Dietmar S. verklagt Biontech auf 150.000 Euro Schmerzensgeld. Der 58-jährige erlitt nach der zweiten Corona-Impfung einen Augeninfarkt. Seither hat S. auf dem rechten Auge nur noch drei Prozent Sehkraft.
Zum Prozessauftakt am Rottweiler Landgericht ist klar: Das Interesse ist groß. Zumindest Presseleute waren aus der ganz Deutschland angereist. Schließlich hat am Landgericht Rottweil einer der bundesweit ersten Prozesse gegen den Impfstoffhersteller Biontech begonnen.
Das Publikum hingegen war eher spärlich gekommen, die zahlreichen Polizisten und Justizwachleute im Gerichtsgebäude hatten wenig zu kontrollieren.
Dietmar S., der Kläger, trug im Gericht eine Spezialbrille, die auf der rechten Seite dunkel ist, denn neben dem Sehverlust ist sein rechtes Auge auch sehr lichtempfindlich. Ausführlich gab ihm das Gericht Zeit, den Ablauf zu schildern.
Plötzlich sind die Namen der Nationalspieler weg
In Freiburg habe er sich im Juni 2021 zum zweiten Mal impfen lassen, dann bei seiner Schwester übernachtet, die dort lebt. Am nächsten Morgen sei ihm schwindlig gewesen, im Gespräch mit seiner Schwester habe er, der Fußballfan, keinen Namen der Nationalspieler mehr gewusst. Ein Brainfog, der mehrere Wochen anhielt.

Dass er nicht gleich zum Arzt ging, begründete Dietmar S. damit, dass auch jüngere Bekannte von ihm nach den Impfungen Konzentrationsprobleme hatten, „nur nicht so schlimm wie bei mir“. Und dass er in der Zeit arbeitslos war.
Seine Firma, ein Autoteilehersteller, war im ersten Halbjahr 2020 verkauft worden und sein Posten als Werksleiter wurde von den neuen Inhabern übernommen. Also brauchte er sich auch nicht krank melden. Das Sehvermögen wurde immer schlechter, im August ging er dann doch zum Arzt. Es folgte eine Odyssee durch Praxen und Kliniken.
Ein Leben im Dunklen
Heute lasse die Familie oft tagsüber die Rollläden herunter, weil ihm das Licht so weh tue, erzählt Dietmar S. Die schönste Zeit des Tages sei der Abend, wenn es dunkel werde und er wieder seine normale Brille tragen könne. Die Arbeitssuche gestalte sich schwer, er gehe offen mit seiner Beeinträchtigung um, und das sei offenbar für viele Arbeitgeber ein Hindernis.
Der Richter hat Zweifel
Der Vorsitzende Richter Torsten Hub hatte dennoch seine Zweifel, ob der Impfstoffhersteller zu Schadensersatz verpflichtet werden könne. Es sei kaum nachzuweisen, dass der Augeninfarkt direkt mit der Impfung zusammenhänge. Immerhin habe der 58-Jährige einige Vorerkrankungen, die ebenfalls ursächlich sein könnten.

Auch sei fraglich, ob das Rottweiler Landgericht überprüfen müsse und könne, dass die Zulassung des Impfstoffs durch die Behörden rechtens war. „Der Anspruch ist sehr schwer nachzuweisen“, so Hub. Auch wenn das nicht heiße, dass das Gericht das schwere Schicksal von Dietmar S. nicht anerkenne.
Er schlug eine gütliche Einigung vor, die jedoch von den beiden Vertretern von Biontech, Tobias Bomsdorf und Benjamin Hermes, abgelehnt wurde. „Wir sehen aus medizinischer und rechtlicher Sicht dafür keine Möglichkeit“, sagte Bomsdorf. Wenn berechtigte Ansprüche da wären, würde Biontech diese regulieren. Die lägen in diesem Fall aber nicht vor.
Der Prozess wird nun geführt, aber im schriftlichen Verfahren. Die Entscheidung wird das Gericht am Freitag, 29. September verkünden.