Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Wenn Bürger aus der Region die Hochrheinbahn zwischen Basel und Ulm nutzen oder gar täglich zur Arbeitsstelle pendeln, können sie Bücher darüber schreiben. Immer wieder beklagen Fahrgäste Unpünktlichkeit, monieren fehlende Barrierefreiheit, klagen über mangelnde Sauberkeit und das veraltete Zugmaterial. Auch die „neuen“ Triebwagen der Baureihe 612 brachten keine entscheidenden Verbesserungen. Die Klagen bleiben.
Erfahrungen am eigenen Leib
Bei einer Fahrt an einem Samstagmorgen von Erzingen nach Singen erlebte der Autor dieser Zeilen vor einem Jahr mit dem Triebwagen 611 im wahren Sinn des Wortes „hautnah“, wie eng es auf dieser Strecke werden kann. Das Erster-Klasse-Baden-Württemberg-Ticket nutzte da rein gar nichts.
Triebwagen ist schlicht zu klein
Mehr als ein unbequemer Stehplatz zwischen schwitzenden Menschen (wie ich ebenso) war nicht drin. Der Ellenbogen des Vordermanns ließ mich vom Auto, das bei mir zu Hause in der Garage stand, träumen. Der Zug war mit einem Triebwagen schlicht zu klein für alle Fahrgäste, die an diesem Samstag unterwegs waren. Manche fanden gar keinen Platz und wurden am Bahnsteig stehen gelassen.
Keine attraktive Alternative für das Auto
Vor dem Umsteigen in Singen mussten sich die Um- und Aussteiger an anderen Fahrgästen vorbeiquetschen, um überhaupt vom Zug auf den Bahnsteig zu kommen. Attraktiver Umstieg vom Auto auf die Bahn sieht jedenfalls anders aus und auf die Reklamationstortour bei der Deutschen Bahn wollen viele gerne verzichten.
Der ehemalige Waldshuter Stadtrat und Bahn-Experte Gerd Jacobshagen stellt fest: „Es ist ein guter Fahrplan, wenn er zuverlässig wäre, und die Bahn ihre vertraglichen Zusagen einhalten würde, was das Zugmaterial betrifft.“ Derzeit stellt Jacobshagen dem Zugverkehr am Hochrhein kein gutes Zeugnis aus: Zu viele Zugausfälle und Zugmaterial, das Schäden aufweist bedeuten ein „Mangelhaft“. Der SWR hat in einem Beitrag im Februar 2018 berichtet, dass die Deutsche Bahn wegen schlechter Leistungen im Nahverkehr im vergangenen Jahr elf Millionen Euro an Baden-Württemberg zahlen musste.
Eine der schnellsten Diesellok-Strecken
Dank Neigetechnik zähle die Verbindung am Hochrhein zwar zu den schnellesten Diesellok-Strecken der Deutschen Bahn, doch auch Gerd Jacobshaben sieht die Zeiten dieser Technik am Hochrhein bald für beendet. „Es gibt ein starkes Interesse der Städte Basel und Schaffhausen, die Metropolen am Hochrhein im 30-Minuten-Takt zu verbinden“, sagt der Bahnexperte aus Waldshut. Dies sei aber nur mit schnellen Elektroloks möglich.
Was passiert, wenn der Strom kommt
Steht die Hochrheinstrecke zwischen Erzingen und Basel eines Tages unter Strom, müssten bei einer engeren Taktung nach Auffassung des Bahnexperten Tiengen und Lauchringen zu „Kreuzungsbahnhöfen“ ausgebaut werden, weil die Strecke nicht durchgängig zweigleisig ausgebaut ist. „Wir haben uns in der Infrastruktur auf der Hochrheinstrecke zurückentwickelt“, stellt er fest.
Als der Güterverkehr florierte
Gerd Jacobshagen erinnert sich noch gut an die Zeit, als die Loks unter Dampf standen und zwischen dem deutschen Waldshut und dem schweizerischen Koblenz über die stählerne Brücke auf die andere Rheinseite fuhren. Der Güterverkehr auf der Schiene zwischen Stühlingen-Weizen und Basel florierte, als die Lonza in Waldshut, die Papierfabrik Albbruck und Sto in Weizen noch auf dieses Transportmittel setzen.

Lonza und Papierfabrik sind Industrie-Geschichte und Sto hat auf Lastwagen umgestellt. „Den Güterverkehr auf der Schiene am Hochrhein gibt es nicht mehr“, stellt Jacobshagen fest. Als 15-Jähriger erlebte er noch den umtriebigen Güterverkehr bei der Lonza in Waldshut und Autotransporte in die Schweiz.
Motoren der Elektrifizierung
Er selbst gehörte mit dem damaligen Bahnhofsvorsteher in Koblenz, Alfred Rutishauser, und dem promovierten Verkehrsingenieur Markus Hecht, der damals im Waldshuter Ortsteil Eschbach lebte, zu den „Motoren“ der Elektrifizierung der Strecke von Waldshut auf die andere Rheinseite nach Koblenz.
2000 Fahrgäste nutzen Strecke täglich
Eine Aktion beim Stadtfest „Hallo Nachbar“ 1991 rettete die damals von der Stilllegung bedrohte Bahnverbindung, erinnert sich Jacobshagen. Hochrangige Politiker kamen damals in die Waldstadt. „Es hat dann noch acht Jahre gedauert, bis die Strecke elektrifiziert war.“ Heute nutzen täglich etwa 2000 Fahrgäste, vor allem Berufspendler, diese Verbindung in die Schweiz, berichtet der ehemalige Waldshuter Gemeinderat.
Brücke muss saniert werden
Nun ist die Brücke in die Jahre gekommen, ist zudem nur für 18 Tonnen Belastung pro Achse ausgelegt. Zuständig für die Sanierung sei in diesem Fall die Deutsche Bahn. „15 bis 20 Jahre“ nennt die Bahn als längstes Zeitfenster, für den Ersatz der stählernen Eisenbahnbrücke über den Rhein. Sie muss abgerissen werden, das bestätigte die Deutsche Bahn dieser Zeitung im Oktober 2017.
Bis 2025 soll die Elektrifizierung der Hochrheinbahn auf der deutschen Seite kommen. Das wären nach der Unterzeichnung des Finanzierungsabkommens im vergangenen Jahr wieder acht Jahre – genau sol lange dauerte es, bis die Strecke Waldshut – Koblenz unter Strom stand.
Die Hochrheinbahn
Die Hochrheinbahn bezeichnet die Strecke von Basel (Badischer Bahnhof) bis Konstanz (144 Kilometer). Die heutige Bahnstrecke ist mehr als 150 Jahre alt. Der erste Abschnitt von Basel bis Waldshut wurde 1856 eröffnet. Die Strecke lag damals wie heute am Rande der großen Verkehrsnetze Deutschlands. Umso wichtiger war sie für die Erschließung des Hochrheins und der angrenzenden Waldgebiete im Schwarzwald. Sie verband Städte wie Säckingen oder Waldshut mit dem fernen Konstanz sowie mit dem Bodenseeraum. Für die Erschließung und Verbindung der bisher getrennten Teile des Großherzogtums Baden war die Hochrheinbahn von zentraler Bedeutung.
Serie Verkehr
In einer Serie beleuchten wir die Verkehrssituation am Hochrhein. Wir blicken auf die Dauerbaustellen A 98, die langersehnten Ortsumfahrungen wie Jestetten, Oberlauchringen und Grimmelshofen, die Elektrifizierung der Hochrheinbahn und den Flugläm.
- Auftakt: Überblick
- Teil 1: Hochrheinbahn – Geschichte
- Teil 2: Hochrheinstrecke
- Teil 3: Ortsumfahrung
- Teil 4: Autobahn 98