Bad Säckingen Zum Abschluss der 16.¦Kultur im Kursaal-Reihe begrüßte Kulturreferentin Christine Stanzel den Slam-Poeten, Comedian, Humoristen und Kabarettisten Nektarios Vlachopoulos, der bereits mehrere Wettbewerbe gewonnen und Kabarettpreise errungen hatte. Zu seinem Programm „Das Problem sind die Leute“ begrüßte er 103 der „intelligentesten, schönsten und besten Bad Säckinger“ im Kursaal. Ein Mann, der mit der Gabe der Selbstironie gesegnet ist, rief: „Dann muss ich ja gehen.“ Was schade gewesen wäre, denn das Dableiben lohnte sich.

Als Sohn griechischer Einwanderer im Kraichgau geboren und streng in griechischen Traditionen erzogen, studierte Nektarios Vlachopoulos Germanistik und arbeitete eine Zeit lang als Deutschlehrer, bis er die unfreiwillige mit der freiwilligen Komik vertauschte und eine Künstlerexistenz führte, von deren Befindlichkeiten die Besucher in dem zweistündigen Programm eine Menge erfuhren. Gemeint ist freilich sein Bühnen-Alter-Ego, denn als Lehrer dürfte er seinen Schülern erklärt haben, dass die real existierenden Schriftsteller nicht mit den fiktiven Erzählern im Roman zu verwechseln sind.

Und so leuchtete er die Figur des Enddreißigers aus, der während der Coronazeit aus Verzweiflung über die Bühnenenthaltsamkeit vergeblich „bei den Zeugen Jehovas anklopfte“, dann in einen ökonomisch selbstdestruktiven Internet-Kaufrausch verfiel und schließlich zum Hobbybastler mutierte. Und mangels Auftritten verfasste er Rezensionen über sich selbst. Diese metareflexive Auseinandersetzung mit dem inneren Kritiker war einer der besten Momente des Abends. Mit Sprachwitz und Wortakrobatik führte er genüsslich die Feuilleton-Floskeln vor, die von Lobeshymnen (“Ästhetik des Widerspruchs, aus der Kakophonie des Wortstroms generiert, dabei die Dekadenz des Westens entlarvend“) bis zum Totalverriss (“im Strom der Irrelevanz versandend“) reichten. Seine Beziehungsprobleme veranlassten ihn und seine Freundin, in einen Wettbewerb mit einem Pärchen einzutreten, den sie mit der Ankündigung der Geburt eines Kindes gewannen. Leider konnten sie das Versprechen nicht einlösen, weshalb er das Publikum bat, ihm „ein Baby zu leihen“. Allerdings war in Bad Säckingen auf die Schnelle keines verfügbar, da vor allem die Rentner- oder rentennahe Generation im Kursaal saß. Nur die vereinzelte Stimme eines jungen Mannes mit solidem technischem Beruf meldete sich mit dem Codewort der Jungen (“Die Rente ist sicher“), worauf ihm der Kabarettist die Botschaft „Auf Dir lasten unsere Hoffnungen“ mit auf den Weg gab.

Die Glanznummer war die Geburt einer neuen literarischen Gattung: Der Vokalträgodie. Nektarios Vlachopoulos hatte die durch Ernst Jandl berühmt gewordene Gattung der Vokalgedichte, deren Wörter nur einen einzigen Vokal aufweisen, in eine mehraktige Tragödie mit quasi „fünffachem Monovokalismus“ rund um die Protagonisten Anna, Elke, Iris, Otto und Ulf verwandelt: Trotz äußerster formaler Beschränkung entfaltete er in atemberaubenden Sprechtempo tatsächlich einen durchaus sinnvollen Text und eine Tragödie von shakespearischen Ausmaßen, an deren Ende die Protagonisten „abgeräumt“ waren: „Iris Hirn spritzt ins Nichts, bis sie stirbt.“