Jetzt wächst der Widerstand der Landwirte auf den Bertholdshöfen gegen die auf rund 50 Hektar von der Stadt geplanten Solarpark. Die neu gegründete Interessengemeinschaft „IG Erbhöfe“ legte jetzt ihre Argumente gegen den massiven Landschaftsverbrauch bei einer Pressekonferenz vor Ort dar.

Die Stadt besitzt dort selbst einige Flächen mit insgesamt 20 Hektar. Ebenso der Spitalfond und die Kirche mit weiteren zehn Hektar. Angeblich hätten von den 21 Grundstückseigentümern auch schon mehrere einer Verpachtung zum Bau einer Freiflächen-Photovoltaik-Anlage informell zugestimmt.

Will nur ein Eigentümer verkaufen?

Das wiederum bestreitet die Interessengemeinschaft. „Uns ist nur ein Grundstückseigentümer bekannt, der solch einen Vorvertrag bereits unterschrieben hat und der ist selbst kein Landwirt und wohnt auch außerhalb“, erklärt Ursula Glunk von der IG.

Ursula Glunk kennt nur einen Landwirt, der seine Flächen verkaufen will.
Ursula Glunk kennt nur einen Landwirt, der seine Flächen verkaufen will. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Dietmar Wildi betont: „Wir sind keineswegs gegen Photovoltaik, wir sind aber dagegen, wertvolle Ackerflächen dafür zu opfern und haben uns deshalb auch Gedanken zu möglichen Alternativen gemacht.“ Der CDU Gemeinderat hat dort selbst eine Fläche für sein beliebtes Sonnenblumenfeld gepachtet. Laut Landratsamt, so Wildi, gehörten die Flächen zu den besseren Böden in der Region.

Das sagen die Landwirte

Die dortigen Agrarflächen werden derzeit von vier Vollerwerbs-Landwirten bewirtschaftet. Wolfgang Schwörer ist einer davon, der im Gegensatz zu den anderen dort auch seinen Hof hat. Von seinen 60 Hektar Ackerland fallen alleine zehn Hektar in das projektierte Gebiet.

Ursula Glunk kennt nur einen Landwirt, der seine Flächen verkaufen will.
Ursula Glunk kennt nur einen Landwirt, der seine Flächen verkaufen will. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Würde er diese verlieren, sagt er, sei dies ein erheblicher Einschnitt für seinen Betrieb. Eine mögliche Ausgleichsfläche wurde ihm, wie auch allen anderen, bisher noch nicht angeboten. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wo solch eine Fläche herkommen soll, geschweige denn, wie weit ich dafür in Zukunft mit meinem Traktor fahren müsste“, erklärt Schwörer.

Ebenso sehen das die dort wirtschaftenden Nebenerwerbs-Landwirte wie Armin Jäckle, der 2,5 Hektar bewirtschaftet. „Mir geht es darum, diese Flächen für unsere regionale Nahrungsmittelproduktion und als wichtiges Naherholungsgebiet zu erhalten.“

Armin Jäckle, Nebenerwerbslandwirt auf den Bertholdshöfen.
Armin Jäckle, Nebenerwerbslandwirt auf den Bertholdshöfen. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Das sieht auch Daniela Althaus so, die dort einen Hof geerbt hat, wo sie als selbstständige Ernährungs- und Gesundheitsberaterin lebt und arbeitet. „Unsere Umwelt ist das wichtigste Gut, welches wir nicht vergeuden dürfen. Woher sollen denn in Zukunft all die regionalen Nahrungsmittel kommen, wenn wir all das zerstören?“, fragt sie sich. Auch das Tierwohl sieht sie durch die Abschattungen, die Zäune und die Frequenzabstrahlungen solcher Anlagen gefährdet.

Bernd Hirt stammt von den Bertholdshöfen, ist Vollerwerbs-Landwirt, bewirtschaftet aber keine Flächen auf dem Areal. Dennoch unterstützt er die IG in ihrer Argumentation gegen den Landschaftsverbrauch und geht dabei in seiner Argumentation noch deutlich weiter. Seiner Meinung nach gäbe es bereits zu viel Strom aus PV- und Windkraftanlagen, denn wie sonst sei zu erklären, dass an manchen Tagen viele Anlagen wegen Überproduktion abgeschaltet werden müssten.

19 Mitglieder der IG Erbhöfe legen ihre Argumente gegen den dort von der Stadt geplanten Solarpark dar.
19 Mitglieder der IG Erbhöfe legen ihre Argumente gegen den dort von der Stadt geplanten Solarpark dar. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Dabei zitiert er auch die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Öko-Instituts aus Freiburg. Im Kern ist deren Aussage: „Der Bundesweit geplante Zubau von 200 Gigawatt bis 2040 könnte bereits vollständig durch vorbelastete Flächen – beispielsweise Parkplätze, Randstreifen, Gewerbegebiete – gedeckt werden. Sogenannte benachteiligte Gebiete auf landwirtschaftlichen Flächen müssten, wenn überhaupt, nur in einem sehr geringen Umfang in Anspruch genommen werden.“

Alternativvorschläge der Betroffenen

Hier hakt auch Wildi ein und erklärt: „Wir haben uns deshalb auch konstruktive Gedanken gemacht, wie die Stadt hier alternativ vorgehen könnte. Auf die Schnelle haben wir bereits rund 30 Hektar identifiziert, wo auf Dächern und unbewirtschafteten Flächen der Stadt sofort PV-Anlagen installiert werden könnten.“ Beispielsweise auf dem Klinikum-Parkplatz oder der ehemaligen Mülldeponie bei Weilersbach.

CDU Gemeinderat und Pächter einer Fläche (für sein Sonnenblumendfeld) bei den Bertholdshöfen, Dietmar Wildi.
CDU Gemeinderat und Pächter einer Fläche (für sein Sonnenblumendfeld) bei den Bertholdshöfen, Dietmar Wildi. | Bild: Hans-Jürgen Götz

Ulrike Salat ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat und spricht sich für das PV-Projekt auf den Bertholdshöfen aus. „Das muss natürlich so verträglich wie möglich mit allen Anwohnern geschehen, und nicht gegen den Willen der Eigentümer“. Die Stadt habe bereits sehr viel in Sachen PV-Ausbau auf versiegelten Flächen unternommen. Das reiche aber leider bei Weitem nicht aus.

Ulrike Salat, Stadträtin der Grünen.
Ulrike Salat, Stadträtin der Grünen. | Bild: Bündnis 90/Die Grünen VS

„Bis wir eine vollständige Bedeckung der versiegelten Flächen, städtisch und privat zu erreichen, um keine Freiflächen-PV zu benötigen, würden nach einer Studie des Ökoinstituts sicherlich 100 Jahre vergehen, da es sich um relativ kleine Flächen handelt.“ Dies sei vermutlich auch völlig unwirtschaftlich.

Stadträtin beklagt Kompromisslosigkeit

Wichtig ist der Grünen-Stadträtin vor allem der Dialog: „Wir haben beim Ortstermin mit den Erbhöflern gefragt, welchen Kompromiss sie eingehen würden, also welche Fläche denn in ihren Augen möglich wäre. Die Antwort war: Null Hektar. Also gar keine Freiflächen-PV. Das ist natürlich ein unmöglicher Standpunkt, der uns überhaupt nicht weiterführt, bei diesem Energiehunger, den Mensch und Industrie – auch in VS direkt vor der Haustüre haben.“

Was CDU Gemeinderat Wildi bemängelt ist das Vorgehen der Stadt in dieser Angelegenheit. Zu wenig Transparenz, keine konstruktiven Gespräche auf Augenhöhe und mangelnder Wille, alternative Lösungen voranzutreiben.

Dem widerspricht die Stadt. Pressesprecher Patrick Ganter teilt hierzu mit: „Wichtig war uns, dass wir mit allen Beteiligten in den Dialog treten. Insgesamt gibt es 21 Eigentümer in diesem Bereich, die von uns kontaktiert wurden. Mit über der Hälfte wurden im Nachgang auch persönliche Gespräche geführt, damit die Eigentümer über den aktuellen Stand aus erster Hand informiert werden. Dies war uns in diesem frühen Stadium, in dem wir uns befinden, überaus wichtig.“

Geplante Fläche für den Solarpark Bertholdshöhe
Geplante Fläche für den Solarpark Bertholdshöhe | Bild: Hans-Jürgen Götz

Letztendlich vermutet die IG schlichtweg wirtschaftliche Gründe als Hauptursache für den Konflikt. „Es ist sicherlich einfacher, schneller und billiger, einen Investor für eine große Anlage auf einer zusammenhängenden Freilandfläche zu gewinnen, als mühselig viele kleine Anlagen auf vielen verteilten Dächern zu projektieren, genehmigen zu und bauen zu lassen“, so die Erkenntnis von Ursula Glunk und ihrer Mitstreiter.

Stadt: Ohne Freiflächen kaum bezahlbare Investitionen

Patrick Ganter von der Stadtverwaltung: „Für diese Anlage sind Investitionen der SVS in Höhe von rund 20 bis 25 Millionen Euro geplant. Unabhängig von den tatsächlich zur Verfügung stehenden städtischen Dächern, die sich letztlich als geeignet herausstellen, würden sich die Investitionen nahezu verdoppeln, wenn wir kleinteilig einzelne Dächer in der Stadt mit PV-Anlagen belegen.“

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Grob geschätzt gehen die Stadtwerke von einem Investitionsvolumen von rund 35 bis 40 Millionen Euro aus, um 30 Megawatt zu erzeugen. Ganter: „Wenn wir bestehende Parkplätze überbauen, um 30 Megawatt zu erzeugen, und mit PV-Anlagen ausstatten, reden wir von Investitionen in Höhe von rund 100 Millionen Euro.“

Rein wirtschaftlich betrachtet sei dies „nicht darstellbar“. Ungewiss sei auch, ob ausreichend Parkflächen in dieser Größenordnung zur Verfügung stünden. „Es würden rund 10.000 Parkplätze benötigt werden, um rechnerisch eine Anlage in dieser Größenordnung zu realisieren.“