Konstanz hat weiterhin keine Klarheit darüber, wie es mit dem Programm Smart Green City weitergeht, das die Stadt in der Digitalisierung und im Klimaschutz voranbringen soll. In der letzten Sitzung des Gemeinderats verhinderte Oberbürgermeister Uli Burchardt einen neuerlichen schweren Rückschlag des Projekts, indem er für eine weitere Beratungsrunde eine Mehrheit organisieren konnte.
Die Sondersitzung soll schlappe neuneinhalb Stunden dauern
Nun soll der Gemeinderat in einer auf rund zehn Stunden veranschlagten Sitzung alle 18 Projekte des Programms nochmals einzeln diskutieren. Im Januar könnten entweder die letzten formalen Hürden abgebaut sein – oder das Vorhaben wohl endgültig begraben werden.
Seit dem erheblichen Widerstand gegen die Ausgaben von weiteren rund vier Millionen Euro aus dem Etat der Stadt vor wenigen Wochen im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss steht das Projekt auf der Kippe. Zuletzt stand ausgerechnet die CDU-Fraktion kurz davor, dem CDU-Oberbürgermeister die zweite schwere politische Niederlage dieses Jahres beizubringen.
Nachdem die christdemokratischen Stadträte Uli Burchardt im Juli überraschend und kurzfristig die Gefolgschaft beim geplanten Teil-Einstieg der Thüga bei den Stadtwerken verweigert hatten, wollten sie nun die städtischen Mittel für Smart Green City auf die Hälfte stutzen. Das hätte für das ehrgeizige Programm im Prinzip das Aus bedeutet, warnte Leiterin Christin Wohlrath.
Ist das Programm nun gerettet? Zumindest ist es noch nicht tot
Nun kam dem Oberbürgermeister ausgerechnet die Freie Grüne Liste (FGL) zu Hilfe. Sie hatte eine neuerliche Beratung beantragt, und deren Ergebnis gilt als offen. So ist die Wahrscheinlichkeit, dass Smart Green City inklusive der von Teilen der Politik kritisierten Einzelprojekte noch kommt, zumindest nicht kleiner geworden.
Dorothee Jacobs-Krahnen von der FGL entlastete gar den OB dabei mit einer Aussage, die vielen ihrer Kollegen im Rat nicht gefiel: Man habe „einen Verfahrensfehler gemacht“, weil der Rat nicht wie eigentlich verabredet nie über die Einzelprojekte diskutiert habe. Das wiederum weist Jürgen Faden von den Freien Wählern weit von sich: Die Verwaltung habe einfach die Zusage nicht eingehalten, Beschlüsse in der Sache herbeizuführen.
Noch deutlicher wird Heike Rawitzer von der CDU, die auch hier nicht vor Kritik am OB und seiner Verwaltung zurückschreckt. Die Diskussion, sagt sie, sei „unsäglich“ und Ergebnis eines „Brechstangen-Verfahrens“. Der Gemeinderat sei auch zeitlich massiv unter Druck gesetzt worden, dem Programm zuzustimmen.
Das habe man getan, doch sei es nicht gelungen, die wachsenden Bedenken bei einer Mehrzahl der Räte auszuräumen. Immerhin gebe es dafür nun noch eine Chance, sagt auch Holger Reile von der Linken Liste, denn es geht „um Millionen Steuergelder“.
FGL-Stadtrat: Kita-Gebühren erhöhen und dann nicht nötige Projekte bezahlen – das verstehen viele nicht
Hier setzt auch Till Seiler von der FGL an und macht deutlich, dass das Programm, das dem OB so viel bedeutet, noch nicht in Gänze gerettet sei. Er tue sich schwer, Bürgern zu erklären, warum mit ihrem Geld Wassergüte-Sensoren an Badestellen eingesetzt werden oder warum Schulgärten eine Elektronik brauchen, die anzeigt, welche Pflanze mal wieder gegossen werden sollte – vor allem, wenn anderswo gespart werden muss.
Es gebe, so Seiler, „in Teilen der Stadt kein Verständnis dafür“, dass einerseits Kita-Gebühren deutlich erhöht würden und Konstanz andererseits Geld ausgebe für Projekte, die zwar innovative Vorhaben, aber sicher nicht originäre Aufgabe der städtischen Daseinsvorsorge seien. Er fordert deshalb: Smart Green City auf diejenigen Projekte begrenzen, die Konstanz einen sicheren Mehrwert bringen.
Die Befürworter von Smart Green City sind nur noch genervt
Genau das sehen die Verfechter des Programms im Jungen Forum und der SPD anders. Man sollte das Programm unbedingt als ganzes fortführen, „auch wenn wir uns bewusst sind, dass einzelne Projekte in der Sackgasse landen werden“, fordert etwas Mattias Schäfer (JFK), und seine Fraktionskollegin Verena Vögt zeigt sich nur noch entnervt: „Wo hat diese Debatte hier irgendwann mal eine Ende?“, stöhnt sie auf und fragt, wann die Beteiligten endlich mal in Ruhe arbeiten können.
Jan Welsch von der SPD hält die andauernde Debatte für „niemandem mehr außerhalb dieses Gremiums noch nachvollziehbar erklärbar“. Alle Informationen lägen seit Langem vor, und die ausgezeichneten Beurteilungen der Konstanzer Bewerbung beim Bund – von dort kommen rund zwei Drittel des 15-Millionen-Euro-Pakets – spreche auch für sich. Nun nochmals einen ganzen Tag lang zu debattieren, ist für ihn „ein exzellentes Beispiel für absolute Ineffizienz gemeinderätlicher Entscheidungen“.


Debatte über jedes Einzelprojekt: Nun nimmt sich die Politik nochmals einen ganzen Tag Zeit
Trotz vieler Klagen über die hohe zeitliche Belastung durch das Ehrenamt nimmt sich der Gemeinderat nun aber doch noch einmal viel Zeit, von über neun Stunden ist bereits jetzt die Rede. Dem stimmten im Gemeinderat immerhin 26 Mitglieder zu. Zehn lehnten es ab, weil sie in der nächsten Runde beim Dauerthema keinen Mehrwert mehr sehen.
Geduld und im Einzelfall auch einen verständnisvollen Arbeitgeber brauchen sie aber alle. Zum Ende der Debatte verlegten die Stadträte den Beginn der nächste Debatte in gleicher Sache am 11. Januar von zehn auf neun Uhr vor. Damit sie abends dann auch irgendwann hinauskommen aus dem Ratssaal in ihre City, von der sie dann endlich wissen, wie smart und green sie sie haben wollen.