Es ist unumstritten: Pflegende Angehörige sind der größte ambulante Pflegedienst in Deutschland. 63 Prozent der Pflegebedürftigen werden laut Angaben des Statistischen Bundesamtes von Angehörigen versorgt. Zum Vergleich: Ambulante Pflegedienste versorgen demnach 21 Prozent der Pflegebedürftigen. Knapp fünf Millionen Deutsche waren Ende 2021 pflegebedürftig. Die Tendenz ist steigend. Mehr als drei Millionen von ihnen wurden laut Statistischem Bundesamt zu Hause von Angehörigen gepflegt.

Diese Pflegenden stehen dabei vor besonderen körperlichen und seelischen Herausforderungen. Aus diesem Grund hat Sozialpädagogin Ulrike Traub im vergangenen Jahr erstmals eine Auszeit für sie organisiert – und plant nun schon die nächste. Gemeinsam mit der Hospizgruppe Salem in Kooperation mit der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg lädt sie pflegende Angehörige auch in diesem Jahr wieder zu einer fünftägigen Reise ein. Finanziert werden soll diese auch durch Spenden.

Alles unter einen Hut bringen

Denn oftmals müssen pflegende Angehörige einen Vollzeitjob, die Bedürfnisse der eigenen Familie und die Pflege unter einen Hut bringen. Es gilt, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Angesichts der großen Anzahl von pflegenden Personen erscheint es umso erstaunlicher, dass ihr Engagement und Einsatz in vielen Fällen ungesehen bleibt.

Die Kraft, neben allen anderen Verpflichtungen noch zusätzlich für die eigenen Interessen zu kämpfen, fehlt. Entlastungsangebote und Zuschüsse sind entweder nicht bekannt oder so undurchsichtig, dass sie die nächste Hürde darstellen, weiß Ulrike Traub, Sozialpädagogin und Supervisorin in Singen.

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Mit dem Tod des Pflegebedürftigen ändere sich die Lage schließlich von einem Tag auf den anderen. Kontakte fallen weg und Hinterbliebene erleben vielmals, wie wenig sich andere für ihre Geschichte und ihre Trauer interessieren. Ulrike Traub kennt diese Situation sehr gut. Sie leitet unter anderen verschiedene Online-Gesprächskreise von ehemals pflegenden Angehörigen und weiß um deren Bedürfnisse.

So ist die Idee entstanden

So kam sie 2023 auf die Idee, speziell für ehemals pflegende Angehörige eine Auszeit anzubieten. Denn gerade sie scheinen durch sämtliche Raster zu fallen. So weiß Traub von Kuranträgen, die abgelehnt wurden, weil ja nun nach dem Tod des Angehörigen die Belastung weggefallen sei. Ihr Angebot für diesen besonderen Personenkreis, ein paar Tage im Stift Urach auf der Schwäbischen Alb zu verbringen, kam im vergangenen Jahr so gut an, dass sie es Mitte Dezember dieses Jahres wiederholt.

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Bei der Reise werden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit Menschen in der gleichen Situation zusammenzukommen. „In sechs Gesprächskreisen werden sie die Gelegenheit haben, sich über die vergangene Pflegezeit, ihre Trauer und aktuelle Lebenssituation auszutauschen“, sagt Traub.

Fünf Tage Entspannung und Austausch

Die Sozialpädagogin führt die Reise zusammen mit zwei Begleiterinnen durch. Neben den Gruppengesprächen besteht auch die Möglichkeit, mit den drei Begleiterinnen Einzelgespräche zu persönlicheren Themen zu führen. Zusätzlich werden für jeden Einzelnen eine kostenlose Massage und Entspannungssitzungen in der Gruppe am Abend durch eine Therapeutin angeboten.

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Abgerundet wird das Angebot durch Aktivitäten außer Haus wie eine Stadtführung sowie Konzert- und Restaurantbesuche. Denn selbst solch alltägliche Aktivitäten seien für einige pflegende Angehörige etwas Außergewöhnliches, da sie jahrelang nicht die Gelegenheit dazu hatten, so Traub, die auch im Vorstand der Alzheimer-Stiftung BW engagiert ist.

Der Termin im Dezember sei bewusst gewählt worden, da der Monat mit dem bevorstehenden Weihnachtsfest für viele Betroffene eine besonders schwierige Zeit sei. So könne durch die Auszeit noch einmal Kraft für die Feiertage getankt werden. Ziel der Reise soll es auch sein, dass sich die Teilnehmenden untereinander vernetzen und der Kontakt nach der Reise bestehen bleibt.

Eine Herausforderung in der Organisation der Reise sei die Finanzierung, berichtet Traub. Auch dieses Jahr werde versucht, die Kosten für die Teilnehmenden durch Spenden so gering wie möglich zu halten. Da der Träger des Projekts als gemeinnützig anerkannt ist, können Spendebescheinigungen ausgestellt werden.