Gut zweieinhalb Monate lang hat eine Frau im Klinikum Hochrhein als Assistenzärztin in der Anästhesie gearbeitet, die offenbar gar keine Ärztin war. Entsprechende Informationen unserer Zeitung bestätigt das Klinikum Hochrhein auf Nachfrage.

Demnach hatte sich die Frau mit mutmaßlich gefälschten Dokumenten – unter anderem einer falschen Approbationsurkunde – erfolgreich beworben. Doch schnell seien Zweifel aufgetaucht, so Klinikum-Sprecherin Luisa Denz auf Nachfrage. Eine Anzeige des Klinikums und ein Ermittlungsverfahren hinderten die Frau aber wohl nicht daran, sich beruflich in die Schweiz zu orientieren – mit falschen Zeugnissen vom Hochrhein im Gepäck. Doch der Reihe nach.

Was ist genau vorgefallen?

Konkret stelle sich die Sache aus Sicht des Klinikums Hochrhein so dar: „Die betroffene Person war vom 1. Februar 2022 bis zum 13. April 2022 bei uns als Assistenzärztin in Weiterbildung beschäftigt“, schildert Denz.

Sie habe im Zuge der Bewerbung alle erforderlichen Dokumente vorgelegt, darunter auch eine Approbationsurkunde des Regierungspräsidiums Stuttgart, das alle gültigen Merkmale eines Originales aufwies, so Denz weiter. Auch konnte die Dame demnach eine eindrucksvollen Lebenslauf vorlegen, der ihr große Fachkenntnis und beruflichen Stationen unter anderem als Ärztin in Neapel bescheinigte.

Wieso wurde das Klinikum skeptisch?

Wie alle Assistenzärzte der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin am Klinikum Hochrhein habe die Frau ein auf mehrere Monate angelegtes Einarbeitungsprogramm durchlaufen, in dessen Zusammenhang sie ausschließlich unter Aufsicht gearbeitet habe und der Wissenstand wöchentlich geprüft wurde.

„Die jungen Ärzte sind nur in Begleitung erfahrener Kollegen am Patienten“, führt Denz näher aus. Gerade bei ausländischen Bewerbern helfe dieses System auch dabei zu erkennen, ob die Kenntnisse und der Wissensstand mit den Anforderungen des deutschen Medizinsystems vereinbar seien, so Denz weiter.

Im Zuge der engen Begleitung sei schnell deutlich geworden, dass Bewerbungsunterlagen und Angaben im Lebenslauf der betreffenden Person sich nicht mit der Arbeitsleistung in Einklang bringen ließen. Der „Wissensrückstand der Assistentin war nicht nur auf die Sprachbarriere zurückzuführen“, so Denz. Auch sei kein Entwicklungsfortschritt festzustellen gewesen.

Das Arbeitsverhältnis sei daher vorzeitig beendet worden. „Im Anschluss wurden Nachforschungen eingeleitet und als klar war, dass wir es vermutlich mit Betrug zu tun haben, erstatteten wir Anzeige“, so Denz weiter.

Kamen im Zuge der Tätigkeit der Frau Patienten zu Schaden?

„Das können wir ausdrücklich ausschließen, da die Dame nicht alleine am Patienten tätig war“, bringt es Denz auf den Punkt. Sie habe lediglich als Hilfe zugearbeitet. Jeder ihrer Arbeitsschritte sei kontrolliert worden.

Wie hat sich die Angelegenheit weiterentwickelt?

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen unter anderem wegen des Verdachts des Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung, erklärt deren Sprecherin Rahel Diers auf Nachfrage. Auch die Staatsanwaltschaft gehe aktuell nicht davon aus, dass in diesem Fall Menschen zu Schaden gekommen seien. Detaillierter möchte sich die Staatsanwaltschaft auch unter Verweis auf die Unschuldsvermutung, die auch im vorliegenden Fall gelte, aktuell noch nicht äußern. Dies solle zu einem späteren Zeitpunkt in Form einer Pressemitteilung geschehen.

Von den Ermittlungen habe sich die Frau aber offenbar nicht weiter abschrecken lassen, heißt es seitens des Klinikums Hochrhein: „Im Anschluss an ihre Tätigkeit bei uns, versuchte die junge Frau ihr Glück in der Schweiz – ausgestattet mit gefälschten Arbeitszeugnissen des Klinikums Hochrhein.“

Durch den engen Austausch mit der Polizei und vorangegangene Anzeige des Klinikums sei dies aber schnell aufgefallen. Gleichwohl hat der Fall damit eine zusätzliche internationale Dimension erhalten, was auch die Ermittlungen aufwendiger gestalten dürfte.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie ist ein solcher Fall überhaupt zu erklären?

Ein Fehler im System kam der angeblichen Ärztin dabei offenbar entgegen, denn: Ein Zentralregister für approbierte Mediziner gebe es laut Denz nicht, obwohl dies von Patientenschützern schon seit Langem gefordert werde. Stattdessen werden Approbationsurkunden bei den Ländern registriert. Im Fall von Baden-Württemberg ist dafür das Regierungspräsidium Stuttgart zuständig.

„Hierbei gilt es zu bedenken, dass eine Urkunde für sich steht. Das bedeutet, dass Approbationsurkunden nicht per se vom Regierungspräsidium geprüft werden.“ Denn pro Jahr werden der Behörde hunderte Dokumente eingereicht, verweist Denz auf ein weiteres Problem.

Dies habe zur Folge, dass falsche Ärzte ein wesentlich häufigeres Phänomen seien als gemeinhin angenommen. Deutschlandweit gebe es laut Schätzungen etwa 20 derartige Fälle pro Jahr – und längst nicht immer gehe die Sache so glimpflich aus wie in Waldshut, wo laut Klinikum zumindest keine Patienten in Mitleidenschaft gezogen worden seien.

Die technischen Möglichkeiten trügen ihr übriges dazu bei, professionelle Fälschungen zu erleichtern, so Denz. Auch im vorliegenden Fall sei erst bei einer sehr genauen Überprüfung der Dokumente durch das RP aufgefallen, dass diese falsch seien.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie geht das Klinikum mit dem Fall um?

„Trotzdem wir Opfer einer professionellen Fälschung wurden, sind wir froh, dass wir Dank unseres Risikomanagements sowie unseren Einarbeitungsstandards dem Betrug auf die Schliche kamen, sodass wir entsprechende Maßnahmen ergreifen konnten und Anzeige erstattet haben“, sagt Luisa Denz.

Der enge Austausch mit Polizei und Regierungspräsidium im Anschluss an den Vorfall habe auch bestätigt, dass das Haus „im Rahmen unserer Prüfmöglichkeiten“ alles richtig gemacht habe. Dies sei Bestätigung, dass die vorhandenen internen Mechanismen griffen.

Derweil seien die Mitarbeiter in der Personalabteilung sensibilisiert, noch genauer auf Unregelmäßigkeiten zu achten. Denn es sei nicht zu erwarten, dass sich an anderen Stellen des Systems zeitnah etwas zum Besseren verändere.

Das könnte Sie auch interessieren