Taktgefühl, Tanz, Transzendenz: Was früher als Großstadtphänomen galt, hat längst auch die kleineren Städte erreicht. Was auf den ersten Blick wie ein geheimnisvoller Untergrund wirkt, ist Ausdruck einer wachsenden Bewegung. Techno ist angekommen – auch hier, zwischen Schwarzwald und Baar.
Was einst Berlin, Frankfurt oder Leipzig vorbehalten schien, lebt nun in kleinen Städten wie Donaueschingen weiter – als Kultur, als Freiheitsgefühl, als gemeinschaftlicher Rausch.
Wurzeln in der Hauptstadt
Techno ist mehr als nur ein Beat – für Sina Votteler und Rico Golibrzuch, die als DJ-Duo Sina Nova und Icke Rico auftreten, ist er Haltung, Gefühl und ein Raum für Freiheit. Seit rund fünf Jahren stehen sie gemeinsam hinter den Plattentellern. „Wir haben schnell gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind“, sagt Votteler.

Ihr musikalischer Weg beginnt an unterschiedlichen Punkten, führt aber auf bemerkenswerte Weise zusammen. Golibrzuch, 39, ist in Berlin aufgewachsen – mitten im Epizentrum des Technos. „Das war damals wie eine Explosion, erinnert er sich. Es gab viel Leerstand, alles war möglich. Und Techno war auf einmal da.“
Schon als Kind sei er fasziniert gewesen von der Magie der Maschinen. „Wie man aus monotonen Mustern etwas Gigantisches erschaffen kann, das hat mich nie losgelassen.“ Für ihn sei der Rhythmus nicht bloß Takt, sondern etwas Körperliches, beinahe Organisches: „Der Beat, das ist wie ein Herzschlag. Er verbindet.“
Dort eintauchen, wo alles passiert
Die 37-jährige Sina Votteler fand später zur Szene, aber mit ebenso großer Intensität. Ihre ersten Berührungen mit elektronischer Musik hatte sie im ehemaligen Club Delta in Donaueschingen, wo gelegentlich in den frühen Morgenstunden Elektro lief.
„Das war damals eher eine Ausnahme“, sagt sie. „Es war nie richtig etabliert, aber es hat bei mir etwas ausgelöst.“ Was als Faszination begann, wurde zum Antrieb. Sie zog nach Berlin – nicht nur, aber auch wegen der Musik. „Ich wollte ganz eintauchen. Dorthin, wo alles passiert.“ Sie wollte in das Mekka der Techno-Musik, erzählt sie.
Techno auch auf dem Land verbreiten
Heute lebt das Duo wieder in Donaueschingen, einer Stadt, die mit der Berliner Club-Kultur wenig gemein hat. Umso wichtiger ist ihnen, die elektronische Musik auch hier sichtbarer zu machen. „Es gab vor 20 Jahren schon erste Versuche, erinnert sich Golibrzuch, aber wirklich geblieben ist davon wenig.“ Das soll sich jetzt ändern – mit neuen Formaten im Omega, einem Raum, in dem elektronische Musik im Zentrum stehen soll. „Da gibt es endlich Raum für Elektro“, sagt Votteler. „Es ist ein echter Tapetenwechsel.“
Clubs haben es heute schwer
Dabei bewegen sie sich in einem Spannungsfeld zwischen ursprünglicher Club-Kultur und einem Techno, der längst im Mainstream angekommen ist. „Techno ist heute definitiv kommerziell geworden“, sagt Golibrzuch. „Er hat seinen festen Platz in der Festivalkultur.“
Während Großveranstaltungen boomen, verschwinden die kleinen, oft subkulturell geprägten Clubs zunehmend. „Das Clubsterben ist real. Es geht dabei nicht nur um Orte, sondern um Gemeinschaft und Freiräume.“
Die Feier-Kultur hat sich verändert
Und doch erlebt Techno gerade unter jungen Menschen eine Renaissance. „Techno ist absolut im Trend, sagt Voteller. Auch wegen TikTok. Die Plattform hat viele Türen geöffnet.“ Dort werde elektronische Musik sichtbar gemacht, zugänglich für ein neues Publikum. Das verändere den Zugang – und auch die Szene selbst.
Mit dieser Entwicklung geht allerdings auch eine neue Art der Öffentlichkeit einher. „Früher ging es ums Dasein, ums Erleben, heute oft ums Präsentieren“, meint Golibrzuch. „Social Media hat viel verändert.“
Votteler beobachtet das mit gemischten Gefühlen: „Es geht beim Feiern nicht mehr nur um den Moment, sondern darum, gesehen zu werden.“ Was früher flüchtig war, werde heute dokumentiert – und verliere dadurch etwas von seiner Magie.
Trotzdem glauben beide an die Kraft der Musik und an ihre Fähigkeit, Räume zu öffnen. „Was ich an Techno liebe, ist die Offenheit“, sagt Votteler. „Es gibt keine Schublade, keinen Stempel. Jeder ist willkommen.“ Die Szene sei geprägt von Respekt. „Es ist nicht aggressiv. Alle begegnen sich auf Augenhöhe.“
Schwierige Themen ehrlich ansprechen
Auch schwierige Themen wie Drogen sprechen sie offen an. „Ja, Konsum ist ein Thema, aber nicht nur in der Technoszene. Die Frage ist, wie man damit umgeht“, sagt Golibrzuch. Votteler betont die Bedeutung von Aufklärung. „Es findet Konsum statt, aber es geht darum, ehrlich darüber zu sprechen, ohne zu glorifizieren.“
Was sie antreibt, ist der Moment. Dieser Augenblick, in dem Musik etwas auslöst. „Ein gutes Set ist wie eine Geschichte. Es hat einen Anfang, einen Höhepunkt, eine Auflösung – es nimmt dich mit“, sagt Voteller. Golibrzuch beschreibt es als Zeitreise: „Wenn du eine alte Platte auflegst und jemand lächelt, weil er sie erkennt – das ist Magie.“
Szene in Donaueschingen etablieren
Golibrzuch sammelte schon früh Schallplatten, wie er erzählt. Votteler entdeckte das Auflegen während der Pandemie und wusste sofort, dass sie angekommen war. „Ich habe gemerkt, wie viel Kraft in dieser Musik steckt und wie sehr sie verbindet.“
Mit ihren Veranstaltungen wollen sie genau das weitergeben: Techno als Raum, als Geschichte, als Gefühl. „Wir wollen zeigen, was diese Musik kann“, sagt Votteler. „Und warum sie uns nie wieder loslässt.“ Und wollen diese Szene auch in Donaueschingen etablieren.

Urs Fischbach, Betreiber des Omega, ist nicht nur Veranstalter. Er ist selbst leidenschaftlicher Techno-Fan. „Da trifft man bei mir wirklich einen wunden Punkt“, sagt er mit einem Grinsen. Für ihn steht fest: Techno ist nicht nur ein Genre, sondern ein Statement.
Nachfrage ist da
„Techno ist unfassbar facettenreich“, betont Fischbach. Es gebe so viele Subgenres, so viele Nuancen, die Techno spannend machen. Und genau diese Vielfalt wolle er auch im Omega zeigen. Die elektronische Musik sei längst mehr als nur ein Trend. „Techno ist nicht totzukriegen. Die Nachfrage ist definitiv da, auch hier in Donaueschingen.“
In der Region wurde bereits mehrfach über die wachsende Bedeutung von Techno gesprochen. Im Omega ist das nicht nur Theorie. „Wir haben da ganz konkret was im Programm. Das ist fest geplant und hat seine Relevanz“, sagt Fischbach überzeugt.
Für ihn ist Techno vor allem Kunst. „Die treibenden Beats, die bewegen Menschen, treiben sie an, holen sie ab.“ Techno live sei keine Kleinkunst, sondern Großkunst. „Das ist Wahnsinn“. Und genau diese Energie wolle er herüberbringen.
Auch persönlich ist Fischbach eng mit der Szene verbunden. „Ich bin selbst total Elektro-Hörer. Und ich werde das auch aktiv im Omega bespielen. Da hab ich richtig Bock drauf.“ Sein Fazit? Klar und eindeutig: „Techno ist Kult – und das wird es auch immer bleiben.“