Die Michael-Balint-Klinik, eine anerkannte Fachklinik für Psychosomatik und Ganzheitsmedizin in Königsfeld, wird den Betrieb einstellen. Nach exklusiven Informationen des SÜDKURIER war ein Insolvenzverwalter am Dienstag in der Klinik am Königsfelder Kurpark, um die Belegschaft zu informieren.
100 Mitarbeiter sind betroffen, die Klinik soll final geschlossen werden
Die Klinik verfügt in der psychosomatischen Krankenhausabteilung über 42 Betten, in der Rehabilitationsabteilung sind es nach eigenen Angaben 60 Betten. Betroffen von der Zahlungsunfähigkeit sind etwa 100 Mitarbeiter. Wie es aus informierten Kreisen heißt, sollen die Mitarbeiter zum 15. November 2019 freigestellt werden. Dann sollen auch die letzten Patienten die Klinik verlassen, die dann final abgewickelt und damit geschlossen werden soll.
Die Nachricht ist ein Schock für die Belegschaft
Für die Mitarbeiter kam die Nachricht trotz der bekannten Situation völlig überraschend, viele sind schockiert. „Wir haben die Entwicklung in dieser Schnelle und Heftigkeit nicht erwartet“, heißt es aus den Reihen der Belegschaft. Unter den Mitarbeitern bestand lange die Hoffnung, dass die Krankenkassen aufgrund des einmaligen Know-hows und Profils an der Michael-Balint-Klinik festhalten.
Den Ereignissen dieser Woche geht eine lange Kette an Ereignissen voraus. Auch die Kommune hatte sich intensiv um tragfähige Konzepte für die Klinik bemüht. Auf die Kliniken des Kurortes entfällt mit rund 80 Prozent der mit Abstand größte Anteil der Übernachtungen. Bereits 2010 musste die damalige Betreibergesellschaft, die Wolfhardt Rother GmbH beim Amtsgericht Landshut Insolvenz anmelden. Seitdem befand sich die Klinik im Insolvenzverfahren. Schon 2011 und 2015 wurde vergeblich versucht, das Haus zu veräußern.
Insolvenzverwalter: „Ende der Fahnenstange ist erreicht“
Der SÜDKURIER erreicht den Insolvenzverwalter Michael Jaffé am frühen Donnerstagabend. Dieser war am Dienstag persönlich in Königsfeld vor Ort, um die Beschäftigten über die Perspektiven zu informieren. Der Münchner Rechtsanwalt bedauert, dass nach acht Jahren der Fortführung im Insolvenzverfahren der Betrieb nun eingestellt werden muss. Jaffé beschreibt die Ereignisse dieser Woche als Endpunkt einer langjährigen Entwicklung, die mit der Insolvenz des früheren Betreibers begonnen habe.
„In einem Insolvenzverfahren arbeiten Sie darauf hin, ein Unternehmen fortzuführen. Die Alternative ist die Abwicklung. Es hat 2011 und 2015 Verkaufsversuche gegeben, die letztlich daran scheiterten, dass betriebsnotwendige Verträge nicht übertragen werden konnten. Nun ist leider das Ende der Fahnenstange erreicht“, erklärt Michael Jaffé im Gespräch mit dieser Tageszeitung. Hauptgrund für die Probleme sei eine komplizierte Vertragshistorie, die der Insolvenzverwalter vom vorherigen Betreiber geerbt habe und an der man nicht vorbeigekommen sei.

Kassenverband versetzt der Klinik den Todesstoß
Seit 2017 wurde vor Gericht mit den Krankenkassen um die Frage gestritten, ob die ursprünglich zugewiesenen Akutbetten der Klinik übertragungsfähig sind. Erstinstanzlich wurde nun im Sommer entschieden, dass dies nicht der Fall ist. Das bedeutet de facto, dass sich die Krankenkassen weigern, die Behandlung für Patienten zu bezahlen, die ein Akutbett in der Klinik benötigen. In der Folge des Urteils kündigte der Verband der Ersatzkassen an, ab sofort keine Leistungen mehr zu übernehmen und keine neuen Patienten nach Königsfeld zu entsenden, was der Balint-Klinik letztlich den Todesstoß versetzt hat. An dieser Problemlage scheiterten bereits die beiden Verkaufsversuche der vergangenen Jahre, die Einrichtung galt unter Kennern der Branche bereits damals als unveräußerlich. Den Zuschlag für die Akutbetten bekommt nun das in Rottweil ansässige Landeskrankenhaus Vinzenz von Paul Hospital, das die Kapazitäten künftig anbieten wird.
Patienten werden in vollem Umfang zu Ende behandelt
Unterdessen verhandelt Insolvenzverwalter Jaffé einen Interessensausgleich und einen Sozialplan für die Mitarbeiter, die sich in den vergangenen Jahren mit großem Engagement um die Patienten gekümmert haben. Jaffé hofft, die Verhandlungen mit dem Betriebsrat noch im Oktober zu einem Ende führen zu können. Das Datum 15. November wollte Jaffé auf Nachfrage nicht bestätigen. Der Insolvenzverwalter betont, dass die Patienten in der Klinik ordnungsgemäß und in vollem Umfang zu Ende behandelt werden. Seit zwei Wochen werden jedoch keine Akutpatienten mehr angenommen, obwohl es eine Warteliste mit rund 150 Patienten gibt. Manche der traumatisierten Menschen warten seit fast einem Dreivierteljahr auf eine Behandlung in der Fachklinik, die zu den zehn größten psychosomatischen Kliniken im Land gehört.
Harsche Kritik an Sozialminister Manfred Lucha
Deutliche Kritik wird unterdessen am Landessozialministerium und auch an Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) laut. Hinter den Kulissen hatten sich zahlreiche Politiker aus der Region, darunter die Landtagsabgeordneten Marina Braun und Karl Rombach, Landrat Sven Hinterseh und auch Bürgermeister Fritz Link intensiv für die Zukunft der Klinik eingesetzt. Gebracht hat es offenbar in letzter Konsequenz nichts.

Eine Lösung, bei der sich niemand die Finger schmutzig macht?
Dem SÜDKURIER liegt ein Schreiben vor, in dem sich der Betriebsrat der Klinik bereits im Juli 2017 an den Minister wendet. Schon vor zwei Jahren suchten die Beschäftigten der Klinik beim Sozialminister nach einer Antwort für ihre berufliche Zukunft. Der Vorwurf: Die Entscheidung, die Akutbetten aus Königsfeld zu verlagern, solle so lange verschleppt werden, bis die Klinik von sich aus aufgeben würde und somit niemand die politische Verantwortung übernehmen müsse.
Auch Bürgermeister Fritz Link sieht die politische Verantwortung im Stuttgarter Ministerium. „Die Entscheidung des Verbandes der Ersatzkassen ist für mich nicht nachvollziehbar. Nun ist das verantwortliche Sozialministerium gefordert.“ Link betont den Anachronismus der Landesregierung, einerseits Millionen Euro in die Tourismusförderung in Königsfeld zu investieren und gleichzeitig die bestehende Kliniklandschaft, die das Rückgrat der Fremdenverkehrsinfrastruktur bildet, zu zerschlagen. Für Link ist es unverständlich, warum eine Fachklinik, in der vor allem auch traumatisierte Migranten behandelt werden, im Lichte der derzeitigen politischen Situation aufgegeben werde. „Das Klinikum war in der gesamten Zeit der Insolvenz funktionsfähig und hat schwarze Zahlen geschrieben.“ Auch deshalb will der Bürgermeister noch nicht aufgeben. Link will beim zuständigen Landeskrankenhausausschuss einen neuen Antrag auf Akutbetten stellen und weiter das Gespräch suchen.
Bereits 2017 hieß es: „Die Weiterführung scheidet aus“
Im Gegensatz dazu hat Minister Lucha das Gespräch mit den Beschäftigten 2017 kurzfristig abgesagt. Aus dem Ministerium mit grünem Landesminister hieß es zur Begründung laut dem Schreiben damals nur: „Den anwesenden Vertretern wurde erklärt, dass die Weiterführung am Standort Michael-Balint-Klinik in Königsfeld ausscheidet. Vor diesem Hintergrund macht ein Gespräch zwischen Herrn Minister Lucha und den Beschäftigten leider keinen Sinn. Dies Ihnen zur Kenntnis.“
Über die Klinik
Die Michael-Balint-Klinik liegt an der Hermann-Voland-Straße in Königsfeld. Behandelt werden unter anderem psychosomatische Funktionsstörungen und Erkrankungen wie Schlafstörungen, Erschöpfungssyndrome, Schmerzsyndrome, depressive Störungen, Angststörungen, Zwangsstörungen und Essstörungen wie Magersucht, Bulimie und Fettleibigkeit. Die Klinik ist benannt nach dem ungarischen Psychoanalytiker Michael Balint (1896 bis 1970), der sich besonders intensiv der Erforschung der psychotherapeutischen Beziehung gewidmet hat. (kbr)