Kommt heute ein Zug? Die Pendler auf der Strecke des Seehäsle zwischen Stockach und Radolfzell müssen sich diese Frage regelmäßig stellen. Denn es kommt nicht nur aufgrund von Personalmangel wegen Krankheit und Baustellen des Öfteren zu Zugausfällen. Nun fallen auch immer wieder Züge wegen Streiks aus.
Erst am Wochenende wurde die Südwestdeutsche Landesverkehrs-GmbH (SWEG), die das Seehäsle betreibt, bestreikt. Doch schon davor hatte die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zu zwei mehrstündigen Warnstreiks aufgerufen. Die Streiks seien allesamt jeweils am Vorabend des Streiktags angekündigt worden, sagt Unternehmenssprecher Christoph Meichsner von der SWEG.
Viele Fahrten mussten ausfallen
Laut Meichsner hätten am jüngsten Streikwochenende zumindest einige Fahrten angeboten werden können. „Am Freitag wurden die Zugleistungen bis mittags planmäßig gefahren, alle weiteren Fahrten sind streikbedingt ausgefallen“, so Meichsner. Wer also am Freitagnachmittag von Schule oder Arbeitsplatz mit dem Seehäsle nach Hause wollte, stand vergeblich am Bahnsteig. „Am Samstag konnte ein Großteil der Seehäsle-Züge verkehren, am Sonntag ein deutlich kleinerer Teil“, sagt der Sprecher.
Darum geht es in dem Konflikt
Hintergrund des Arbeitskampfs ist ein Konflikt zwischen SWEG und GDL. Letztere habe in den Verhandlungen für ein Tarifwerk der SWEG Bahn Stuttgart GmbH (SBS) einen Konzern-Tarifvertrag für die Bahnbediensteten der gesamten SWEG-Unternehmensgruppe gefordert. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, lautet der Standpunkt der Gewerkschaft.

Die von der SBS gefahrenen Strecken im Stuttgarter Netz/Neckartal wurden bis zum Jahreswechsel 2021/22 von Abellio Rail Baden-Württemberg GmbH, einer Tochtergesellschaft der Abellio Transport Holding mit Sitz in den Niederlanden, befahren. Als die Abellio Rail Baden-Württemberg Insolvenz jedoch anmelden musste, hatte die SWEG im Rahmen einer Notmaßnahme das Unternehmen für zunächst zwei Jahre übernommen. Dauerhaft solle die Übernahme jedoch nicht sein. Daher wolle das Unternehmen keinen Konzerntarifvertrag.
Erst am vergangenen Freitag habe der Aufsichtsrat nochmals bekräftigt, dass die Geschäftsführung keine Verhandlungen über einen Konzerntarifvertrag mit der GDL führen darf. Gleichzeitig bestehe aber die Bereitschaft, mit der GDL über einen separaten Tarifvertrag für die SBS zu verhandeln, schildert Meichsner die Lage.
Gewerkschaft teilt hart aus
Die GDL will sich indes nicht geschlagen geben. Gewerkschafts-Chef Claus Weselskys Kampfansage ist deutlich: „Unsere Mitglieder lassen sich weder vom Arbeitgeber noch vom Aufsichtsrat einschüchtern. Sie sind mehr denn je bereit, für einen Tarifvertrag zum Ausbau von Entgelt, Zulagen und Arbeitszeitregelungen sowie einer Einmalzahlung von 3000 Euro für alle GDL-Mitglieder in beiden Unternehmen (SBS und SWEG, anm.) zu kämpfen“, wird er in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft zitiert.
Längere Streiks könnten folgen
Nach Abschluss des 70-stündigen Streiks vom vergangenen Wochenende wolle man der SWEG einige Tage Zeit geben, sich zu besinnen, sagte Weselsky am Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin. „Wir erwarten eine Reaktion, um gemeinsame Verhandlungen für SWEG und SBS fortsetzen zu können. Erfolgt dies nicht, werden weitere Maßnahmen folgen“, macht Weselsky deutlich und verweist darauf, dass diese Maßnahmen „länger und intensiver werden“. Im Klartext heißt das: Die Fahrgäste an der Seehäsle-Strecke müssen damit rechnen, dass sie noch öfter vergeblich am Bahnsteig stehen, weil die Lokführer streiken.
Kommende Woche gilt Schienenersatzverkehr
Weiteres Ungemach droht den Fahrgästen des Seehäsle ab dem kommenden Wochenende. Denn von Samstag, 22., bis Freitag, 28. Oktober, ist aufgrund von Bauarbeiten zwischen Stahringen und Stockach Schienenersatzverkehr (SEV) angesagt. Die Busse fahren je nach Tageszeit alle 30 bis alle 60 Minuten, im Berufsverkehr ist die Taktung noch enger.
Im Berufsverkehr fahren einige Züge
Um den SEV im morgendlichen Schüler- und Berufsverkehr zusätzlich zu entlasten, sollen von Montag, 24., bis Freitag 28. Oktober, zumindest zwischen Radolfzell und Stahringen einige Züge fahren. Die Pendler können etwa mit dem Zug von Radolfzell um 6.40 Uhr nach Stahringen (Ankunft: 6.48 Uhr) fahren.
Von dort fährt ein Zug um 6.56 Uhr zurück nach Radolfzell (Ankunft: 7.03 Uhr). Eine weitere Zugfahrt gibt es um 7.13 Uhr von Radolfzell nach Stahringen (Ankunft: 7.21 Uhr). Von Stahringen fährt der Zug um 7.29 Uhr zurück nach Radolfzell (Ankunft: 7.36 Uhr). Ein weiterer Zug verkehrt von Radolfzell (Abfahrt: 7.51 Uhr) nach Stahringen (Ankunft: 7.59 Uhr). Der letzte morgendliche Entlastungszug fährt um 8.07 Uhr in Stahringen ab und kommt um 8.14 Uhr in Radolfzell an.
Die Fahrgäste werden gebeten, sich vorab die Fahrkarten zu besorgen, da in den SEV-Bussen weder Fahrscheinkauf noch Fahrradbeförderung möglich sei. Die detaillierten Fahrpläne sind im Internet unter www.sweg.de, www.bwegt.de/fahrplanauskunft zu finden. Telefonische Auskünfte erteilt der SWEG-Verkehrsbetrieb Hohenzollerische Landesbahn in Immendingen unter Telefon (074 62) 20 42 10.