Thomas Schlägel strahlt über das ganze Gesicht, wenn er seinem Fanfarenzug (FZ) Frichtle vornewegläuft und den Ton angibt. Spaß an der Fasnacht und der Musik und Stolz auf die tolle Truppe vereinen sich in seiner Mimik, denn er ist das allererste Frichtle. Thomas Schlägel hat vor 50 Jahren den FZ Frichtle gegründet.
Die adaptierte blau-weiße Schuluniform ist neben dem musikalischen Können Markenzeichen der traditionellen Fasnachts-Musikgruppe. Viel verändert hat sich in diesem halben Jahrhundert eigentlich nicht, außer dass der Verein mitgewachsen ist. Als kleiner Kinder-Fanfarenzug gegründet, ist er mittlerweile ein stattlicher Familien-FZ.

Fasnachtsverrückt war Thomas Schlägel schon immer. Der praktizierende Arzt mutmaßt, die Epigenetik sei dafür verantwortlich. Es brauche nur einen entsprechenden Trigger und schon werde Fasnachtsstimmung ausgelöst. Das war bei ihm schon immer so und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch so bleiben. Der Ellenrieder-Schüler hatte seinerzeit Schlagzeug in einer kleinen Band gespielt.
Eine Waschmittelbox war seine erste Trommel
„Ich bin am 17. Januar geboren und war gerade 15 geworden“, erinnert sich Thomas Schlägel an das Jahr 1972. Aus einer Waschmittelbox hatte ihm seine Mutter eine Trommel gebastelt und damit ist er an Fasnacht um den Block gelaufen.
Wie gerne hätte der Junge in einem richtigen Fanfarenzug mitgespielt, aber: „Da durfte man erst ab 16 rein“, seufzt Thomas Schlägel, wenn er sich daran erinnert. Ein Jahr warten? Das kam für ihn nicht in Frage und er beschloss: „Dann mache ich selber was!“

Direkt nach Fasnacht fragte er nach einer Mathestunde in der großen Pause seine Klassenkameraden – und ruckzuck hatte sich eine Gruppe von 10- bis 15-jährigen Schülern gebildet. „Wir waren erst der Ellenrieder-FZ“, so Schlägel, der sich noch genau an das Ereignis des ersten Auftritts erinnert. „Schulfest September 1972. Wir waren zu Acht. Drei Bläser, fünf Trommler – Fanfaren, Marsch- und Landknechtstrommel“, so der Gründer über die Besetzung.
Geniestreich der Mädchen: Endlich Frauenpower!
Dank dieser gelungenen Premiere kamen auch gleich weitere Interessierte dazu, „unter anderem meine jetzige Frau Sonja“, schmunzelt Schlägel. Ja, das war so eine Sache, denn „damals war Fanfarenzug eine reine Männersache – Frauen? Geht gar nicht“. Aber Sonja kam unerschrocken zur Probe. „Sie war 10 Jahre, hatte kurze Haare und sah aus wie ein Kerle“, erzählt Thomas Schlägel.
Die Gruppe stimmte ab. Mit 5:3 wurde sie aufgenommen. „Das zog einen Rattenschwanz nach sich“, berichtet er mit gespieltem Stöhnen weiter, denn sofort opponierte seine 13-jährige Schwester Susanne erfolgreich. „So waren wir einer der ersten gemischten Fanfarenzüge in Konstanz“, so das Erstlings-Frichtle.

Rasch spielten auch Kinder und Jugendliche anderer Schulen mit, so dass 1974 mit Fanfarenzug Frichtle ein „neutraler“ und zugleich Konstanzerischer Name gefunden wurde. Schlägels Mama Rita Laura – „sie hat uns immer total unterstützt“, so Schlägel – hat „eine alte Schuluniform umgedeutet, womit wir ein wertiges Fasnachtskostüm hatten“, so der Gründer.
Als Thomas Schlägel nach dem Abitur Konstanz von 1976 bis 1980 wegen des Studiums verließ, „dümpelte der FZ mehr oder weniger dahin, aber es war nie nichts“. Aufschwung erlebte die Gruppe, als mit Jens und Sven König zwei junge Kerle eintraten, deren Eltern Bärbel und Peter ein Jahr später ebenfalls mitspielten. Sie verhalfen zur Struktur und letztlich 1982 zur Gründung eines eingetragenen Vereins. „Der Eintritt in die Gemeinschaft Konstanzer Fanfarenzüge (GKF) war ein großer Schritt und alles andere als selbstverständlich, denn es gab große Konkurrenz“, stellt Thomas Schlägel fest.
Anfang der 1980er habe es noch weit mehr als 16 Fanfarenzüge in Konstanz gegeben, darunter Lachmöwe, Robin Hood und Kretzer-Garde. Und: „Nicht alle waren sich grün. Sind sich die Fanfarenzüge in der Stadt begegnet, dann hat jeder seinen Schritt getrommelt und die Devise war, doppelt so laut zu spielen“, erinnert sich Schlägel. „Die GKF wurde gegründet, um dem Wildwuchs an Fanfarenzügen Einhalt zu gebieten“, berichtet er. Gleichzeitig wurde das Miteinander unter den Mitgliedsvereinen gefördert. „Es war ein Entwicklungsprozess. Aber ein Gegeneinander gibt es längst nicht mehr“, ist Thomas Schlägel glücklich.
Fanfarenzug-Sterben in den 1990er Jahren
In den 1990er Jahren blühten plötzlich Guggenmusiken auf. Dieser Trend ging zu Lasten der Fanfarenzüge, so dass viele aufgrund Mitgliedermangels aufgeben mussten. Nicht der FZ Frichtle. „Seit Mitte der 1990er Jahren haben wir eine relative Konstanz, was die Mitgliederzahl anbelangt. Mindestens 50 bis maximal 70 Aktive“, stellt das Pionier-Frichtle zufrieden fest.

Was ist das Erfolgsgeheimnis? „Das frage ich mich auch“, lächelt Schlägel. Der Verein habe sich im Laufe der Zeit vom Kinder- zum Familien-FZ entwickelt. Aber Schlägel denkt, es sei die „gelebte Philosophie“ des Vereins. „Egel in welcher Lebensphase: Im Verein muss solch keiner anders geben, sondern kann so bleiben wie er ist“, sagt der Ur-Frichtle-Vater, der dabei auch an die nicht vergnügungssteuerpflichtige Pubertät denkt.
Was aber alle eine, sei die Verbundenheit zur Konstanzer Fasnacht, die etwas ganz Besonderes ist. Und die Figur des Frichtles sei schlichtweg sympathisch, da es Freiheit für Spontanität lasse und im Fanfarenzug mit Freuden auch ausgelebt werde.

Was Thomas Schlägel noch wichtig ist: „Bei uns bekommt jeder kostenlose Musikausbildung, womit wir einen Zulauf aus der gesamten Bevölkerung haben.“ Wichtig seien auch die Reisen, die den Zusammenhalt förderten. „Wir waren in allen Partnerstädten, außer China“, so Schlägel.
Das Herz schlägt für die Konstanzer Fasnacht
Noch immer ist Thomas Schlägel, der gemeinsam mit Thomas Konopka die musikalische Leistung innehat, an vorderster Front und: „Mir macht‘s immer noch Spaß. Probe ist für mich wie Kurzurlaub.“ Bei der letzten Jahreshauptversammlung wurde er in geheimer Abstimmung einstimmig wiedergewählt. „Ein tolles Zeichen“, stellt er fest, denn: „Ich habe ein sensibles Ohr. Ich will nicht hier rausgetragen werden.“
Doch daran ist noch nicht zu denken. Dazu genießt er Fasnacht viel zu sehr. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören, wenn er von den Erlebnissen schwärmt. Zum Beispiel von der Kindergartenbefreiung am gerade vergangenen Schmotzigen Dunschtig: „Es war so herrlich, wie die Kinder am Zaun standen und Narrensprüchle aufgesagt haben. Sogar de Ratzegiggl kannten sie. Da hast du grad Gänsehaut gekriegt…“