Was ist los bei der Traditionsfirma Gohl? Seit 85 Jahren produziert das einstige Familienunternehmen Kühltürme für Nasskühlung, beschichtete Bleche im Kulissenbau und Register. Bis zu 30 Prozent seiner Produkte werden von Singen ins europäische Ausland exportiert. Mit Gewinn, wie der Betriebsratsvorsitzende Joachim Graf und seine frisch gewählten Kollegen Michael Kost und Kevin Nitsche am Freitagnachmittag erklären. Doch damit soll im Oktober 2019 Schluss sein.

"Ende Februar eröffnete die Geschäftsleitung den Mitarbeitern der E.W. Gohl GmbH, dass im Rahmen einer Fusion mit der KTK Kühlturm Karlsruhe GmbH der Fertigungsstandort Singen geschlossen und die Kühlturmfertigung nach Durmersheim bei Karlsruhe verlagert werde", berichten die Vertreter der nach der jüngsten Restrukturierung verbliebenen 65 Beschäftigten gemeinsam mit dem zweiten Bevollmächtigten der Gewerkschaft IG Metall. In einem dürren Vortrag seien die Mitarbeiter vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Die Empörung ist groß, zumal der Betriebsrat in diese Entscheidung nicht einbezogen wurde. Zwar habe man den Beschäftigten Arbeitsplätze in Karlsruhe angeboten, berichtet Graf; doch komme ein Wechsel für die wenigsten in Frage. Viele der Mitarbeiter sind seit Jahrzehnten in dem Singener Unternehmen tätig. Der Altersdurchschnitt liegt bei 47 Jahren. Da sei es schwer, seinen Lebensmittelpunkt zu verlagern. Graf und Kost unterstellen der Geschäftsleitung eine Politik der Winkelzüge. "Die wollen keine hohen Abfindungen bezahlen", sagt Michael Kost. "Und sie wissen genau, dass die meisten durch Familie und Haus hier gebunden sind und deshalb das Jobangebot nicht annehmen werden."

Wirtschaftliche Gründe gebe nicht, so Betriebsrat und IG Metall. Die Firmenleitung, vertreten durch den Interimsgeschäftsführer Andreas von Bandemer, war am Freitag nicht mehr für eine Stellungnahme zu gewinnen.

Sie wollen die Verlagerung des Standortes der Firma Gohl nicht einfach hinnehmen (von links): Michael Kost, Raoul Ulbrich (IG-Metall), ...
Sie wollen die Verlagerung des Standortes der Firma Gohl nicht einfach hinnehmen (von links): Michael Kost, Raoul Ulbrich (IG-Metall), Joachim Graf und Kevin Nitsche. Bild: Gudrun Trautmann | Bild: Gtr

Das Vertrauen in die Geschäftsführung ist schon länger gestört. Im Sommer 2017 hatte diese vor dem Radolfzeller Arbeitsgericht versucht, den Betriebsrat auszuhebeln, dann aber die Anzeige wieder zurückgezogen. Mit der Begründung die Anlagen zur Nasskühlung hätten Absatzschwierigkeiten, hatte es bereits im September 2016 eine Restrukturierung mit einem Abbau von 15 Stellen gegeben. "Danach wurden Leiharbeiter eingestellt, weil die Stammmannschaft die Nachfrage nach Nass-Kühl-Anlagen nicht mehr bewältigte", erklärt Michael Kost kopfschüttelnd.

Die neuesten Pläne verstehen die Beschäftigten von Gohl gar nicht mehr. Kampflos wollen sie ihre Arbeitsplätze aber nicht aufgeben, sondern hoffen nun auf Solidarität aus Politik und Gesellschaft.

 

Das Unternehmen

Die Firma E.W. Gohl wurde als Familienbetrieb in Singen gegründet. Das Geschäft mit den Kühltürmen entwickelte sich gut. 2012 zog sich das letzte Mitglied der Familie Gohl aus dem Unternehmen zurück. Die französische Cofinair-Gruppe übernahm die Singener Firma, der bereits seit 1988 Jacir Cooling Towers angehört. 2017 schlüpfte auch die Karlsruher KTK unter das Dach von Cofinair. Damit wurden aus einstigen Konkurrenten Schwesterunternehmen. Die Singener Firmenleitung plant jetzt die Verschmelzung mit dem Karlsruher Unternehmen und hat nach Aussagen des Betriebsrates in einer Mitarbeiterversammlung angekündigt, dort eine neue Halle zu bauen. Den Singener Beschäftigten seien Arbeitsplätze in Karlsruhe angeboten worden. (gtr)