Es ist eine Standort-Entscheidung, aber eine von großer Tragweite für eine kaum vorstellbar lange Zeit, die die Schweizer Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) in wenigen Tagen treffen wird. Es geht um die Auswahl eines Ortes, an dem die Schweiz ihren Atommüll lagern wird. Dabei ist die Rede ist von Zeiträumen, die jenseits aller menschlichen Vorstellungskraft liegen.

Betroffenheit für den Kreis Waldshut ist auf jeden Fall gegeben

Drei Gebiete stehen in der engeren Auswahl: Jura Ost, Nördlich Lägern und Zürich Nordost. Und alle drei sind derart nah an der Grenze zu Deutschland gelegen, dass das Projekt Endlagersuche keinesfalls eine rein Schweizer Angelegenheit sein kann, sondern in jeder Hinsicht auch den Kreis Waldshut und die dortigen Gemeinden betreffen wird, egal welcher Standort am Ende das Rennen macht.

Umso genauer schaut die deutsche Seite den Schweizer Verantwortlichen seit Jahren auf die Finger, ist in den beratenden Gremien vertreten und pflegt in unterschiedlichster Weise enge Kontakte, um hiesige Positionen berücksichtigt zu wissen. Das gilt vor allem für das Thema Sicherheit mit all seinen Facetten. Denn, so die zentrale Forderung: Ein derart brisantes Thema muss im Konsens bewältigt werden.

Politiker demonstrieren Einheit

Das untermauerten Vertreter aus Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik der Region bei einem gemeinsamen Treffen mit dem Staatssekretär im Umweltministerium, Christian Kühn. Dieses fand an symbolträchtiger Stelle statt: Auf einem Feld südlich von Jestetten, von wo aus man das nur 500 Meter entfernte Kloster Rheinau sehen kann, das bereits auf Schweizer Gemarkung liegt.

Allein dieser Treffpunkt veranschaulichte sehr treffend, wie räumlich nah sich die Schweizer Atomendlager-Suche abspielt, wie der Waldshuter Landrat Martin Kistler betonte. Dass die Menschen am Hochrhein ein existenzielles Interesse an Mitsprache hätten – keine Frage.

Dass die Schweizer Behörden dies bisher auch akzeptiert haben, dass deutsche Vertreter eng in die Gespräche involviert waren, dass es Austausch gab und Interessen konstruktiv und bisweilen auch „lautstark“ diskutiert worden seien, werteten die versammelten Bürgermeister der deutschen Nachbargemeinden Dominic Böhler (Jestetten) und Ulrich Krieger (Laufenburg), aber auch die parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Grünen-Landtagsabgeordneter Niklas Nüssle als wichtiges Zeichen.

„Nach der Standortentscheidung beginnt die eigentliche Arbeit“

Aber sie ließen keinen Zweifel daran: „Wenn die Standortentscheidung bekannt gegeben wird, geht es erst richtig los.“ Denn, so verdeutlichte Ministerialdirigent Peter Hart vom Umweltministerium, die Entscheidung der Nagra komme lediglich einem Vorschlag gleich, der dann in allen Details geprüft werde.

Aber es gebe durchaus Aspekte, auf die besonderes Augenmerk gelegt werden müsse, wie Renate Wiese und Thomas Weber, Sprecher der Bürgerinitiative Kein Leben mit atomaren Risiken (Klar!), darstellten. Dazu zähle der Schutz von Tiefenwasser-Beständen ebenso wie die kontinuierliche Niedrigstrahlung, die von derartigen Anlagen ausgehe.

Beides werde auf Schweizer Seite bislang noch viel zu wenig berücksichtigt, kritisiert Klar! Gleiches gelte für die „hochrisikobehaftete“ Oberflächenanlage, die nach Stand der Dinge „auf der grünen Wiese“ errichtet werden könnte und wo möglicherweise über längere Zeiträume redioaktive Materialien zwischengelagert werden, wie Thomas Weber weiter ausführte.

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Staatssekretär Kühn: Gerechte Verteilung der Lasten und keine Kompromisse bei Sicherheitsaspekten

Staatssekretär Kühn zeigte sich überzeugt, dass die Eidgenossen allein aus eigenen Interessen heraus hohe Ansprüche die Sicherheit ihres Endlagers stellen werden. Er stellte aber auch klar: „Neben der gerechten Verteilung der Lasten für die Region ist das einfach der zentrale Aspekt, bei dem keine Fragen offenbleiben dürfen und den es intensiv zu begleiten gilt.“ Dass es hier eine große Einheitlichkeit in der Region gebe, könne da nur von Vorteil sein.

Konkret kündigte er Gespräche auf Ministerialebene an, sobald die Entscheidung bekannt gegeben sei. Er selbst werde sich auch nochmals mit dem Schweizer Botschafter in Berlin ins Benehmen setzen. Dass so am Ende eine für alle Seiten tragbare Lösung entstehen könne, dessen sei er sich sicher, so Kühn.

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Schwarzelühr-Sutter: „Ein Prozess mit internationalem Vorbildcharakter“

Und auch seine Amtsvorgängerin und jetzige Parlamentarische Staatssekretärin im Innenministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, die acht Jahre lang selbst federführend in Gespräche involviert war, ist sich sicher, dass auch die Schweizer Seite sich der Tragweite des Gesamtvorhabens Endlagersuche bewusst sei und sie weiterhin ein Interesse an einer konstruktive Zusammenarbeit über die Staatsgrenze hinweg habe: „Dieser Prozess steht unter internationaler Beobachtung. Denn es ist das erste Mal, dass eine Endlagersuche auch zu einer Angelegenheit wird, die Interessen zweier Staaten berührt.“

Wie die Angelegenheit völkerrechtlich gelöst werde, könne Vorbildcharakter für viele weitere derartige Prozesse erhalten.

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