Werden in Zukunft viele Unternehmen aus dem Hegau in oder mit Saudi-Arabien Geschäfte machen? Auch nach dem Vortrag des deutschen Botschafters in Saudi-Arabien Michael Kindsgrab auf Einladung der IHK Hochrhein-Bodensee und des Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsbüros Wengert können Zweifel bleiben. Das Land im Mittleren Osten ist vielen noch fremd und wird in erster Linie mit Öl, einer unermesslich reichen Herrscherfamilie und einer strengen Auslegung des Islam in Verbindung gebracht.

Doch es gab, wie aus den Fragen des Publikums deutlich wurde, eine Annäherung. Dem Botschafter ging es auch in erster Linie darum, die Augen für ein vielfältiges Land zu öffnen und mit falschen Vorstellungen aufzuräumen. Er zeigte die Möglichkeiten des Landes auf und trug dazu bei, mögliche Berührungsängste abzubauen.

Ein Land im Aufbruch

Saudi-Arabien sei ein Land im Auf- und Umbruch und offen für neue Geschäftsbeziehungen, wie Dalia Samra-Rothe, die Delegierte der Deutschen Außenhandelskammer, vermittelte. Sie war per Online-Konferenz aus der Hauptstadt Riad zugeschaltet. Deshalb biete es für deutsche Unternehmen Chancen. In den vergangenen zehn bis 15 Jahren habe sich in dem als rückschrittlich geltenden Land, in dem das islamische Strafrecht der Scharia gilt, viel getan. Seit fünf Jahren dürften auch Frauen Führungspositionen besetzen.

Ebenfalls zu Gast in Singen: Der Gernalkonsul von Saudi-Arabien Mohammed Alshalfan aus Frankfurt.
Ebenfalls zu Gast in Singen: Der Gernalkonsul von Saudi-Arabien Mohammed Alshalfan aus Frankfurt. | Bild: Weiß, Jacqueline

Die „Vision 2030“, der sich das Land verschrieben habe, beinhalte unter anderem, dass es sich weg vom Fürsorgestaat und weg vom Öl hin zu erneuerbaren Energien entwickle. Aufbruchstimmung und auch Nachholbedarf herrsche in fast allen Sektoren der Wirtschaft wie zum Beispiel im Tourismus oder der Unterhaltungsindustrie, wie Samra-Rothe darlegte.

Mega-Projekte wie die geplante, grüne Megacity Neom in der Wüste seien Ausdruck dieser Aufbruchstimmung. Bei Neom sollen zwei Hochhäusern auf Linie von 170 Kilometern einmal neun Millionen Menschen beherbergen. Die Stadt soll komplett mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Für das Projekt sollen laut Menschenrechtsaktivisten Menschen vertrieben und inhaftiert worden sein, berichtet etwa die Tagesschau. Außerdem gab es zuletzt Berichte, dass die Hochhäuser deutlich kürzer werden sollen.

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Alexander Rieck, Direktor und Gründer des internationalen Architekturbüros Lava, der an diesem Projekt beteiligt ist, schilderte seine Erfahrungen im Umgang mit den Saudis. Aus seiner Sicht biete das Land fantastische Möglichkeiten. „Die 100 größten Architekturbüros der Welt sind im Land vertreten, fünf davon aus Deutschland“, berichtete er.

Die Stimmung im Land sei, was die Zukunft angehe, vor allem bei jungen Leuten wesentlich euphorischer als hier. Deutschland stehe in Saudi-Arabien noch für Qualität und könne damit punkten. Andererseits werde unser Land auch als kompliziert wahrgenommen. Er zeigte noch einen anderen Aspekt auf, warum es sich lohne, sich in Saudi-Arabien zu engagieren: „Afrika gewinnt man durch Saudi-Arabien.“

Das Steuerberater- und Wirtschaftsprüfungsbüro Wengert freute sich über die Gäste und den Austausch.
Das Steuerberater- und Wirtschaftsprüfungsbüro Wengert freute sich über die Gäste und den Austausch. | Bild: Weiß, Jacqueline

Die Fragen der Unternehmer im Publikum bezogen sich auf Saudis als Angestellte im Betrieb, auf das Ausbildungsniveau der Bevölkerung, auf die Einkommensverhältnisse, die Sicherheitslage und das Leben im Land. Es sei so, erklärte Botschafter Kindsgrab, dass deutsche Unternehmen verpflichtet seien, eine bestimmte Quote an Saudis zu beschäftigen. Der Akademikeranteil sei im Königreich hoch, viele junge Leute seien gut ausgebildet, ein duales Ausbildungssystem wie in Deutschland gebe es allerdings nicht, berichtete Dalia Samra-Rothe.

Sicherheitslage ist derzeit angespannt

„Saudi-Arabien ist kein Niedriglohnland“, stellte Michael Kindsgrab klar. Doch es gebe ein großes Potenzial an Arbeitskräften und einen großen Markt. Zur Sicherheit erklärte er, dass die Lage wegen des Krieges in Nahost gerade extrem bedrohlich sei. Saudi-Arabien habe in diesem Konflikt zunehmend die Rolle eines stabilisierenden Faktors eingenommen, erklärte Kindsgrab, der seit August Botschafter des Landes ist. Das außenpolitische Gewicht des Landes habe zugenommen, was man auch daran sehe, dass immer mehr deutsche Delegationen ins Land kommen.

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„Lebt es sich dort gut?“, war eine Frage aus dem Publikum. „Als Botschafter lebt es sich immer gut“, erklärte Kindsgrab scherzhaft. Er erlebe seine Aufgabe und die Entwicklung im Land als sehr spannend und was er von seiner Familie und Bekannten höre, könne man in Saudi-Arabien gut leben. Im Sommer sei es allerdings mit teils über 45 Grad sehr heiß und als Europäer könne man sich nur von Klimaanlage zu Klimaanlage bewegen.

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Bund bietet Unternehmern Unterstützung

„Schauen Sie es sich an, es ist hilfreich, das Land mit eigenen Augen zu sehen“, rief der Botschafter die Zuhörer auf. Er warb mit seinem Vortrag auch für die vielen Unterstützungsmöglichkeiten, die der Bund Unternehmern unter anderem mit Außenhandelskammern und Außenwirtschaftsagentur biete. Über Messebeteiligungen und Markterkundungsreisen könnten Kontakte vermittelt werden.

Dem schlossen sich Patrick und Georg Wengert von der Wengert AG als Gastgeber der Veranstaltung und der saudi-arabische Generalkonsul Mohammed Alshalfan an. Sie rieten den Anwesenden, sich Hilfe zu holen und Kontakte zu pflegen. Der Abend mit dem Botschafter diene genau diesem Zweck, wie Uwe Böhm, Leiter des Geschäftsfelds International bei der IHK, erklärte.