Es fehlen Ärzte, vor allem auf Land. Um die medizinische Versorgung zu sichern, gehen die Gemeinden Jestetten, Lottstetten, Dettighofen, Hohentengen sowie drei Ärzte und das Klinikum Hochrhein neue Wege: Mit einer gemeinnützigen Genossenschaft. Sie soll die Gesundheitsversorgung in der Region langfristig sichern. Dieses Modell sei in dieser Form bundesweit bisher einmalig, schreiben die Beteiligten und die Beraterfirma Diomedes in einer gemeinsamen Presseerklärung.
Der Mangel an Hausärzten im ländlichen Raum nimmt zu. Auch im Landkreis Waldshut. Laut Mitteilung seien über 35 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre. Nachfolger zu finden, ist zunehmend schwierig. „Die Bürgermeister Ira Sattler (Jestetten), Marion Frei (Dettighofen), Martin Benz (Hohentengen) und Andreas Morasch (Lottstetten) wollten das Thema nicht auf die lange Bank schieben“, heißt es. Sie suchten nach einem neuen Modell, um die wohnortnahe hausärztliche Versorgung in ihren Gemeinden zu sichern. Die vier Rathauschefs sind sich einig: „Es geht um die Daseinsvorsorge unserer Bürger.“
Mit den Jestetter Hausärzten Karl-Heinz Dietermann, Thomas Asael, der Kinderärztin Christina Dietermann und dem Geschäftsführer des Klinikums Hochrhein, Hans-Peter Schlaudt, haben sie die gemeinnützige Genossenschaft Gesundheitsnetz ZipHo gegründet. „Der Name ist eine Anspielung auf den Jestetter Zipfel in Verbindung mit der Gemeinde Hohentengen“, schreiben die Beteiligten. Das Ziel soll vor allem mit Arztpraxen in Form von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) verfolgt werden. Wobei MVZ zunächst einmal ein Name ist. Physisch bestehen sie aus dem Ärztehaus in Jestetten und Arztpraxen in Hohentengen.
Mit der Beratungsfirma Diomedes hätten die Gemeinden „einen erfahrenen Partner“ gefunden, der vor allem umsetzungsorientiert arbeite. Das Unternehmen habe 2019 im Nordschwarzwald die erste ärztliche MVZ-Genossenschaft in Baden-Württemberg gegründet. Die Erfahrungen will man nun am Hochrhein nutzen.
Geringes Risiko als wichtiges Argument
Ein wichtiges Argument für alle Beteiligten sei das geringe Risiko. „Die Haftungsrisiken der Mitglieder bei diesem Genossenschaftsmodell sind minimal und klar auf kleine Beträge begrenzt“, wird Jestettens Bürgermeisterin Ira Sattler zitiert. Damit sei das Modell besonders für die Kommunen sehr attraktiv. „Ein weiterer Grund: Alle Genossen können in Zukunft Einfluss nehmen und die Entwicklung der ZipHo eG aktiv begleiten“, ergänzt sie.
Für die Beteiligten steht mit Hinweis auf die zunehmende Bürokratie fest: Junge Ärzte arbeiteten lieber als Angestellte als in einer eigenen Praxis. Laut Presseerklärung scheue der Ärztenachwuchs das wirtschaftliche Risiko einer Praxis-Übernahme. Mit der neuen Genossenschaft sollen die Ärzte von administrativen Aufgaben entlastet werden. Sie hätten dann keine Verantwortung für das Personal. Auch Teilzeitmodelle seien möglich. Beruf, Familie und Freizeit ließen sich leichter vereinbaren.
Auch Hausärzte profitieren
Auch die Hausärzte Karl-Heinz Dietermann und Thomas Asael profitierten von dieser Möglichkeit. Sie wollen künftig auch Nachwuchskräften als kompetente Ansprechpartner in der Praxis zur Seite stehen. Alle Mitarbeiter sollen in das MVZ übernommen werden. Schlaudt, als Geschäftsführer des Klinikums Hochrhein in Waldshut, bekräftigte das große Interesse an einer ausreichenden ambulanten Versorgung vor Ort.
Eine enge Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung biete für alle Beteiligten Vorteile im Behandlungsverlauf. Nicht zuletzt für Patienten. Deshalb sei für das Klinikum eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft folgerichtig und sinnvoll. Er spricht von Synergien zwischen Klinik und Genossenschaft. Auch der Landkreis unterstütze das Projekt, heißt es.
Es hätte nahe gelegen, auch die Gemeinde Klettgau mit ins Boot zu holen. Auf Nachfrage erklärt Jestettens Bürgermeisterin Ira Sattler, sie habe mit ihrem Amtskollegen Ozan Topcuogullari gesprochen. „Die Gemeinde Klettgau hat das Problem im Moment noch nicht, dass Ärzte kurz vor dem Ruhestand sind“, sagt sie. Es könnten sich aber weitere Gemeinden in der Genossenschaft einbringen.