfach. Wir versuchen jetzt, einen Teil des touristischen Programms in den Herbst zu verlagern – in der Hoffnung, dass es zu keinem weiteren Lockdown kommt und dass das Wetter mitspielt. In diesem Jahr ist nichts planbar, wir hoffen aber, dass zahlreiche Gäste zu einem goldenen Herbst an den Bodensee kommen.
Befürchten Sie, dass es im Herbst zu erhöhten Infektionszahlen kommt?
Herbst und Winter werden eine Herausforderung. Hauptversammlungen, Familienfeiern, Freunde treffen, all das wird dann nach drinnen verlagert. Es wird davon abhängen, dass die Menschen sich an die Grundregeln halten: beschränkte Personenzahl, Mundschutz, Abstand und Durchlüften.
Die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorhersehbar, wobei man ja schon merkt, dass sich die Lage durchaus verschlechtern könnte. Wir müssen jedoch noch abwarten und dann spontan reagieren, da ist vonseiten der Bürgerinnen und Bürger natürlich wieder viel Verständnis gefragt. Es wäre verheerend, wenn wir wieder eine Situation bekommen, in der Geschäfte geschlossen sind, man das Haus nicht mehr verlassen darf und Kinder nicht mehr auf den Spielplatz dürfen.
Hat die Gemeinde einen Plan für die zweite Welle?
Einen Plan können wir nicht haben, denn wir sind letztendlich immer auf die Hinweise und Regelungen von Bundes- und Landesebene angewiesen. Wir haben eine nie da gewesene Situation im März, April und Mai sehr gut gemeistert in Zusammenarbeit mit Landratsamt und in enger Abstimmung mit den anderen Kommunen im Bodenseekreis. Das war für mich als Bürgermeister eine ganz andere Art von Dienst als sonst und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Schulen, Kitas, öffentliche Einrichtungen und der Verwaltung waren besonders gefragt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir das im Herbst wieder hinbekommen und hoffe aber gleichzeitig, dass solch drastische Maßnahmen nicht mehr notwendig werden. Jede Einschränkung kann weitrechende Folgen haben: wenn wir Kitas schließen, müssen die Eltern zuhause bleiben und somit ist auch unsere Wirtschaft wieder betroffen. Wir sollten unser Tun deshalb immer im Blick behalten und stets in Anbetracht der aktuellen Situation hinterfragen.