Sie geben ein farbenprächtiges Bild ab – ob bei Fasnachtsumzügen, Trachtentreffen oder Heimatfesten: Spielmanns- und Fanfarenzüge waren immer ein Blickfang, ernteten bei traditionsbewussten Zuschauern oft Beifall für ihre Auftritte.

Diese Zeit scheint sich rasant dem Ende zuzuneigen. Am Beispiel von zwei Musikzügen aus dem Kreis Waldshut schildern wir die aktuelle Situation. Der Spielmannszug der Bürger- und Narrenzunft Tiengen hat sich mangels Personals aufgelöst, der Fanfarenzug Wutöschingen spielt sämtliche Tasten auf der Werbe- und Social-Media-Klaviatur, um den zum Ortsbild gehörenden Verein zu erhalten.

Aufgeben ist für den Fanfarenzug Wutöschingen keine Option

In Hochzeiten hatte der 1970 von Rolf Enzmann gegründete Verein um die 40 Musiker. Der inzwischen verstorbene Initiator der Gründung wollte seine Begeisterung für diese Art der Musik in seine neue Heimat importieren. Das gelang ihm auf Anhieb.

Zunächst war der Musikzug eine Untergruppe der Fröschezunft. In den 1980er Jahren gab es sogar eine eigene Nachwuchsabteilung. „Jahrzehntelang was es „In“ Mitglied beim Fanfarenzug zu sein“, erzählt die Vorsitzende Manuela Stanisch im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

„Wir wollen mit unseren Auftritten Präsenz zeigen und beweisen, dass es uns allen Spaß macht“, Manuela Stanisch, Vorsitzende Fafarenzug ...
„Wir wollen mit unseren Auftritten Präsenz zeigen und beweisen, dass es uns allen Spaß macht“, Manuela Stanisch, Vorsitzende Fafarenzug Wutöschingen. | Bild: G. Edinger/Scheuble

Diese Zeiten sind längst Geschichte. Kritisch wurde es allerdings erst, als viele der Frauen und Männer der ersten Stunde vor etwa 15 Jahren altersbedingt fast gleichzeitig aufhörten. Von Jahr zu Jahr wurden es immer weniger Aktive – derzeit besteht die Gruppe aus acht Musikern: zwei Trommlerinnen und sechs Fanfarenbläsern. Die Lyra ist inzwischen im „Instrumentenlager“ des Vereins verschwunden.

Um überhaupt bei einigen Anlässen, wie beispielsweise an Fasnacht oder beim Auftakt des Familiensonntags, spielfähig zu sein, greift auch Stabführer Heiko Stanisch zur Fanfare. Er ist seit 30 Jahren aktiv, seine Ehefrau Manuela bringt es auf sechs Jahre mehr.

Das brachte das Vorstandsteam dazu, einen „Hilfeschrei“ auszusenden. In Inseraten, auf der vereinseigenen Internetseite und in den sozialen Medien gibt es den Aufruf: „Wir brauchen Dich. Aufgeben ist noch keine Option – Kommt vorbei und helft uns, unseren Traditionsverein zu retten!“ Jeden ersten Mittwoch eines Monats sind Interessierte aufgerufen, zur offenen Probe zu kommen.

Der Fanfarenzug Wutöschingen spielt sämtliche Tasten auf der Werbe- und Social-Media-Klaviatur, um den Verein zu erhalten. Hier eine ...
Der Fanfarenzug Wutöschingen spielt sämtliche Tasten auf der Werbe- und Social-Media-Klaviatur, um den Verein zu erhalten. Hier eine Aufnahme vom Umzug in Erzingen. | Bild: Fafarnezug Wutöschingen

„Viele im Ort sehen, dass es ernst wird – wir brauchen Leute, die bei uns mitmachen“, betont die Vorsitzende im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Dabei könne jeder gleich mitmachen – auch ohne musikalische Ausbildung. „Manche können keine Noten, sie spielen nach Gehör“, möchte Manuela Stanisch Mut machen, einfach mal reinzuschnuppern. Instrumente stehen kostenlos zur Verfügung.

Eine weitere Werbeaktion startet beim Narrentreffen im Schwerzen, wo ein Bollerwagen mit neu gestalteten Plakaten neue Mitglieder werben soll. Beim Umzug in Wutöschingen wird der Musikzug Fanfaren schmettern und kräftig dafür trommeln, bei einer Probe vorbeizukommen. Selbst wenn der Erfolg bisher auf sich warten lässt: „Wir wollen Präsenz zeigen und beweisen, dass es uns Spaß macht“, betont Manuela Stanisch.

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Spielmannszug Tiengen gibt auf

Gründe dafür, dass traditionelle Vereine inzwischen eher gemieden werden, gibt es viele. Davon weiß der Kommandant der Bürgerwehr Tiengen, Jürgen Baumgartner, zu berichten. Seit vier Jahrzehnten ist er in der Bürgerwehr und beim Spielmannszug aktiv und spielte die Landsknechttrommel. Vom Verband wurde er wegen seiner Verdienste zum Major befördert.

Trommeln und Piccoloflöten sind nun verstummt – den historischen Musikzug gibt es nicht mehr. Die übrig gebliebenen Spielleute schlossen sich der Bürgerwehr an, die ebenfalls Probleme hat und nur noch aus elf Männern besteht, sagt Baumgartner.

Der 1953 wiederbelebte Musikzug musste 1984 ein turbulentes Jahr überstehen. Letztlich gab es den neu gegründeten Spielmannszug, der zur Bürger- und Narrenzunft gehörte, und einen eigenständigen Verein. „In Hochzeiten hatten wir bis zu 60 Mitglieder“, erinnert sich Baumgartner.

„Das tut im Herzen weh – und ich Frage mich immer wieder: musste das gerade unter meiner Leitung passieren?“ Jürgen Baumgartner, ...
„Das tut im Herzen weh – und ich Frage mich immer wieder: musste das gerade unter meiner Leitung passieren?“ Jürgen Baumgartner, Kommandant Bürgerwehr mit Spielmannszug | Bild: Edinger, Gerald

Der Spielmannszug trat nicht nur an der Fasnachtseröffnung am 6. Januar im Schlosshof und vielen närrischen Umzügen in Erscheinung, auch bei Trachtenfesten und natürlich beim Schwyzertag waren die markanten Töne von Trommeln und Flöten zu hören. „Oft haben wir großen Applaus bekommen und waren als Fotomotiv beliebt“, schwelgt Jürgen Baumgartner in Erinnerungen.

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Das ist nun vorbei. Der Kommandant glaubt, die Gründe für den Niedergang des Spielmannszugs zu kennen: „Regelmäßige Proben sind nicht beliebt, die Instrumente von Außen betrachtet nicht attraktiv genug, Marschmusik und die militärische Tradition sind nicht mehr zeitgemäß.“

Viele Musiker spielten lieber in einer Guggenmusik, als sich in eine Uniform zu zwängen. Zudem würde ein Tambour, anders als der Dirigent eines Musikvereins, ohne Bezahlung die Proben und Auftritte leiten.

2012 stand der Zug schon einmal vor dem Aus, eine Kooperation mit dem Spielmannszug 1953 rettete damals die Abteilung der Bürger- und Narrenzunft. „Wir waren sogar die erste Gruppe im Landesverband, bei der Frauen aufgenommen wurden.“ Auch das habe letztlich nicht die Rettung des Spielmannszugs gebracht. „Vor Auftritten haben wir oft genug bis zum letzten Moment gezittert, ob wir überhaupt spielfähig sind.“

Der Spielmannszug der Bürgerwehr Tiengen gehörte mit seinen prächtigen Uniformen seit Jahrzehnten zum farbenprächtigen Bild beim Umzug ...
Der Spielmannszug der Bürgerwehr Tiengen gehörte mit seinen prächtigen Uniformen seit Jahrzehnten zum farbenprächtigen Bild beim Umzug am Schwyzertag dazu. (Archiv) | Bild: Alfred Scheuble

Selbst eine Zusammenarbeit mit der Florianskapelle Waldshut wurde initiiert, habe letzten Endes aber nicht funktioniert, erzählt Baumgartner weiter: „Wir haben viele Dinge versucht, alles hat nichts gebracht. Ich glaube, Spielmannszüge sind aus der Zeit gefallen“, merkt er mit einer gewissen Wehmut an.

Die Auflösung des Spielmannszugs schmerzt ihn sehr, die Bürgerwehr will er nun am Leben halten, fürchtet aber, dass bei dieser Gruppe ebenfalls das Ende absehbar ist, das bedauert er sehr: „Das soziale Leben wird im Verein aktiv gestaltet und es wirkt sich bis ins Privatleben positiv aus“. Dies möchten viele Menschen in der heutigen Zeit nicht mehr leben: „Das tut im Herzen weh – und ich Frage mich immer wieder: musste das gerade unter meiner Leitung passieren?“

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