Jetzt haben die Stockacher Narren die Katze aus dem Sack gelassen: Julia Klöckner ist die nächste Beklagte, die sich vor dem Stockacher Narrengericht verantworten muss. Wie das Narrengericht in seiner Dreikönigssitzung bekanntgab, wird die 52-jährige CDU-Politikerin am Donnerstag, 27. Februar, nach Stockach kommen, um sich dem Gericht zu stellen.

Klöckner war von 2018 bis Ende 2021 Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft. Aktuell ist sie wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion und Schatzmeisterin der CDU Deutschlands. Wie der SÜDKURIER aus Narrengerichtskreisen erfahren hat, sei die Auswahl des Beklagten aufgrund der politischen Lage in diesem Jahr nicht leicht gewesen. Das galt insbesondere vor dem Hintergrund des Scheiterns der Berliner Ampelkoalition und der damit vorgezogenen Bundestagswahl, die nur vier Tage vor dem Schmotzigen Dunschtig stattfindet.

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Narren freuen sich auf ein Feuerwerk

Doch die Narren zeigen sich zufrieden mit ihrer Auswahl. „Mit und durch Julia Klöckner wird ein Feuerwerk an weiblichem Esprit am Schmotzigen Dunschtig gezündet werden“, betonen Narrenrichter Jürgen Koterzyna und Fürsprech Christoph Stetter. Für letzteren wird es die erste Narrengerichtsverhandlung im Amt des Fürsprechs, nachdem sich Wolfgang Reuther im vergangenen Jahr als Kläger verabschiedet hat und der bisherige Fürsprech Michael Nadig in die Rolle des Klägers aufgerückt ist. Erst seit dem vergangenen Jahr gehört Stetter dem Narrengericht an.

Anklagepunkte bleiben geheim

Warum sich ausgerechnet Julia Klöckner vor dem Narrengericht verantworten muss, das bleibt vorerst geheim. Wie immer werden die Anklagepunkte erst am Schmotzigen Dunschtig im Rahmen der Narrengerichtsverhandlung verkündet. Doch eigentlich gebe es viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Gericht und der Beklagten, wie Koterzyna und Stetter selbst deutlich machen.

Schließlich sei Julia Klöckner auf einem Weingut im rheinland-pfälzischen Dorf Guldental aufgewachsen, habe Mitte der 1990er-Jahre den Titel Deutsche Weinkönigin getragen, ihre Abschlussarbeit an der Universität über Weinbau in Europa geschrieben hat und sei lange Zeit Chefredakteurin des „Sommelier Magazins“ gewesen. Die Leidenschaft für Wein, die auch dem Narrengericht im Blut liegt, ist bei der Beklagten also schon mal vorhanden. „Der Schmotzige Dunschtig könnte also der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden“, scherzt Narrenrichter Jürgen Koterzyna bei der Dreikönigssitzung.

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Die Schattenseiten der Beklagten

Doch es gebe eben auch Schattenseiten an der rheinland-pfälzischen Christdemokratin. „Denn die CDU-Powerfrau ist nicht nur Expertin in Weinfragen, sondern auch glühende Anhängerin der Frauenquote und äußert sich lobend über Alice Schwarzer“, sagt Jürgen Koterzyna und fügt hinzu: „Im Hinblick auf ihre Anklage und auf die Zusammensetzung des Hohen Kollegiums machen sie solche Aussagen zur Idealbesetzung eines jeden Klägers und zum Alptraum für jeden Fürsprech vor Gericht.“ Dass sie Archiven zufolge schon zu ihren Anfängen als Politikerin so manche Altherren-Runde aufgemischt habe, runde dieses Bild nur ab.

Dass vor dem Stockacher Narrengericht noch nie ein Politiker ungeschoren davon gekommen ist, lässt eine Verurteilung vor diesem Hintergrund als äußerst wahrscheinlich wirken.

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Doch Fürsprech Christoph Stetter sieht seine Premiere in der neuen Rolle nicht ganz so aussichtslos. Er verweist darauf, dass Julia Klöckner den permanenten Spagat zwischen der Berliner Blase und dem normalen Leben in besonderer Weise meistere. Sie sei nämlich auch Ehrenoffizierin der Mainzer Ranzengarde, Ritterin des Ordens wider den tierischen Ernst und Trägerin des Pfälzer Saumagenordens. Das spreche für Bodenständigkeit und närrische Tugenden. So zeigt sich der Fürsprech zuversichtlich, dass aus der ehemaligen Deutschen Weinkönigin am Schmotzigen Dunschtig keine Weinlieferantin für das Stockacher Narrengericht wird.

Seit Langem wieder die erste Frau vor dem Gericht

Übrigens ist Julia Klöckner nach längerer Pause wieder die erste weibliche Beklagte, die sich vor dem Narrengericht verantworten muss. Im vergangenen Jahr war Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Schmotzigen Dunschtig zu Gast in Stockach. Er wurde zu einer Gesamtstrafe von acht Eimern verurteilt, die jedoch nur zur Hälfte in Wein, zur anderen Hälfte in Mineralwasser zu bezahlen war. Zusätzlich sollte Lauterbach im Sommer Schokoladeneis im Stockacher Krankenhaus verteilen und zehn neue Mitglieder für den Krankenhausförderverein werben.

Auch wenn der Gesundheitsminister nicht mehr persönlich zur Strafweinübergabe nach Stockach gekommen ist, betrachtet das Gericht die Strafe als beglichen, erklärt Narrenrichter Jürgen Koterzyna gegenüber dem SÜDKURIER.

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Im Jahr zuvor war FDP-Politiker Wolfgang Kubicki als Beklagter vor dem Stockacher Narrengericht. In den Jahren 2022 und 2021 fanden Corona-bedingt keine Narrengerichtsverhandlungen statt und 2020 war Cem Özdemir Beklagter. Die bislang letzte Frau, die sich vor dem Gremium verantworten musste, war CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer im Jahr 2019.

Auch anderer CDU-Politiker kommt zu Ehren

Neben der Verkündung der Beklagten für die diesjährige Narrengerichtsverhandlung stand auch eine besondere Ehrung auf dem Programm der Dreikönigssitzung. CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Jung erhielt für seine Verdienste um die Stockacher Fasnacht den Hans-Kuony-Orden Erster Klasse. Die Laudatio hielt ARD-Programmdirektorin Christine Strobl, deren verstorbener Vater Wolfgang Schäuble und deren Ehemann Thomas Strobl (CDU) bereits in der Vergangenheit vor dem Stockacher Narrengericht angeklagt wurden.

Ein detaillierter Bericht über den Rest der Dreikönigssitzung folgt.