Herr Wiener, ist das Bürgermeisteramt so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Ja, bis jetzt ist eigentlich alles so, wie ich es mir vorgestellt habe. Bereits vor meiner Bewerbung hatte ich mir Gedanken über die Berufung des Bürgermeisters gemacht und auch in meinem Masterstudium, bei dem ich in den Endzügen liege, habe ich schon viele Informationen dazu aufgenommen. Ansonsten hat sich in den 100 Tagen für mich einiges geändert: Das Aufgabenfeld wurde viel breiter, die Tage wurden länger und ich habe ein ganz anderes Umfeld. Im Gegensatz zu früher im Ordnungsamt habe ich jetzt aber auch viele positive Themen im Alltag. Beim Ordnungsamt war ich eher so der Besenwagen, wenn etwas mal nicht funktioniert hat.
Gibt es Dinge, die Sie überrascht haben?
Was mich überrascht hat, waren die großen Hoffnungen, die die Leute an mich als neuen Bürgermeister herangetragen haben. Das hat mich sehr beeindruckt und ist zugleich ein großer Vertrauensvorschuss, den ich auch immer in Ehren halten werde.
Sie haben also noch niemanden enttäuscht?
(Schmunzelt) Ich hoffe es nicht. Acht Jahre sind eine lange Zeit, wobei ich auch darüber hinaus längerfristig plane, im Amt zu bleiben. Dabei trifft man mal positive Entscheidungen, mal negative. Mal läuft‘s für einen gut, mal schlecht. Das ist einfach so, wenn man etwas entscheiden muss. Denn wenn man nichts entscheidet, dann tut man zwar keinem weh, aber bleibt auf der Stelle stehen.
Was macht Ihnen bislang am meisten Spaß an Ihrem neuen Job?
Am meisten Spaß macht mir der Kontakt mit den Menschen. Ich habe bereits mit allen Mitarbeitern in der Verwaltung Mitarbeitergespräche geführt, sodass jeder die Möglichkeit hatte, zu erzählen, was bisher gut war und was vielleicht nicht so gut war, damit man sich kennenlernt und merkt, wo die aktuellen Herausforderungen liegen. Ich suche auch den Kontakt zur Bevölkerung. Ich war schon bei einigen Jubiläen und bei den Vereinen, ich hatte einige Unternehmensbesuche, ich war in allen unseren Einrichtungen, in jedem Kindergarten, in der Schule, in der Mensa, auf der Kläranlage und beim Bauhof. Ich tue dies, damit ich mit jedem ins Gespräch komme und sehe, wo die aktuellen Themen liegen. Aber um umfassend eingearbeitet zu sein, braucht es weit mehr Zeit als 100 Tage.
Und was macht weniger Spaß?
Da muss ich lange überlegen. Denn eigentlich bin ich ja da angekommen, wo ich immer hinwollte. Trotzdem gibt es ein paar Bereiche, die immer unangenehm sind, und das sind schlechte oder schwierige Nachrichten. Vor allem dann, wenn jemand mit einer Idee zu einem kommt, und man nach reiflicher Überlegung dann eine Absage erteilen muss. Das ist nicht so meins. Ich würde schon gerne die Themen aufgreifen und voranbringen, aber wir können natürlich nicht alles auf einmal angehen und priorisieren. Und vielleicht ergibt auch nicht alles gleich Sinn – vielleicht nicht in diesem Jahr, aber in einem anderen Jahr. Das macht mir weniger Spaß, wenn ich jemandem eine Idee absprechen muss. Das gefällt mir gar nicht.
Bereits vor Ihrer Wahl haben Sie angekündigt, die Moderne in Hohentengen einziehen lassen zu wollen – Stichwort Digitalisierung. Inwieweit hat sich auf diesem Gebiet in der kurzen Zeit schon etwas getan?
Ich kann mittlerweile in dem einen oder anderen Bereich auf Papier verzichten. Alles, was per E-Mail hereinkommt, das brauche ich nicht ausgedruckt. Ich habe meinen Arbeitsplatz digital eingerichtet, das heißt, ich kann von überall arbeiten. Ich versuche außerdem über meinen Bürgermeisteraccount, viel über die sozialen Medien zu informieren, um transparenter zu sein. Wir brauchen so eine Plattform aber auch als Gemeinde als zusätzliches Informationsmedium. Das ist einer von den nächsten Schritten, um auch jüngere Generationen anzusprechen. Wir haben darüber hinaus einige Prozesse bei Service-BW freigeschaltet (digitale Plattform für Bürger, Unternehmen und Verwaltungen in Baden-Württemberg, Anm. der Red.). Dort können beispielsweise Bauanträge eingereicht werden oder Gewerbemeldungen durchgeführt werden. Weitere Prozesse werden folgen. Mit ist es aber wichtig, zunächst ein Fundament für die Digitalisierung zu schaffen, indem wir unsere internen Abläufe wie die Aktenhaltung digitalisieren. Auf diesem Fundament können weitere Prozesse medienbruchfrei aufgebaut werden.
Was haben Sie außerdem bereits von Ihren Vorhaben umsetzen oder anstoßen können?
Eines meiner Vorhaben aus dem Wahlkampf ist die Sanierung des Rathauses. Dabei geht es im Wesentlichen um die Themen Brandschutz, Barrierefreiheit und energetische Sanierung, Modernisierung, aber auch um einen Erweiterungsbau. Wir waren mit der Sanierung schon im Gemeinderat, haben verschiedene Planungsbüros involviert und hatten dazu eine Klausurtagung. Am 14. September werden wir unseren favorisierten Entwurf im Gemeinderat vorstellen und anschließend die entsprechenden Förderanträge stellen. Und dann hoffe ich, dass wir nächstes Jahr Baubeginn haben.
Was noch?
Ich habe mich in die Dauerbrenner Flugverkehrsbelastung und Atomendlager ein Stück weit eingearbeitet. Zum Beispiel bin ich nun auch Mitglied der Regionalkonferenz Nördlich Lägern. Bei der nächsten Vollversammlung am 16. September kandidiere ich darüber hinaus als Vorstandsmitglied. Es geht mir dabei darum, in der Lage zu sein, die künftigen Themen, die das Schweizer Atomendlager betreffen, aus erster Hand zu bekommen. Im Tourismusbereich habe ich im Wahlkampf über Campingplätze gesprochen. Da finden erste Gespräche statt. Ansonsten gilt es, laufende Projekte abzuschließen, darunter das Bürgerhaus in Stetten sowie der Radweg zwischen Hohentengen und Stetten.
Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat?
Bisher empfinde ich die Zusammenarbeit als fair und konstruktiv. Sie ist geprägt von einem gewissen Vertrauen und gegenseitigen Respekt. Wir arbeiten alle auf Augenhöhe zusammen.
Bei ihrer Amtsverpflichtung haben Sie betont, dass Ihnen Bürgernähe wichtig ist. Gibt es schon einen Termin für die erste Bürgersprechstunde?
Ja, damit beginne ich jetzt nach den Sommerferien. Ich habe in jedem Ortsteil einen Termin bis Ende des Jahres eingeplant, also sechs Stück, und los geht es am 29. September im Bürgerhaus Lienheim. Darüber hinaus plane ich Bürgerversammlungen zu Beginn des Jahres. Außerdem will ich die Bürgerbeteiligung noch mehr stärken, zum Beispiel mit sogenannten Zukunftswerkstätten. Dies werde ich dann nach den Kommunalwahlen im Juni 2024 in Angriff nehmen.
Am Flughafen Zürich sollen zwei Pisten verlängert werden. Eine davon verläuft Richtung Deutschland. Wie groß ist in Hohentengen die Sorge, dass der Fluglärm noch mehr zunimmt?
Ich als Bürgermeister stehe dem Verfahren kritisch gegenüber und sehe es mit Sorge, weil ich mir kaum vorstellen kann, dass die Pistenverlängerungen nicht doch positive Auswirkungen auf die vorhandenen Kapazitäten haben könnten. Ich glaube zwar nicht, dass die Kapazität sofort ansteigen wird, aber die theoretische Möglichkeit wird dennoch in gewisser Form realisiert. Deshalb befürchte ich auch, dass die Flugbewegungen von und nach Deutschland zunehmen könnten. Ich wünsche mir in dem weiteren Verfahren, dass wir mehr gehört, informiert und eingebunden werden.
Ihr Terminkalender ist sicherlich voller als in Ihrem alten Job bei der Stadtverwaltung Waldshut-Tiengen, da Sie als Bürgermeister auch viele Veranstaltungen am Abend und an Wochenenden besuchen. Wie geht Ihre Familie damit um?
Wir haben uns schon vor dem Amtsantritt damit auseinandergesetzt und uns darauf vorbereitet. Wir müssen nun nicht nur die Arbeit planen, sondern auch die Freizeit gut takten und gestalten, sodass wir aus der wenigen Zeit, die wir haben, möglichst viele positive Erlebnisse ziehen können. Bei der einen oder anderen öffentlichen Veranstaltung begleitet mich zudem meine Familie oder ein Teil davon. Zum Beispiel war ich am vergangenen Wochenende mit meiner kleinen Tochter beim Dorffest in Hüntwangen.
Oder wie jetzt an diesem Wochenende beim Hohentengener Weinfest.
Ja, dorthin wird mich wahrscheinlich meine ganze Familie begleiten.
Freuen Sie sich schon auf das Fest?
Ich kenne das Weinfest schon von Kindesbeinen an, weil ich in der Region verwurzelt bin. Nun erlebe ich es das erste Mal als Bürgermeister. Ich freue mich darauf und bin schon ganz gespannt, weil dies noch mal eine ganz andere Wahrnehmung ist, als es vorher der Fall war.