Ein Spaziergang im Wald, plötzlich fallen Schüsse. Ein Grund die Polizei zu rufen? Manch einer tut es. So ähnlich soll nämlich ein Fall abgelaufen sein, der sich vor einiger Zeit in Mühlingen zugetragen hat. Das eigens angerückte Großaufgebot der Polizei fand allerdings nur einen Jäger vor, der berechtigt war, dort zu schießen (der SÜDKURIER berichtete).
Erst vor wenigen Tagen ereignete sich ein ähnlicher Vorfall in der Gemeinde Albbruck im Landkreis Waldshut. Kreisjägermeister Kurt Kirchmann kennt das Problem. Bei dem konkreten Vorfall in Mühlingen handelte es sich um einen seiner Jungjäger.
Polizei kommt mit Großaufgebot
„Er hat an diesem Tag zwei Rehe geschossen. Plötzlich stand eine Frau hinter ihm und hat ihn angeschrien, weil ihr freilaufender Hund durch die Schüsse erschrocken und weggelaufen ist“, berichtet Kirchmann. Die Frau habe ihn wenig später angezeigt, was ein Großaufgebot der Polizei nach sich gezogen habe.
Ein möglicher Grund, warum es zu so etwas kommt, ist für Kirchmann der erhöhte Freizeitdruck auf die Wälder seit der Corona-Pandemie. Denn seit den Lockdowns haben viele den Wald als Freizeitort für sich entdeckt. Neben Spaziergängern beobachtet Kirchmann auch Mountainbiker, Reiter und sogar Motocross-Fahrer. „Teilweise sind die Leute sogar Querfeldein und mitten in der Nacht unterwegs“, berichtet er.
Im Wald kann es gefährlich werden
Das kann mitunter gefährlich werden. „Da wir wegen der Afrikanischen Schweinepest Wildschweine intensiv bejagen müssen, können Jäger zu allen Jahres- und Tageszeiten aktiv sein“, sagt Kirchmann. Theoretisch könne es passieren, dass ein Schuss durch ein Hindernis abgelenkt wird und es zu Querschlägern kommt.
Die Tierschutzorganisation Peta sammelt auf ihrer Internetseite Berichte zu solchen Jagdunfällen. Ihren Angaben zufolge kommt es so immer wieder zu Verletzungen oder gar Todesfällen. Den Angaben der Aktivisten zufolge sind es in Deutschland durchschnittlich etwa ein Dutzend im Jahr. Für 2022 sind bislang drei Fälle in der Auflistung verzeichnet.

Der Kreisjägermeister betont indes, wie wichtig die Jagd für das Ökosystem Wald sei. Nicht nur zur Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest, auch zum Schutz von Neupflanzungen. „Der Wald leidet derzeit unter den klimatischen Veränderungen“, sagt Kirchmann.
Deshalb werden vielerorts Aufforstungen mit neuen Baumarten vorgenommen. „Das Problem ist, dass das Wild die Triebe frisst und die neu gepflanzten Bäume dann absterben. Auch deshalb müssen wir den Wildbestand klein halten.“
Jäger müssen Zielmengen erfüllen
Hierzu seien Zielmengen vorgegeben, die besagen, wie viel Wild geschossen werden muss. „Der Staat schreibt uns Jägern vor, dass eine bestimmte Zahl erfüllt wird“, erklärt der Kreisjägermeister. Um der Bevölkerung das zu vermitteln ist Kirchmann um Aufklärungsarbeit bemüht.

Oft ist Kurt Kirchmann in diesem Zusammenhang als Naturpädagoge des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg auch zu Gast an Schulen mit einem ganzen Anhänger voller Info- und Anschauungsmaterial. Grundsätzlich rät Kirchmann allen, im Bereich von Jagdlichen Einrichtungen, also beispielsweise Hochsitzen, vorsichtig zu sein.
Wer im Wald spazieren gehen möchte, sollte zudem die Wege möglichst nicht verlassen und auffällige Kleidung tragen, damit er gut erkennbar ist. „Wer seinen Vierbeiner mit in den Wald nimmt, sollte diesen unbedingt an die Leine nehmen“, so Kirchmann.
Sollte man die Polizei rufen?
Ob es bei Schüssen im Wald geboten ist, gleich die Polizei zu rufen, darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort, erklärt Katrin Rosenthal vom Polizeipräsidium Konstanz. „Eine klassische Handlungsempfehlung können wir nicht geben“, schreibt sie.
Es komme immer auf die Umstände an. Beispielsweise ob grade Jagdsaison ist. „Grundsätzlich gilt aber, auf Waldwegen bleiben und Hunde an die Leine“, betont auch Rosenthal und fügt hinzu: „Im Zweifel oder bei ungutem Gefühl ist die Polizei natürlich immer erreichbar.“

Wilderei bereitet Sorgen
Doch nicht nur der gestiegene Freizeitdruck auf die Wälder bereitet den Jägern sorgen. „Wir haben gerade auch große Probleme mit Wilderei“, berichtet Kirchmann. Zum Teil werde sogar aus Autos heraus gejagt. Im vergangenen Jahr habe man auf einer Wildkamera festgehalten, wie unbekannte mit einem Geländefahrzeug eine Junkultur von neu angepflanzten Bäumen beschädigt haben.
„Viele Jäger haben deshalb auch Angst“, so Kirchmann. Das Polizeipräsidium Konstanz hat in seinem gesamten Zuständigkeitsbereich, der die Landkreise Konstanz, Rottweil, Tuttlingen und den Schwarzwald-Baar-Kreis umfasst, im Jahr 2021 acht Fälle von Jagdwildere registriert. Nur zwei davon konnten aufgeklärt werden, geht aus der Statistik vor, die dem SÜDKURIER vorliegt.
Ob Schüsse im Wald nun also von einem Jäger kommen, der dazu berechtigt ist oder nicht, ist für den Laien im Einzelfall schwer zu sagen. Auch deshalb kann die Polizei keine allgemeine Handlungsempfehlung für solche Fälle geben. Dass sich tatsächlich Leute wegen solcher Vorfälle bei der Polizei melden komme nicht sehr oft vor, schreibt Polizeisprecherin Katrin Rosenthal.