Wie soll Singen in Zukunft aussehen? Das ist eine Frage, die der Gestaltungsbeirat ab sofort mitbeantworten möchte. Experten sollen mit Empfehlungen einschätzen, ob ein Bauprojekt stimmig ist: Entspricht es dem städtischen Charakter Singens? Wird hier zu dicht oder zu schlicht gebaut? Und auf welche Punkte sollten die Bauherren achten? „Ein Gestaltungsbeirat soll die städtebauliche Qualität fördern helfen. Wir sind sozusagen die Anwälte des öffentlichen Raums“, erklärte Professor Leonhard Schenk bei der Premiere. Was beim Cano projektbezogen begann, wird nun zur festen Größe für Singens Stadtentwicklung. Schenk betonte auch den empfehlenden Charakter: Der Gestaltungsbeirat habe nicht die Macht, Gestaltungen zu bestimmen.
Drei Projekte hatte sich der Gestaltungsbeirat am Vormittag angesehen, bevor die Experten nachmittags mit weiteren Beiratsmitgliedern und Projektverantwortlichen im Bürgersaal zusammenkamen. In einigen Punkten fielen die Anmerkungen sehr eindringlich aus.
Glückwünsche fürs Schlossquartier
Viele Themen seien bereits auf dem Weg, allerdings sei man bei einigen noch in Abstimmung mit dem Denkmalschutz, sagte Stadtplanerin Patricia Gräble-Menrad eingangs über das Schlossquartier, das an der Hauptstraße, Ecke Schaffhauser Straße, entstehen soll. „Die Pläne könnten sich noch etwas ändern“, ergänzte Stadtplaner Tilo Brügel, der die Sitzung anstelle des erkrankten Fachbereichleiters Thomas Mügge moderierte. Dabei geht es beispielsweise um die Remise, wie Architekt Much Untertrifaller von Dietrich Untertrifaller Architekten mit Sitz unter anderem in Bregenz erklärte. „Wir tauschen einfach die Garagentore durch Fenster“, sagte er. Doch ein zusätzliches Fenster mit Blick auf die Hauptstraße sei noch Diskussionsthema. Außerdem müsse geklärt werden, ob die Mauer erhalten werden muss – die Bauherren fänden den Hof ohne Mauer nämlich einladender.

Für das Schlossquartier sollen die drei bestehenden Wohnhäuser abgerissen werden, Neubauten sollen Gewerbe und Wohnen verbinden. Bei der Gestaltung habe man darauf geachtet, dass das Schloss seine dominante Stellung behalte, betonte Untertrifaller. Das gelte sowohl bei der Höhe als auch bei der Farbpalette. Gestaltungsbeirats-Expertin Almut Henne sah besonders im Schlosspark ein großes Potenzial. „Es ist wirklich ein sehr großes, wichtiges Projekt“, sagte sie stellvertretend für die Expertenrunde. Der Park sei dabei keine schöne Zutat, sondern elementar.
Weitere Beiratsmitglieder hinterfragen Gastronomie, Tiefgarage und Gebäudehöhe
Walafried Schrott (SPD) hinterfragte die geplante Kombination von Gastronomie und Wohnen. Laut Stefan Nachbaur, Geschäftsführer der Projektentwicklungsgesellschaft Prisma, habe sich das an anderen Standorten bewährt. „Es ist auch gut, dass solche Standorte leben“, erwiderte er. Auch die zweigeschossige Tiefgarage sei gut durchdacht. Volkmar Schmitt-Förster (Freie Wähler) störte sich daran, dass die Gebäude gen Servicehaus Sonnenhalde immer höher werden sollen. Diese Staffelung wurde laut Architekt Werner Wohlleber viel diskutiert, aber letztlich für gut befunden. „Wir beglückwünschen zu einem solchen Projekt. Es ist städtisch und Singen ist eine Stadt, das unterstreicht es.“
Baum gibt Formen vor: Ein Mehrfamilienhaus um eine Kastanie
Einige Hausaufgaben gab es für Architekt Jo Schwarz, der die Pläne für ein Mehrfamilienhaus an der Freiheitstraße, Ecke Höristraße, vorstellte. Das fünfgeschossige Gebäude soll den gesamten Abschnitt der Höristraße prägen – und eine alte Kastanie integrieren. Rund um die zu erhaltende Kastanie soll ein kleiner Platz entstehen, wie Schwarz erklärte, an dem etwa ein Bäcker für Café-Atmosphäre sorgen könnte. Um den Baum auszusparen, soll das Gebäude an dieser Ecke abgerundet werden. Eckig wäre unwirtschaftlich, so Schwarz.

Doch auch über die Länge entlang der Höristraße soll das Gebäude etwas abgerundet sein – und das kam beim Gestaltungsbeirat nicht gut an. „Die zweite Rundung war für uns irgendwie nicht nachvollziehbar“, sagte Werner Wohlleber. Eine eckige Aussparung würde laut Almut Henne auch die Wurzeln besser schonen. Das Gremium störte sich auch grundlegend an der Gestaltung des Erdgeschosses: „Das ist schon fast eine Kellerfassade“, urteilte Wohlleber. Denn das Erdgeschoss soll nicht wie die oberen Geschosse hölzern sein, sondern verputzt werden. „Wir haben da extreme Bedenken, das muss freundlicher werden“, sagte Leonhard Schenk und bat um Wiedervorlage mit zwei bis drei Varianten sowie einem Modell.
Nach einer Anregung von Volkmar Schmitt-Förster (Freie Wähler) stellte er klar, dass das Haus auch ohne Baum funktionieren müsse. Der Baum mache die Ecke aber zu einem besonders lebenswertem Fleckchen, ergänzte Almut Henne.
Wo sollen die Parkplätze hin? Diskussionen bei Generationenhaus in Bohlingen
Zwei Familien haben sich zusammengetan, um in Bohlingen an der Straße „Auf der Höhe“ zu bauen. Dass sie das vier Jahre nach dem Entschluss in den Gestaltungsbeirat bringen würde, hätten sie nicht gedacht, wie Sigmar Peter dem SÜDKURIER erklärte. Er ist einer der Bauherren – und fand klare Worte beim Streitpunkt Parkplätze. Laut Architekt Hubert Thanner aus Rielasingen soll ein Sechs-Familienhaus zur Vermietung entstehen.
Sechs Parkplätze sind oberirdisch vor dem Gebäude geplant, sechs weitere darunter in einer Tiefgarage. Daran störten sich sowohl Leonhard Schenk als auch sein Beiratskollege Günter Herman. Während Schenk vorschlug, die oberirdischen Parkplätze etwas auszudünnen, war Herman angesichts der malerischen Lage am Ortsrand drastischer: „Ich würde am liebsten überhaupt keine Autos sehen.“ Dem widersprach Sigmar Peter als einer der Bauherren deutlich, denn das sei auch eine finanzielle Frage – und die Stadt habe anfangs mit neun oberirdischen Parkplätzen geplant.
Leonhard Schenk gab weitere Empfehlungen auf den Weg: „Ihr Gebäude hat den Auftakt für die ganze Reihe. Geben Sie dem Haus ein Gesicht.“ Auch hier wünsche sich das Gremium eine Wiedervorlage.