Herr Pfarrer Rümmele, Sie kommen ganz neu aus dem Kinzigtal an den Hochrhein. Was ist Ihnen als leitender Pfarrer besonders wichtig?
Hannes Rümmele: Mir war immer wichtig, zu zeigen, um was es uns wirklich geht: Nämlich darum, die Menschen mit Christus in Verbindung zu bringen. Konkret heißt das für mich, die frohe Botschaft und das Evangelium Jesu Christi zu verkünden. Als Kirche spricht man auch über gesellschaftliche Themen wie Umweltschutz – das gehört dazu. Aber unser Glaube muss im Mittelpunkt stehen.
In der Kirche gibt es konservative und liberale Weltbilder. Wo verorten Sie sich?
Hannes Rümmele: Das kommt wahrscheinlich darauf an, wen Sie fragen. Ich würde mich in der Mitte ansiedeln. Ich habe keine Probleme, mit konservativen Gruppen in Kontakt zu kommen, öffne mich aber auch gerne für moderne Dinge. Kirche heute zu führen heißt sowohl ein lateinisches Hochamt mit Kirchenchor zu leiten, als auch einen Jugendgottesdienst mit Auszügen aus Lucky-Luke-Comics. Auf alle einzugehen, muss heute unser Anspruch sein.
Die neue Pfarrei „An der Wutach“ entsteht. Wie fühlt sich das an?
Hannes Rümmele: Neu, groß und aufregend – auch weil ich die Gegend, die Menschen und die Gremien noch nicht kenne. Aber natürlich im Inhalt auch mit vielen bekannten Anteilen. Das Neue wird auf jeden Fall sein, territorial noch viel größer zu denken, denn aus acht Seelsorgeeinheiten mit insgesamt rund 40.700 Gläubigen wird eine Pfarrei – von hoch oben im Schwarzwald bis hinunter ins Wutachtal, in den Jestetter Zipfel bis nach Waldshut-Tiengen und Dogern.
Wo liegen die Herausforderungen?
Hannes Rümmele: Wir müssen Vernetzung und Kommunikationsstrukturen zwischen allen Akteuren schaffen – das ist das Allerwichtigste. Mit Helga Bing haben wir eine leitende Referentin und Projektkoordinatorin gewonnen, die all diese Strippen zieht und seit rund einem Jahr die Bildung der neuen Kirchengemeinde vorbereitet. Es waren acht Seelsorgeeinheiten, die alle unterschiedliche Gepräge haben. Diese jetzt in ein großes Ganzes zusammenzuführen, dabei allen Raum zu geben und gleichzeitig ein Miteinander zu schaffen – das ist das wichtigste Ziel.
Wie genau packt Helga Bing das an?
Hannes Rümmele: Wir haben eine verkleinerte Vollversammlung eingerichtet, in der Pfarrgemeinderäte aus der ganzen Region sitzen. Jeder vertritt darin die Wünsche und Ziele seiner Pfarrei, um gemeinsam Lösungen zu finden. Wie Helga Bing berichtet, hat man am Anfang noch viel innere Distanz zwischen den Menschen gespürt. Aber je länger die Menschen miteinander in Kontakt sind und erklären, was ihnen wichtig ist, desto mehr wächst das Wohlwollen und Miteinander. Im Kennenlernen liegt eine große Kraft.
Bleiben denn alle Angestellten, die bei den Seelsorgeeinheiten beschäftigt waren, oder rollen im Zuge der Reform auch Köpfe – wie man so schön sagt?
Hannes Rümmele: Köpfe rollen tatsächlich keine. Aber manche Pfarrer unserer Seelsorgeeinheiten widmen sich neuen Lebensabschnitten: Romuald Pawletta aus Tiengen verabschiedet sich am 1. September in den Ruhestand, Ulrich Sickinger hat sich als Leiter von St. Verena am 1. Juli verabschiedet und ist nun Pfarrer in Laufenburg, Pater Bernhard Fuhrmann aus Gurtweil geht Ende des Jahres in den Ruhestand, Fabian Schneider aus Bonndorf zieht als neuer leitender Pfarrer nach Donaueschingen und Pfarrer Martin Metzler aus Hohentengen hat sich entschieden, in ein Kloster zu gehen. Neu kommt stattdessen zum Beispiel der in Wehr aufgewachsene Julian Donner, als stellvertretender leitender Pfarrer der neuen großen Kirchengemeinde, nach Bonndorf.
Was sind die häufigsten Sorgen und Ängste, die Gemeindemitglieder aufgrund der Neustrukturierung äußern?
Hannes Rümmele: Die Anliegen sind für unsere Katholikinnen und Katholiken nicht banal, wenn sie auch überwiegend alltägliche Fragen haben, wie, ob die Gebetsgruppe im eigenen Dorf noch stattfinden wird. Die Fragen sind geprägt von der Suche nach Sicherheit und der Sorge, ihre spirituellen Räume zu verlieren. Aber wir können Entwarnung geben: Wir machen ja jetzt nicht alle Kirchen zu. Vor allem Jugendliche hinterfragen auch mein eher junges Alter – mit 43 Jahren – viele haben noch die Vorstellung, dass ein Priester alt sein muss.
Wo werden ab 2026 noch Gottesdienste stattfinden?
Hannes Rümmele: Wir haben 99 Kirchen und Kapellen in der neuen Pfarrei. Insgesamt sind wir 30 Hauptamtliche, davon elf Priester, dazu kommen rund 60 Ehrenamtliche. Dadurch werden in 65 Gotteshäusern noch regelmäßig Sonntagsmessen stattfinden. Fast jede Kirche hat ihr eigenes Patrozinium, auch Fronleichnams-Traditionen und Brauchtumsfeste, die kirchlich begleitet werden, haben in vielen Orten eine hohe Bedeutung. Diese Traditionen wird es auch weiterhin geben – in Zukunft vielleicht sogar etwas vernetzter, über die alteingefahren Pfarreigrenzen hinweg.
Was sind wichtige Schritte in den fünf Monaten bis zum Startschuss?
Hannes Rümmele: Neben dem Kennenlernen und Netzwerke schaffen sind das vor allem die Pfarreiratswahlen am 19. Oktober. Das ist wichtig, damit der Rat als Nachfolgegremium des Pfarrgemeinderates zum 1. Januar 2026 als Gremium feststeht.
Und welche Herausforderungen warten auf Sie ganz persönlich?
Hannes Rümmele: Ich lerne die Gegend und die Menschen aktuell schon mehr und mehr kennen. Zuhören, hinschauen, Kontakte knüpfen – das wird mich in den nächsten Monaten sicher besonders fordern – aufgrund der vielen Berge, Täler und der territorialen Größe auf besondere Weise. Pfarrer, die so großen Kirchengemeinden vorstehen, gab es bisher ja noch nie. Das heißt: Was wirklich auf einen zukommt, muss sich zeigen und ist auch für mich aufregend. Das Projekt heißt aber ja auch Kirchenentwicklung 2030 – das heißt, wir haben Zeit, Dinge Schritt für Schritt umzusetzen.
Wann ziehen Sie nach Tiengen?
Hannes Rümmele: Mein Amt als Leitender Pfarrer trete ich am 1. Januar an. Doch ich werde etwas früher antreten und die vakanten Stellen in Waldshut-Tiengen übernehmen. Am 9. September ziehe ich in Tiengen ins Pfarrhaus ein und freue mich auf diesen neuen Lebensabschnitt.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Hannes Rümmele: Zusammenschlüsse gab es seit jeher – und es hat immer ein Stück weit für Empörung gesorgt. Was wir nicht vergessen dürfen: „Katholizität“ heißt auch allumfassend. Katholik zu sein, bedeutet also Vielfalt – angefangen bei den großen Andersartigkeiten der Weltkirchen in Rom, Tansania oder Indien bis hin zu den kleinsten Details wie der Gestaltung einer Messe im alten Ritus, einer moderneren Jugendkirche bis hin zu Heavy-Metal-Gottesdiensten. Wir müssen aufhören, uns gegenseitig das katholisch sein abzusprechen, in eine gute Kommunikation kommen, Geduld und Vertrauen mitbringen – dann schaffen wir ein Miteinander. Und ich wünsche mir, dass der Herr Pfarrer nicht zu sehr zum Super-Katholik verklärt wird. Wir alle sind getaufte Katholiken, teilen das Priestertum. Und ein Gottesdienst oder eine Festivität sind nicht mehr wert, weil ich vor Ort bin. Auch die Gemeindereferentin vor Ort bringt Gott den Menschen näher.