Kaum ist Georg Gänswein aus dem Machtzentrum des Vatikan entfernt, prasseln Vorwürfe auf ihn ein. Dieses Mal geht es nicht um das heikle Pendeln zwischen zwei Päpsten, um die Frage der Loyalität oder um theologische Feinheiten. Es geht um persönlich gefärbte Angriffe eines badischen Priesters, der ihn gut kennt. Am Rande spielt auch Geld eine Rolle – eine Sache, über die man im Vatikan ungern spricht.
Den Anfang machte ein Priester, der Georg Gänswein während der Zeit im Priesterseminar Borromäum aus nächster Nähe erlebt hat. Reinhold Nann, 59, charakterisiert seinen prominenten Kollegen als „hart im verbalen Angriff“ und „extrem konservativ“. In einer deutschen Pfarrei wäre er „durch seine polarisierende Art untragbar gewesen,“ sagt Nann in seinem Blog. Die Überschrift des Beitrags, der sich über weite Passagen als Abrechnung liest, lautet: „Georg Gänswein – ein Nachruf.“
„Der arme alte Papst“
Nann stammt aus Freiburg. Seit etwa 20 Jahren arbeitet er als Pfarrer und inzwischen als Bischof in Südamerika. Er wirkte als Pfarrer in armen Gemeinden, später in den hohen Anden und am Amazonas. Damit hat er eine andere Richtung eingeschlagen wie Georg Gänswein. Bischof Nann geht noch einen Schritt weiter: Er habe den Eindruck, so Nann, „dass die Clique um Benedikt den armen alten emeritierten Papst ganz kräftig manipuliert und für ihre Intrigen einspannt. Und der Drahtzieher bei all dem kann nur der Sekretär gewesen sein,“ heißt es in dem Beitrag.
Georg Gänswein spricht von Verleumdung
Georg Gänswein ist befremdet über diese Vorwürfe, von denen er über den SÜDKURIER erfuhr. In einer schriftlichen Stellungnahme an die Redaktion wehrt er sich gegen die Anschuldigungen: „Das sind absurde und verleumderische Unterstellungen. Es erschüttert mich, dass ein bischöflicher Mitbruder – aus der gleichen Heimatdiözese stammend – mit unwahren, ehrenrührigen Behauptungen meint, zu einem Sachverhalt, den er überhaupt nicht kennt, sich so disqualifizierend äußern zu müssen.“
Unterzeichnet ist sein Mail mit dem bisherigen Amtstitel: „Präfekt des Päpstlichen Hauses“ – jener Posten also, von dem er vor einigen Tagen „beurlaubt“ wurde. An die Adresse seines ehemaligen Kollegen gewandt schließt er seine Mail so: „Verleumdungen fallen eines Tages auf den Verleumder zurück.“
Ein Weggefährte springt ihm bei
Ein anderer Weggefährte ist in diesem Punkt deutlich mitfühlender. Hans-Peter Fischer spricht davon, dass Georg Gänswein von Anfang an einen Spagat meistern musste. Die Beurlaubung und damit faktische Entmachtung seien „eine Kränkung für ihn.“

Fischer kommt gleichfalls aus Südbaden; lange Jahre war er Stadtpfarrer in Donaueschingen, bevor nach Rom an den Campo Santo gerufen wurde – die Pilgerkirche im Schatten des Petersdoms.
Zwei Päpste, zwei Schecks
Eine andere Spur bringen Springer-Medien ins Spiel: Sie verknüpfen den Fall des päpstlichen Sekretärs mit einer finanziellen Frage. Es geht um Schecks in sechsstelliger Höhe, die der US-Kardinal Theodore McCarrick den Päpsten Johannes Paul II. sowie Benedikt XVI. zukommen ließ. „Bild“ bringt dabei den damaligen Monsignore ins Spiel, der als Vertrauter des Papstes mit dem Geld zu tun gehabt habe.
Die Zeitung kann dafür keinen einzigen nahrhaften Beleg für den Weg dieser 230 000 Euro anführen. McCarrick war vor genau einem Jahr aus dem Priesterdienst entlassen worden; auch aus dem Kardinalskolleg wurde er ausgeschlossen. Grund dafür waren Fälle von massivem Missbrauch junger Männer in den 70er Jahren.