Nahwärmenetze sind derzeit in aller Munde, denn sie werden in der Zukunft beim Beheizen von Gebäuden eine immer größere Rolle spielen. Eine Vorreiterrolle hat hier das Solarenergiedorf Liggeringen, das im März 2019 offiziell eingeweiht wurde. Der Ortsvorsteher des Radolfzeller Ortsteils, Hermann Leiz, sprach jetzt bei einer Veranstaltung in der Reihe „Wissen vor Ort“ des Ortsverbands von Bündnis 90/Die Grünen in Singen über die Erfahrungen. Einen großen Überblick über das Thema gab außerdem der Geschäftsführer der Energieagentur des Landkreises Konstanz, Gerd Burkert.

Erste Gespräche vor zehn Jahren

In Liggeringen liegen die ersten Gespräche zwischen Ortschaftsrat und Energieagentur schon rund zehn Jahre zurück, sagte Hermann Leiz. „Der damalige Leiter der Stadtwerke wollte eigentlich, dass Liggeringen an ein Gasnetz angeschlossen wird, doch das wollten wir im Ortschaftsrat nicht“. 2014 ging man das Projekt Solarenergiedorf mit zunächst 70 Grundstücken an. „Man muss für eine Sache brennen, und das habe ich getan“, sagte Leiz, der fast 30 Jahre Ortsvorsteher in Liggeringen ist.

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Zum Spatenstich waren es dann 90 Grundstücke. Aktuell gibt es laut Leiz 115 Verträge für rund 260 Häuser, was einer Anschlussquote von 60 Prozent entspricht. Mit dem Anschluss an das Wärmenetz bindet sich der Kunde dann aber für 20 Jahre. Nach elf großen Infoveranstaltungen und vielen Einzelgesprächen und Hausbesuchen ist Liggeringen ein Vorzeigeprojekt geworden und wirbt mit dem Slogan „Ein Ort mit Energie“. „Rauchende Schornsteine sieht man bei uns fast gar nicht mehr“, sagte Leiz.

Regina Henke (links) und Eberhard Röhm (rechts) vom Singener Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen hatten den Geschäftsführer der ...
Regina Henke (links) und Eberhard Röhm (rechts) vom Singener Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen hatten den Geschäftsführer der Energieagentur des Landkreises Konstanz, Gerd Burkert (Zweiter von links), sowie den Ortsvorsteher von Liggeringen, Hermann Leiz, zu einer Veranstaltung zum Thema Wärmenetze eingeladen. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Kosten sind deutlich gestiegen

Die Hausbesitzer haben in Liggeringen für den Anschluss mit Übergabestation rund 8000 Euro bezahlt und bekamen nebenbei auch noch eine Anbindung an Glasfaser. „Heute muss man sicherlich mit doppelten Kosten rechnen, zumal es auch schwer ist, Fachkräfte zu bekommen“, sagte Gerd Burkert von der Energieagentur.

In Öhningen, wo derzeit ein Wärmenetz geplant wird, werde der Anschluss wohl zwischen 15.000 und 16.000 Euro kosten, so Burkert. „Es macht übrigens auch Sinn, sich eine Leitung legen zu lassen, wenn man sich zunächst noch nicht gleich anschließen lassen will.“ Er sieht auch deshalb einen großen Vorteil in Wärmenetzen, weil sie technologieoffen sind, also unterschiedliche Wärmequellen wie Biomasse, Abwärme oder Solar nutzen können.

(Archivbild) Die Heizzentrale des Solarenergiedorfes Liggeringen.
(Archivbild) Die Heizzentrale des Solarenergiedorfes Liggeringen. | Bild: Hermann Leiz

Auch in Singen, das bis 2035 klimaneutral werden möchte, dürften Wärmenetze künftig ein Baustein sein. In der Südstadt im Masurengebiet werden derzeit Untersuchungen durchgeführt. „Energiepotenziale gibt es in Singen auch durch die Abwärme der Großbetriebe“, sagte Eberhard Röhm vom Ortsverband der Grünen. Gern würde man sie für Wärmenetze nutzen. Doch das ist nicht so einfach.

Langfristige Planung ist schwierig

„Vertragslaufzeiten von zehn Jahren sind wohl eher unrealistisch“, sagte Eberhard Röhm. Dies bestätigte Michael Köhn, Projektleiter für den Bereich Wärme bei der Thüga Energie in Singen. „Viele Firmen reagieren verhalten, weil sie nicht wissen, ob sie in fünf oder zehn Jahren noch existieren“, sagte Köhn. Beim Projekt Masurengebiet in Singen, wo sowieso alle Leitungen neu verlegt werden müssen, ist die Thüga dennoch mit ins Boot gestiegen.

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Die Thüga betreibt bereits seit 1990 ein kleines Wärmenetz am Ende der Max-Porzig-Straße im Gebiet Remishofer Zelgle in der Nordstadt, an das rund 100 Haushalte angeschlossen sind. „Dieses Wärmenetz soll möglicherweise in Richtung Uhlandstraße ausgeweitet werden“, sagte Eberhard Röhm.

Gerd Burkert sprach in Singen auch über die Verwirrung, die durch die Änderungen bei den Förderrichtlinien entstanden sei. Für den Anschluss an ein Wärmenetz bekomme man nun einen Grundfördersatz von 30 Prozent plus maximal 20 Prozent als Klimageschwindigkeitsbonus sowie einen Einkommensbonus von 30 Prozent. Bei der Wärmewende mit Wärmepumpen liege Deutschland im Übrigen europaweit ganz weit hinten, so Burkert. „Hier haben vor allem die skandinavischen Länder eine Vorreiterrolle.“