Nach der Zeugenaussage seines ehemaligen Bankberaters hat der Hausverwalter keine Fragen mehr. Da ist es kurz nach 15 Uhr. Fast fünf Stunden zuvor hat vor dem Schöffengericht am Villinger Amtsgericht die Verhandlung gegen den Finanzbeamten und Hausverwalter begonnen (siehe Infokasten). Drei Verhandlungstermine sind anberaumt, 4000 Seiten Aktenmaterial zusammengekommen. Als Richter Christian Bäumler den Bankkaufmann als letzten Zeugen des Tages entlässt, bleibt der Angeklagte stumm.
Oberlehrerhafter Ton
Ganz anders die Stunden zuvor, in denen sich der Verwalter alles andere als wortkarg gegeben hat. Da wurden die ersten beiden Zeugen – eine Hausverwalterin und ein Hausverwalter – von ihm in die Mangel genommen, er referierte ausschweifend über eine angeblich existierende Gesellschaft bürgerlichen Rechts und dazugehörige Konten und versuchte die Staatsanwältin im oberlehrerhaften Ton darüber zu belehren, dass er ihr „fürs nächste Mal eine Hausaufgabe“ mitgebe.
Ende der Ein-Mann-Show
Die Ein-Mann-Show des Angeklagten endet, als der eingangs erwähnte ehemalige Banker in den Zeugenstand tritt. Seit Dezember ist der Mann aus Schönwald im Ruhestand. Jahrelang war er für den Hausverwalter bei der Bank zuständig, der alle Bankgeschäfte für die Wohneigentümergemeinschaften über das regionale Kreditinstitut abwickelte.
Ja, sagt der 64-Jährige, im August 2019 habe es ein Gespräch gegeben. In diesem habe der Verwalter ihm und einem Kollegen gegenüber Unterschlagungen zugegeben und eine konkrete Schadenshöhe genannt. Nachdem eine Eigentümergemeinschaft aus Villingen Strafanzeige gestellt hatte, sei es zu Pfändungen gekommen, weshalb die Bank in jenem Sommer 2019 das Gespräch mit dem Verwalter als ihrem Kunden gesucht habe.
Die Schadenshöhe habe der Angeklagte damals mit 452 600 Euro beziffert. 140 000 Euro davon sollen bis dahin im direkten Zusammenhang mit Wohneigentümergemeinschaften gestanden haben. Mit weiteren Forderungen im sechsstelligen Bereich soll der Verwalter schon zu diesem Zeitpunkt gerechnet haben.
Ja, es habe auch Konsequenzen gegeben, sagt der Zeuge auf Nachfrage der Staatsanwältin. Man habe dem Verwalter damals unter anderem für alle Rücklagenkonten umgehend die Vollmachten entzogen. Ob der Hausverwalter, hauptberuflich Finanzbeamter im gehobenen Dienst, gesagt habe, was mit dem vielen Geld geschehen sei, hakt die Staatsanwältin nach.

„Nein“, sagt der Banker. Man habe versucht, ihm Lösungswege aufzuzeigen. Beispielsweise, dass er sein Privathaus verkaufen könne, um an Geld zu gelangen. Dies habe der Angeklagte vehement abgelehnt. Die Frage eines Verkaufs stellt sich zwischenzeitlich nicht mehr: Das Haus wurde im März für 540 000 Euro zwangsversteigert.
Über den Kopf gewachsen
Schnell zeichnet sich am ersten Verhandlungstag ab, dass dem Mann sowohl seine finanziellen Verpflichtungen als auch die Verwaltung von nahezu 1000 Wohnungen parallel zu seiner regulären Arbeit offenbar schon lange über den Kopf gewachsen waren.
„Ich habe versucht, allem gerecht zu werden“, sagt er auf die Frage der Staatsanwältin nach dem Verbleib der Barentnahmen von diversen Konten. „Es war mir leider nicht möglich, alles Geld kurzfristig zurückzuführen.“ Heute bleiben ihm eigenen Angaben zufolge 1000 Euro im Monat zum Leben. Sein Haus, das er derzeit noch mit seiner zweiten Frau und deren Kind bewohnt, muss er im Sommer räumen.
Seine Scheidung im Jahr 2011 sei teuer gewesen, gibt er an. Er sei gegenüber seiner Exfrau zum Unterhalt verpflichtet gewesen mit einem Betrag, „so viel, wie andere nicht verdienen“, namentlich 1700 Euro. Auch habe er Verbindlichkeiten von ihr übernehmen müssen, darunter ein Grundstück in St. Georgen mit einer Grundschuld von 100 000 Euro. Zugleich habe er seine beiden studierenden Kinder unterstützt.
Schulden steigen
2014 spitzte sich die finanzielle Situation offenbar erstmals zu. Er habe mit einem Fremdwährungsdarlehen Schiffbruch erlitten, berichtet der Angeklagte. Schulden in Höhe von 200 000 Euro seien innerhalb eines Jahres auf 280 000 Euro angestiegen. Schon damals habe die Sparkasse sein Haus versteigern wollen.
Letztlich sei ein Plan erstellt worden, wann er welche Beträge zurückzahlen müsse. „Monatlich zwischen 7000 und 8000 Euro“, sagt er vor Gericht. Als Beamter in Teilzeit habe er 3000 Euro netto verdient, mit seiner Hausverwaltung „wenn es gut lief“ 3500 Euro nach Steuern. Ob er Barentnahmen getätigt habe, um seine finanziellen Verpflichtungen auf die Reihe zu bekommen, fragt der Richter. „Ja.“
Überblick verloren
Doch warum Schiebereien zwischen Wohneigentümerkonten (WEG-Konten)? „Es ist immer schwerer geworden, den Überblick darüber zu behalten, wo ich Geld entnommen habe, das vielleicht einer anderen Wohnanlage gehörte“, sagt der Verwalter. Warum er überhaupt Geld entnommen habe, fragt die Staatsanwältin. Das könne er nicht mehr sagen, heißt es einmal.
Ein andermal: Durch Überweisungen von einem WEG-Konto auf ein anderes habe er dem Empfängerkonto eine Art Darlehen gewährt, um hohe Reparaturkosten bezahlen zu können. Davon hätten auch die Verwaltungsbeiräte gewusst. Das Geld sei damals zum Jahresende zurückgeflossen.
Viele Fragen bleiben am ersten Verhandlungstag offen. Am Mittwoch, 2. Juni, findet der zweite Termin vor dem Schöffengericht statt. Ein Urteil wird am 23. Juni erwartet.