Kanada oder Waldshut? Vor dieser Frage stand Wafa Mili. Die Tunesierin hat sich für Waldshut entschieden. Heute sagt sie: „Es war die richtige Entscheidung. Ich fühle sich sehr gut integriert und angenommen, im Team und bei den Patienten. Waldshut ist zu meiner zweiten Heimat geworden.“
Die 34-Jährige ist Gesundheits- und Krankenpflegerin im Klinikum Hochrhein. Sie arbeitet als eine von inzwischen 194 dort beschäftigten Mitarbeitenden nicht deutscher Herkunft. Man sagt auch „Win-win“ dazu: Deutschland gewinnt, weil der Pflegekollaps durch die Arbeitsmigrantinnen und -migranten abgewendet wird. Diese gewinnen, weil sie im Ausland bessere Perspektiven und Löhne erwarten können. Um in ihrem Fall verlor wohl nicht einmal Tunesien. Mili sagt: „Bei uns gibt es zu viele Pflegekräfte, die im Land keine Jobs finden.“

„Wir können schon lange nicht mehr nur abwarten, bis sich auf Stellenausschreibungen jemand von selbst bewirbt“, sagt Karin Denz, Bereichsleiterin Personalmanagement. Selbst gezielt im Ausland zu suchen, war die Devise, unterstützt auch durch die Politik. Die Wahl fiel auf Tunesien, mit seinem akademisch ausgebildeten Personal hoch anerkannt.
Wafa Mili gehörte 2021 mit sieben weiteren Landsleuten zum ersten Jahrgang. Sie sagt: „Ich suchte eine neue Herausforderung. Ich wusste, dass das Gesundheitswesen in Deutschland sehr gut ist und die Mitarbeitenden gut bezahlt werden.“ Noch in Tunis begann der erste Deutschkurs, ein zweiter folgte in Deutschland selbst.
Die erste Zeit sei hart gewesen: neues Team, ungewohnte Abläufe, fremde Sprache – fachlich mit den Kolleginnen und Kollegen, allgemein mit den Patientinnen und Patienten. Aber: „Ich bekam viel Hilfe und alle haben versucht, Hochdeutsch mit mir zu sprechen“, erinnert sie sich lachend. Das half.

Ungewohnt für sie sei es gewesen, dass die Angehörigen der Patientinnen und Patienten in Deutschland nicht bei der Pflege mithelfen und Essen vorbeibringen. Das kannte sie so von Tunesien.
14 Monate zunächst nur Pflegehelferin
Trotz vierjähriger Uniausbildung, trotz Hochschulabschluss: 14 Monate war sie zunächst nur als Pflegehelferin beschäftigt, mit im Schnitt 800 Euro weniger Lohn. Dann erst kam die Anerkennung. Sie hat sich inzwischen zur Stroke-Nurse weitergebildet, eine auf Schlaganfallpatienten spezialisierte Fachkraft, und erzielt damit ein entsprechend höheres Entgelt.
Langes Ringen um Familiennachzug
Aber wer weiß, ob sie noch hier wäre, hätte nicht nach langem Ringen der Familiennachzug geklappt. Bis der genehmigt war, dauerte es viele Monate, flossen viele Tränen. Aber jetzt kann Wafa Mili nach Feierabend ihre beiden Kinder in der gemeinsamen, lange gesuchten Wohnung in den Arm nehmen. Ihren Ehemann sieht sie sogar während der Schicht.
Denn auch er arbeitet im Waldshuter Krankenhaus, im Patiententransport. So wurde das Heimweh weniger. Aber es ist immer noch da – nach Sonne, Strand und Meer. Gut, dass es von Waldshut nach Tunis nur zwei Flugstunden sind. Von Kanada wärs weiter.

Wafa Milis Geschichte zeigt: Dass Menschen nach Deutschland zum Arbeiten kommen und auch hierbleiben, ist nicht selbstverständlich. Denn, das räumt Denz, ein: „So positiv wir bei ihr läuft es nicht immer. Vorbehalte in den Teams und bei den Patienten gibt es leider durchaus.“
Ihr Appell: „Wir alle sollten dankbar um jeden Menschen sein, der sich in der Pflege engagiert.“ Denn eines ist auch klar: Es wird bald noch internationaler am Klinikum Hochrhein zugehen, der Trend ist unumkehrbar. Denz: „Kooperationen mit Marokko und Südamerika sind in der Diskussion.“