Flanieren, Bummeln oder auf einer der Terrassen der zahlreichen Cafés und Restaurants in der Waldshuter Kaiserstraße einen Kaffee trinken – frei von Verkehr. Was heute fast selbstverständlich ist, war noch Ende der 60er Jahre völlig undenkbar. In einer Sitzung des Waldshuter Werbe- und Förderungskreises (W+F) im Jahr 1968 bezeichnete der damalige stellvertretende Vorsitzende Alex Gröber das Thema noch als „Wunschtraum, der bei aller Sympathie für ungefährdeten Straßenbummel in unserer Stadt nicht realisierbar“ sei.

Und er sollte die nächsten 20 Jahre recht behalten. Doch bis 1984 wurde der Wunsch nach einer Fußgängerzone immer lauter und bis 1988/1989 wurde eben dieser Wunsch dann realisiert – gut zwei Jahre, nachdem in Tiengen eine Fußgängerzone eingeführt worden war.
Bild ändert sich im Mai 1988
Bereits Mai 1988 änderte sich dann auch schon das bisherige Bild: Wo vorher noch Autos vor den Geschäften parkten, haben Gastwirte damit angefangen, in dem fertiggestellten Teil der neuen Fußgängerzone Tische und Stühle hinauszustellen. Richtig los unter freiem Himmel ging es dann nach Einweihung der Fußgängerzone am 24./25. Juni 1989.

Heute, fast auf den Tag 31 Jahre später, ist es völlig undenkbar, dass Autos durch die Kaiserstraße fahren – abgesehen vom Warenlieferverkehr, der beim Unteren Tor ein Stück über die Kaiserstraße und dann wieder auf den Wallgraben fahren darf. Doch der Weg zur autofreien Innenstadt war nicht eben.
Im Vorfeld der Entscheidung gab es kontroverse Meinungen zu einer Fußgängerzone. Die Stadtverwaltung – damals unter Oberbürgermeister Franz-Joseph Dresen – befürwortete die autofreie Innenstadt, die Geschäftswelt bangte um ihre Kunden. Es folgten zahlreiche Gespräche und mehrere Besuche in anderen Städten und Gemeinden, die bereits eine Fußgängerzone eingerichtet hatten.

Einer, der die langen und teils heftigen Diskussionen rund um die Fußgängerzone direkt miterlebte, war Hans Studinger, damals Vorsitzender des Werbe- und Förderungskreises und zugleich OB-Stellvertreter. „Ich war selbst Befürworter und kann mich noch sehr gut an die vielen Diskussionen erinnern. Wir haben uns deshalb Städte wie Wiesloch und Mosbach angeschaut, die bereits eine Fußgängerzone umgesetzt hatten.
Bild der Fußgängerzone ändert sich
Danach stand die Fußgängerzone eigentlich nicht weiter zur Diskussion. Allerdings haben uns die Menschen dort auch gesagt, dass sich das Bild der Geschäfte ändern wird, was ja schließlich auch so gekommen ist. Früher gab es noch Geschäfte, wo man einen Kühlschrank kaufen konnte, das ist ja heute nicht mehr der Fall. Dafür gibt es viele Boutiquen und Cafés und Restaurants.“
Weil mit Einführung der Fußgängerzone auch Parkplätze fehlten, gab es die Forderung nach einem Parkhaus. „Dass Parkraum geschaffen werden musste, war das Hauptanliegen der Geschäftswelt und der Bevölkerung“, sagt der heute 92-jährige Hans Studinger, der von 1965 bis 2009 CDU-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat, zunächst von Waldshut, später von der neuen Doppelstadt Waldshut-Tiengen war.
Parkhaus ebnet Weg für Fußgängerzone
„Und als dann die Realisierung des heutigen Parkhauses am Kornhaus immer näher rückte, ebbten auch die Diskussionen um die Fußgängerzone immer mehr ab.“ Studinger weiter: „Als die Fußgängerzone dann gebaut wurde, unterstützte der W+F diese Arbeiten sogar maßgeblich“, erinnert er sich. Dadurch sei die Bauzeit um mehrere Monate verkürzt worden.
Studinger: „Manche wollten damals auch, dass eine Allee entlang der Kaiserstraße entsteht, aber ich hielt davon nicht viel, denn das Laub hätte den Stadtbach verstopfen können, und es hätte zu Überschwemmungen in den Kellern der Gebäude kommen können.“ Der Stadtbach sei laut Studinger auch im Rahmen der Einführung der Fußgängerzone wieder an die ursprüngliche Position verlegt worden.
Parkhaus wird zunächst gemieden
Martin Albers, von 1991 bis 2015 Oberbürgermeister in Waldshut-Tiengen, schreibt in einem Beitrag zum 25-jährigen Jubiläum der Parkhaus-Gesellschaft Waldshut-Tiengen: „Das Parkhaus Kornhaus wurde von den Autofahrern weitgehend gemieden. Stattdessen versuchten sie, einen der rund um die Altstadt übrig gebliebenen Außenparkplätze zu ergattern oder auf dem Viehmarktplatz beim Basler Tor mit rund 200 Parkfeldern zu parken. Sie nahmen in Kauf, dafür längere Zeit auf den Straßen im Zentrum unterwegs zu sein.“
Um die Parkraumsituation zu lösen, entschied sich die Stadt – wiederum nach heftigen Diskussionen – dann für eine Tiefgarage unter dem Viehmarktplatz, die 1994 eingeweiht wurde und nun Platz für rund 600 Fahrzeuge bietet.
Mit der Einweihung der Fußgängerzone am 24. und 25. Juni 1989 – unvergessen dabei die von Tor zu Tor reichende, 330 Meter lange Frühschoppentafel – begann eine neue Ära der Einkaufsstadt Waldshut: Statt zahlreicher Autos gab es nun bunte Straßencafés, dazwischen Scharen bummelnder Einkäufer, an Sommerabenden ein weitum gefragtes Ziel mit mediterranem Flair. Und schnell war klar: Die Fußgängerzone bringt nicht weniger, sondern mehr Kunden.