Sollen die Stadt und ihre Wohnungsbaugesellschaft (Wbg) 126 Wohnungen im Gebiet Oberer Brühl bauen? Eine Stunde debattiert der Gemeinderat diese Frage, da beantragt CDU-Fraktionschef Dirk Sautter eine Sitzungsunterbrechung.

In der Diskussion zuvor war klar geworden, dass im Prinzip alle Fraktionen den Mangel an sozialem Wohnraum in Villingen-Schwenningen anerkennen, aber durchaus unterschiedliche Wege zur Problemlösung beschreiten wollen. Um die verschiedenen Interessenlagen zu sortieren, bildeten sich während der Sitzungspause rasch Grüppchen, die ihr weiteres Vorgehen abstimmten.

Die Skeptiker

Das Gremium teilte sich auf in jene, die das Projekt in dieser Form ablehnen (FDP), jene, die wie CDU und Grüne mit der Entscheidung zuwarten wollten und jene, die wie SPD, Freie Wähler und AfD auf eine sofortige Entscheidung drängten.

Auch wenn sich CDU und Grüne während der Sitzungsunterbrechung auf einen gemeinsamen Geschäftsordnungsantrag einigten, erhielt der Verwaltungsvorschlag für den Einstieg der Wbg in den sozialen Wohnungsbau eine knappe Mehrheit. 21 Mitglieder des Gremiums stimmten dafür, dass die Wbg sich sofort an die Prüfung des Vorhabens machen kann, 15 waren dagegen.

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Private Investoren fehlten

„Es ist etwas in Bewegung geraten, dass schon Anlass zur Sorge bietet“, sagte der Oberbürgermeister bei der Einführung des Tagesordnungspunkts. Für ihn ist der Mangel an Wohnraum eine klare Aufforderung, als Stadt tätig werden zu müssen.

Der Oberbürgermeister erinnerte daran, dass Villingen-Schwenningen schon seit zehn Jahren dabei sei, das Quartier zu entwickeln, aber „keine einzige Wohnung“ entstanden sei. „Wir sind hart aufgeschlagen“, so seine Bilanz angesichts fehlender Investoren aus der Privatwirtschaft.

Ein flammender Appell

Roths flammender Appell für das Projekt fand im Gemeinderat freilich nicht nur Zustimmung. So erinnerte der Fraktionsvorsitzende der CDU, Dirk Sautter, daran, dass der Wohnungsbau keine Pflichtaufgabe der Stadt sei. Er und seine Fraktion hätten die finanzielle Unterstützung gerne im Zusammenhang mit anderen anstehenden Investitionen diskutiert, um in der Gesamtschau ein Bild davon zu erhalten, ob sich die Stadt eine 10,25-Millionen-Förderung leisten könne.

Hätte das Thema gerne mit anderen Investitionen diskutiert: Dirk Sauter, Fraktionsvorsitzender der CDU.
Hätte das Thema gerne mit anderen Investitionen diskutiert: Dirk Sauter, Fraktionsvorsitzender der CDU. | Bild: Dirk Sautter

Ähnlich argumentierten die Grünen. So plädierte Grünen-Gemeinderat Oskar Hahn dafür, das Thema in der anstehenden Klausurtagung zu beraten. Für die FDP ist hingegen klar: „Wir haben die Mittel nicht“, wie deren Fraktionschef Frank Bonath sagte.

Eine knappe Entscheidung

Doch die Skeptiker konnten sich nicht durchsetzen. Aus den Reihen der Freien Wähler sprach sich Dirk Gläschig vehement dafür aus, die Wbg sofort in die Spur zu setzen, das Projekt zu planen, um die Ergebnisse dann dem Gemeinderat zu präsentieren. „Bei den Grundbedürfnissen dürfen wir nicht sparen“, so Gläschig mit Blick auf die Wohnungssituation vor Ort.

Hoffnung auf private Investoren

Sein Fraktionskollege Andreas Flöß erhofft sich, dass mit dem Engagement der Wbg Dynamik in das ganze Projekt gerät – in der Hoffnung, private Investoren könnten dann auch wieder aufspringen. Zustimmung zum Projekt kommt auch von der AfD: Deren Fraktionsvorsitzender Olaf Barth setzte sich ebenfalls für den Bau von Sozialwohnungen unter der Ägide der Wbg ein. Wenn gespart werden müsse, könne das im Bereich der Investitionen bei den Museen geschehen.

Andreas Flöß (Freie Wähler) erhofft sich vom Projekt Impulse für das gesamte Gebiet.
Andreas Flöß (Freie Wähler) erhofft sich vom Projekt Impulse für das gesamte Gebiet. | Bild: Freie Wähler VS

Bedarf wird immer höher

„Wir brauchen bezahlbare Mieten“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Nicola Schurr. Die Entscheidung, die Wbg mit einer Planung zu beauftragen, sei nicht mehr aufschiebbar. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft habe schon in der Vergangenheit gezeigt, dass sie bezahlbaren Wohnraum schaffen könne.

Deren Geschäftsführer Rainer Müldner hatte zuvor aktuelle Zahlen zur Wohnungssituation in Villingen-Schwenningen präsentiert. War bisher von einer Warteliste mit 1700 Interessenten die Rede, so erhöhte sich diese Zahl laut seiner Statistik in den Wochen vor der Sitzung am 9. April auf 2250.

Rainer Müldner, Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft Villingen-Schwenningen, hat den Auftrag, das Wohnbauprojekt zu planen.
Rainer Müldner, Geschäftsführer der Wohnbaugesellschaft Villingen-Schwenningen, hat den Auftrag, das Wohnbauprojekt zu planen. | Bild: Wohnbaugesellschaft

Weitere Entscheidungen

Die Wbg kann nicht nur auf 10,25 Millionen Euro aus der Stadtkasse hoffen. Der Gemeinderat erklärte sich einstimmig dazu bereit, die derzeit in Erbpacht befindlichen Grundstücke unentgeltlich auf die Wbg zu übertragen. Mit großer Mehrheit wurde zudem beschlossen, dass bei anderen Flächen, die in Zukunft bebaut werden könnten, genauso verfahren wird.

Jetzt muss bei der Wbg geplant und gerechnet werden, ob sie mit der in Aussicht gestellten finanziellen Förderung ein tragfähiges Konzept für den Oberen Brühl erstellen kann. Eine leise Hoffnung gibt es noch, dass die neue Bundesregierung möglicherweise noch weitere Gelder für den sozialen Wohnungsbau locker macht.

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