Richtig warm ist es noch nicht an diesem Morgen, doch längst nicht mehr so kalt wie noch vor wenigen Tagen. Immerhin hat es in der frostfreien Nacht geregnet, sodass der Boden feucht ist. Allzu zuversichtlich zeigt sich Jörg Münch trotzdem nicht. Er wartet bereits am Krötenzaun, den Mitglieder des BUND-Ortsverbands in jedem Frühjahr zwischen Autenweiler und Grünwangen aufstellen. Ein halbes Dutzend Aktive sind es, die den von der Unteren Naturschutzbehörde bereitgehaltenen und alljährlich rechtzeitig zu Beginn der Krötenwanderungs-Periode per Kleintransporter aus Friedrichshafen gebrachten Amphibien-Schutz aufstellen. Auch Münch gehört zu dieser Gruppe, die in diesen Wochen dann das Zählen der Erdkröten übernimmt und die noch durch einige Nicht-BUND-Mitglieder verstärkt wird.
Im Eimer winkt die Rettung vor der Straße
Am Waldstück längs der Kreisstraße 7744 zieht sich der Krötenzaun an deren Nordseite etwa über eine Länge von 200 Metern dahin, bestehend aus einer ebenso langen wadenhohen schwarzen Kunststoffbahn und rund zwei Dutzend im Erdreich versenkten Eimern, in die die nachtaktiven Erdkröten purzeln. Das passiert, weil sie den zu ihrem Schutz aufgestellten Zaun nicht überwinden können und auf der Suche nach einer Lücke weiter an ihm entlangkriechen, um endlich in den nächstgelegenen Eimer zu fallen.

Starke Schwankungen der Bestände verzeichnet
„2008 und 2014 waren extrem gute Jahre“, erklärt Jörg Münch. 2008 wurden 151 Erdkröten gezählt, 2014 sogar 241. „Schwankungen sind ganz normal, die hat es immer schon gegeben“, so Münch weiter. Doch seit einigen Jahren, genauer seit den 2020er-Jahren zählen die BUND-Aktiven und ihre Helfer immer weniger Kröten in den Auffangeimern. „Im vergangenen Frühjahr waren es nur zwölf.“ Und 2023 sogar nur acht Exemplare, die die Markdorfer Erdkrötenschützer im Eimer oder per Hand über die K7744 trugen. „Eine Erklärung haben wir nicht für diese Entwicklung“, bedauert Jörg Münch. „Sicher spielt das Wetter eine Rolle. In den trocken-heißen Sommern schrumpfen die Krötenpopulationen.“
Diese Tendenz wird keineswegs nur am Waldstück zwischen Grünwangen und Autenweiler wahrgenommen. Die Naturschutzorganisationen alarmieren: Der Rückgang an Amphibien, inklusive anderer Frosch- und Krötenarten, sowie von Molchen, sei ein auch in anderen Regionen zu beobachtendes Phänomen. Besonders stark betroffen seien jedoch die Erdkröten.

Rückwanderung der Krötenkinder rätselhaft
In diesen Wochen werden die Männchen wie auch die Erdkröten-Weibchen sicher über die in den Morgen- und frühen Abendstunden recht stark befahrene Kreisstraße getragen. Auf der anderen Straßenseite kriechen sie dann weiter, bis hin zu einem tiefer gelegenen Teich. An dem laichen die Weibchen ab, während die auf ihrem Rücken hockenden Männchen die langen Laichschnüre mit den darin enthaltenen etlichen tausend Eiern besamen. Auf dass sich daraus erst winzige Kaulquappen, dann kleine Kröten entwickeln. „Die Wanderung der Krötenkinder, die haben wir aber so gar nicht im Griff“, berichtet Jörg Münch. Mache sich der Krötennachwuchs doch irgendwann vom Laichplatz-Teich auf den Weg hin zu den Lebensräumen der Eltern. Münch hält es für möglich, dass sie beim Queren der Straße dann in großer Zahl von Auto- und Lastwagen-Reifen überrollt werden.

Das düstere Szenario ist jedoch kurz vergessen, als sich im Eimer mit der Aufschrift 16 eine Erdkröte findet. „Ein junges Weibchen“, freut sich der Naturschützer, nachdem er das Tier aus dem dunkelgrauen Kunststoffeimer befreit hat. Es kommt noch besser. Im übernächsten Eimer sitzen gleich drei Erdkröten. Danach folgen zwei Fehlanzeigen. Bis sich in Eimer 10 erneut eine Kröte und in Eimer 9 ein allerdings nur kleines Erdkrötenmännchen aus dem am Boden mit Laub und Schlamm bedeckten Eimer herausholen lässt. Den Schluss macht Eimer 7 mit einem weiteren Exemplar. Der milde Morgen hat Jörg Münch für viele, viele vergebliche Besuche am Krötenzaun zwischen Autenweiler und Grünwangen entschädigt.