Campus-Desaster oder alternativloses Projekt? Am Gesundheitscampus erhitzen sich die Gemüter. Schließlich ist es für die Stadt in finanzieller Hinsicht nicht ohne weiteres zu verkraften, dass die Kosten von einst 28 Millionen auf mittlerweile mehr als 50 Millionen Euro gestiegen sind.
Die Vorwürfe reichen von Fehlplanung über mangelnde Kommunikation bis hin zur Unterstellung kompletter Unfähigkeit. Das Meinungsspektrum erstreckt sich vom Millionengrab bis zu einem Projekt, dessen Alternative eine Bauruine wie die Hochrhein-Eggbergklinik gewesen wäre.
Doch was sagt eigentlich Alexander Guhl, Bürgermeister von Bad Säckingen, zu den ganzen Vorwürfen, mit denen sich die Planer, sein Team und auch er selbst aktuell konfrontiert sehen?
Wie sind die Kostensteigerungen zu erklären?
„Wenn Kosten steigen, ist das nie erfreulich. Es ist schlecht, schließlich müssen wir das bezahlen“, sagt Guhl. Allerdings könnte die Kostensteigerung auch erklärt werden. Einfach sei es nicht, da es viele Faktoren gibt, die dazu beigetragen hätten.
„Dass die Baukosten gestiegen sind, ist kein Phänomen, das wir nur in Bad Säckingen haben – das ist auch anders wo so“, sagt Guhl und verweist auf Zahlen des Statistischen Landesamtes. Tatsächlich sind laut Statistischem Bundesamt die Baukosten für Bürogebäude seit 2021 um 32 Prozent gestiegen.
Doch es gebe noch viele andere Punkte auf der Liste: Dass zum Beispiel Mieter abgesprungen sind, was Umplanungen und Mehrkosten nach sich gezogen habe. Oder dass der Bauzeitenplan nicht umsetzbar gewesen sei. Das habe beispielsweise dazu geführt, dass die speziellen Container für die provisorische Unterbringung der Praxen viel länger gemietet werden mussten. „Das sind spezielle Container, die gibt es nicht gerade günstig.“
Und nicht zu vergessen: Die Kosten für die Fachplaner, die nach Honorarordnung für Architekten und Ingenieure und entsprechend zu Buche schlagen. Der Mindestlohn? Auch ein Punkt, der sich im Bausektor bemerkbar mache. Und der Mangel an Handwerkern. Was tun, wenn sich nur einer mit teuren Preisen finden lässt? So lange suchen, bis sich einer findet, der es günstiger macht, dafür aber damit rechnen müssen, dass andere Handwerker klagen, weil sie nicht weiterarbeiten können?
Was passiert, wenn der Gesundheitscampus noch teurer wird?
„Ich werde keine Zahlen mehr in den Raum werfen“, sagt Guhl und fügt hinzu: „Das war bei der ganzen Sache der Kardinalfehler.“ Die 28 Millionen Euro, die übrigens schon am Anfang der Planungen nicht lange Bestand hatten, dienen heute noch als Bezugsgröße. „Ich hätte diese Zahl so nicht kommunizieren dürfen“, sagt Guhl.
Wäre dann alles anders gekommen, wenn die 28 Millionen Euro nie genannt worden wären? „Ich will mich nicht aus der Verantwortung ziehen.“
Was man ihm in Sachen Gesundheitscampus vorwerfen kann? „Dass es mir nicht gelungen ist, das Projekt von den Kostensteigerungen fernzuhalten.“ Ein Projekt in dieser Größenordnung werden allerdings auch nicht alleine vom Bürgermeister und den Fachämtern realisiert.
Ein Punkt: Es wird bei Bauprojekten auch gerne von Nettokosten gesprochen. „Wir sind im Gesundheitssektor allerdings nicht vorsteuerabzugsberechtigt“, erklärt Guhl. 19 Prozent ist bei einer zweistelligen Millionensumme eben kein Pappenstiel.
Stimmt der Vorwurf, dass immer nur vage und unvollständige Informationen zum Gesundheitscampus fließen?
Kritik in Sachen Kommunikation hatte jüngst Simon Kühn, Vorsitzender der CDU in Bad Säckingen, geäußert. Ein Projekt dieser Größenordnung sei anspruchsvoll. Deshalb brauche es rechtzeitige, offene Kommunikation über Risiken und Entwicklungen. „Stattdessen wurde der Gemeinderat – ebenso wie die Öffentlichkeit – immer wieder mit vagen oder unvollständigen Informationen abgespeist“, so Kühn.
Zwar adressiert Kühn seine Vorwürfe nicht direkt an Guhl, aber in der Natur der Sache informiert nun einmal der Bürgermeister den Gemeinderat über wichtige Entwicklungen. Also, was sagt Alexander Guhl dazu?
„Ich finde es mutig, von jemanden, der nicht in den Gremien sitzt, so etwas zu formulieren“, sagt der Bürgermeister. Naturgemäß tage der Aufsichtsrat zum Gesundheitscampus nicht-öffentlich. Aber und das sei ihm wichtig gewesen: Mitglieder des Aufsichtsrates dürften die Informationen durchaus an ihre Ratskollegen weitergeben.
Doch außerhalb des Gemeinderates darf über Inhalte der Aufsichtsratssitzungen nicht informiert werden. „Ich gehe davon aus, dass die CDU-Fraktion das so handhabt, und die Informationen einfach nicht weitergibt, weil sie es nicht darf.“
Wäre es besser gewesen, das alte Krankenhaus einfach abzureißen?
„Es wäre sehr schwierig gewesen, den Bürgern zu vermitteln, dass wir das alte Krankenhaus abreißen wollen“, ist sich Guhl sicher. Auch ein Abriss, den zwar der Kreis bezahlen müsste, hätte sicher einen zweistelligen Millionenbetrag gefordert. Und dann ist da ja noch das Problem mit dem Altenpflegeheim St. Marienhaus. Das müsste eigentlich den Betrieb einstellen, bekommt aber beim Gesundheitscampus eine neue Heimat. Und die Stadt mitten im Zentrum eine Fläche, die neue Möglichkeiten bietet.
Das Fazit von Guhl: „Wenn wir das Zentralklinikum haben und den Gesundheitscampus, dann sind wir nicht schlechter aufgestellt – vielleicht sogar besser.“
Wie wird das Campus-Desaster aufgearbeitet?
Wann ist die ganze Sache aus dem Ruder gelaufen? Eine Frage, auf die es eine Antwort braucht. War es 2022, als im Juni noch von 35 Millionen Euro die Rede war und die Kosten im August „raketenmäßig“ auf 44 Millionen Euro stiegen? Als damals schon die Angst umging, dass das auch nicht reichen dürfte?
„Ich habe die Antworten auch nicht bekommen“, sagt Guhl mit dem Hinweis darauf, dass die damals Verantwortlichen alle nicht mehr beteiligt sind. Die Geschäftsführung des Gesundheitscampus ist neu und auch die Planer sind nicht mehr die ursprünglichen.
War es eine Fehlbesetzung? „Das waren damals alles Leute, die einen Namen hatten und auch mehr als nur eine Pommes-Bude realisiert haben.“
Aufgearbeitet soll das Ganze aber werden – oder wird es viel mehr bereits jetzt. Bettina Huber, die nicht nur Kämmerin der Stadt Bad Säckingen ist, sondern auch im Dezember 2022 die Geschäftsführung des Gesundheitscampus übernommen hat, habe unzählige Tabellen und Listen zusammengestellt – seitenweise Auswertungen sind da zusammengekommen.
Und wenn es um Bettina Huber geht, ist der Bürgermeister voller Lob. „Ich greife nicht gerne zu Superlativen. Aber da trifft es zu.“